Liebe Freunde des Wanderpaddelns, diesen Sommer trieb es uns mal richtig weit weg, bis an den östlichen Rand Europas. Letzten Winter begann es mit dem sprichwörtlichen Finger auf der Landkarte. Ich suchte einen russischen Fluss in ferner Natur, ähnlich den hier unter Canadierfahrern so beliebten nordamerikanischen Flüssen, der aber dennoch, so wie gewohnt, mit dem Auto erreichbar wäre. Fündig wurde ich im Nordural. Dort kreuzt eine bereits im Satellitenbild erkennbare einsame Straße den Oberlauf des Schtschugor. Im Unterlauf wäre spätestens in Petschora eine Möglichkeit gewesen, mit öffentlichen Verkehrsmitteln zurück zum Auto zu gelangen. Eine wirklich seltene Konstellation, dort in den wenig erschlossenen Weiten des Nordens.
Die Idee war geboren, aber richtig entschlossen waren wir lange Zeit nicht. Erst Mitte Mai 2014 beginnen wir unsere Vorbereitungen mit dem Anlegen einer Schtschugor-Seite im Faltboot-Wiki, wo alle verfügbaren Informationen zusammengetragen werden. Schnell stellt es sich heraus, dass der Fluss in einem großen Nationalpark fließt. Das hat den Vorteil, dass er wahrscheinlich wirklich in schöner Landschaft eingebettet und sauber wäre, aber den Nachteil, dass seine Befahrung mit gewissen Restriktionen belegt ist.
Tatsächlich wird es viel aufwändiger als zunächst gedacht. Nicht nur, dass der Aufenthalt im Nationalpark Gebühren kostet, die Befahrung des Schtschugor ist auch noch personenzahlmäßig streng reguliert. Das brachte die Unsicherheit, ob man denn überhaupt ins Kontingent rutscht. Wie lange vorher muss man sich anmelden? Muss man die Gebühren tatsächlich vorab überweisen? Desweiteren stellt sich heraus, dass die Straße zur Einsatzstelle nicht einfach frei befahrbar ist, sondern als Privatstraße der Gasprom, entlang der wichtigen Gaspipeline "Nordlicht", einer besonderen Genehmigung bedarf. Und ganz allgemein stellt sich vor eine Reise nach Russland auch noch der Visa-Zwang und der Nachweis einer Einladung.
Eigentlich alles nichts für mich, wo wir es doch gewohnt sind, völlig ohne verpflichtende Schritte in der Vorbereitung frisch, frei und fröhlich losfahren zu können, und auch das Ziel jederzeit, z.B. entsprechend der Wetter- oder Wasserstandssituation, verlegen zu können (vgl. Dnjester, Torneälv, Dordogne, Ticino).
Ende Mai dann ist es soweit, die Entscheidung fällt für die Tour. Visa werden über eines der russischen Reisebüros in Berlin beantragt, welche auch eine Fake-Einladung organisieren (80€/P), drei Dokumente für den Nationalpark werden ausgefüllt und dorthin gemailt, ein weiterer Antrag wird an die Gasprom gefaxt, usw. Mit dem Nationalpark entwickelt sich ein längerer Mailaustausch, wobei uns tatsächlich nie 100% klar wird, ob bzw. wann genau wir den Fluss befahren dürfen. Naja, auf einen richtigen Plan B habe ich dennoch verzichtet, da nichts Gleichwertiges in der Region erkennbar ist.
Am 12.Juli geht es auf nach Polen. Weißrussland wird natürlich umfahren, da dieses Land noch mal extra ein teures Transitvisum verlangt. Mein Plan ist, in ruhigen 2 - 3 Tagen bis an die lettisch-russische Grenze zu fahren, um dann am 15.7. morgens in Russland einzureisen und die nächsten 3 Tage schnurstraks und auf kürzestem Weg durchzufahren bis zum Ziel Vuktyl, 3400 km. Wir hatten uns nämlich anfangs gegenüber dem Nationalpark festgelegt auf den 18.7. als Starttermin auf den Fluss (erst nach der Flusstour wollten wir uns dann in Ruhe das übrige Land anschauen).
Die Einreise verläuft hervorragend: keine Schlange bei der Grenzabfertigung, keine große Wartezeit, eine extrem nette, entgegenkommende Beamtin in schicker Uniform, die sich auch nicht zu schade ist, uns mal schnell selbst Teile der Formulare auszufüllen - ganz das Gegenteil dessen, was uns Roland 2008 berichtete. Die Gepäckkontrolle endet an allen Grenzen immer dann, wenn die Zöllner die Paddel erkennen.
Danach müssen wir zwar doch eine Straßenmaut bezahlen (was Google nicht wusste, dafür aber das Garmin), aber die ersten 60 Kilometer in Russland gehen dann auf glatter Straße flott voran. Das ändert sich hinter der ersten Stadt, Ostrov. Die Straße ist so katastrophal schlecht, dass wir nach 8 km wieder umkehren und einen Umweg über Pskov fahren. Das geht zunächst auch gut, aber dann müssen wir wieder 35 km über extrem schlechte Straßen durch eine Gegend, die vollkommen aufgegeben und verwaist erscheint. Schlagloch an Schlagloch, mein zartes Cuörchen mag das gar nicht und ich bete, dass es mir nicht das Fahrwerk zerreißt. Und das im Westen Russlands, also nicht unbedingt weit abgelegen. Naja, es lohnt hier nicht, all die Schwierigkeiten auf den Straßen im Detail zu schildern, die Zustände wechseln ständig und ich bange immer wieder, dass es nicht noch schlimmer kommen möge. Den Hinweg absolvieren wir dann doch nicht so schnell, wie ich mir das anfangs dachte. Wir schauen uns Veliki Novgorod mit seinem Kreml und der überall präsenten Wikinger-Vergangenheit an, Vologda und Veliky Ustyug, da, wo Väterchen Frost wohnt (da ist es ähnlich wie in Rovaniemi, wo der Weihnachtsmann wohnt).
Am 20.7. kurz nach 11 Uhr stehen wir an der Petschora, dem fünftlängsten und nach Wolga und Donau drittwasserreichsten Fluss Europas. Eine Fähre bringt uns ans andere Ufer. Nun nähern wir uns auf einer Schotterstraße dem Ural. 100 km vor dem Hauptkamm sehen wir die Berge zum ersten mal. Aber heute geht es noch nicht zur Einsatzstelle. Wir biegen ab nach Vuktyl, und schauen uns um. Morgen wollen wir uns im Nationalparkbüro melden und die letzten Formalitäten abschließen. Abends übernachten wir am Ufer der Petschora.
Leider wird es am Montag auch noch nichts mit der Fahrt zur Einsatzstelle. Die Nationalparkverwaltung überzeugt uns, nicht mit eigenem Fahrzeug weiterzufahren, sondern uns chauffieren zu lassen. Wir starten also erst am 22. Juli. Vor dem Nationalparkbüro wird das Gepäck in einen geländegängigen UAZ-452 umgeladen. Dann fahren wir den Cuore auf den bewachten Parkplatz, und anschließend tanken. 80 L sollten bei diesem durstigen Gefährt reichen. (Ich käme damit im Cuore über 2000 km weit). Der Zugang zur Gasprom-Straße ist extrem scharf bewacht. Ohne vorherige Genehmigung kommt niemand hinein. Selbst der Unterboden der Fahrzeuge wird mit Spiegeln abgesucht, alles aus Angst vor Terroranschlägen. Nach einem zweiten, ebenso scharf bewachten Tor gelangen wir endlich auf die Schotterstraße in den Ural. Unser junger Fahrer ist diese Strecke noch nie gefahren und sehr unsicher. Jedes entgegenkommende Fahrzeug hält er an und fragt nach dem Weg. Dabei geht es einfach nur geradeaus. Wir überqueren den 950 m hohen Hauptkamm des Ural und sind nach 110 km am Schtschugor, fahren aber ohne Stopp noch 6 km weiter. Hier befindet sich die Grenze zwischen Europa und Asien bzw. Sibirien. Nach einem kurzen Fotostopp geht es zurück zum Schtschugor, große Pause, der Regen hört auf, umschauen, das Boot aufbauen (unseren altbewährten Ally), Gepäck verstauen.
¼6 Uhr (Ortszeit) sind wir auf dem Wasser und fühlen uns vollkommen alleine in nahezu unendlicher Wildnis. Fast 300 km durch absolut naturbelassene Taiga liegen vor uns, mit Rentieren und Elchen, Bären, Wölfen und Vielfraßen. In den Wäldern rufen die Sibirischen Tannenhäher, regelmäßig streifen Möwen und Seeadler den Fluss entlang. 100 km geht es zunächst nordwärts auf kristallklarem Wasser entlang der Grenze zwischen Europa und Asien, links und rechts erheben sich z.T. schneebedeckte Bergketten. Anschließend windet sich der Fluss westwärts zwischen Nordural und Polarural hindurch und weiter durch drei ergreifend schöne Felsentore bis zur Mündung in die Petschora.
Die ersten Kilometer müssen wir noch ab und zu mal treideln, weil das Wasser zu flach ist. Ab der Mündung der Ponja ist aber genügend Wasser im Fluss.
Für die Übernachtungen sind im Nationalpark Rastplätze eingerichtet worden, die wir auch überwiegend nutzen. Hier findet sich ein oft überdachter Tisch mit Bänken, immer eine Feuerstelle, und ab und zu auch ein Blockhaus, eine изба. An manchen Feuerstellen hat die Nationalparkverwaltung Feuerholz bereitgestellt. Das nützt uns allerdings in der Regel wenig, denn es handelt sich um ganze Baumstämme. Der Russe scheint idR mit Motorsäge unterwegs zu sein, wir dagegen haben sogar auf eine Axt verzichtet. Für den Künzi reicht halt eine Handvoll aufgelesener Zweige, und meistens finden sich auch noch genügend große tote Äste für ein Lagerfeuer in der Nähe der Rastplätze.
Am zweiten Abend treffen wir auf eine Gruppe von fünf Wissenschaftlern von der Universität Woronesch, welche im gemeinsamen Urlaub mit 2 aufblasbaren Katamaranen den Schtschugor hinabfahren. Wir werden herzlich in ihre Runde eingeladen, genießen frisch geräucherten und noch warmen Fisch (Хариус/Äsche) und bleiben zum Übernachten. Am nächsten Tag treffen wir noch auf einen Einzelreisenden in einem Luftboot, und später, an der „Большой Порог“ /der „Großen Stromschnelle“, sehen wir gerade noch jemanden in der Ferne vor uns verschwinden. Das war es aber auch schon mit Begegnungen im Nationalpark. Danach treffen wir niemanden mehr.
Am Abend des 3. Tages gelangen wir an die Большой Порог, die einzige große Stromschnelle des Schtschugor, 3 km lang. Dieser Abschnitt ist ziemlich verblockt. Im Gegensatz zum Lainio, zum Torne, zur Ardèche und zur Tara haben wir diesmal keinen erhöhten Durchfluss, der dann zwar wuchtige Wellen verursacht, aber die Steine weitgehend verschwinden lässt. Hier in der Большой Порог ist die Gefahr, frontal gegen Steine zu brettern, aufzusitzen oder gar quer davor getrieben zu werden und das Boot zu knicken, recht groß. Der Kahn ist fast eine ¼ Tonne schwer und sehr träge, also in so einem flott strömenden Steingarten wirklich schwer zu steuern. Wir schauen uns den ersten Teil an und entscheiden, auf der gegenüberliegenden Seite noch ein Stück runter zu fahren und dann die erste Stufe der großen Stromschnelle 240 m zu umtragen. Das Boot wird dann ohne Gepäck getreidelt, muss aber auch ein kurzes Stück getragen werden. In dieser Wildnis gibt es am Ufer natürlich keinerlei Weg und so ist das Tragen über die großen, nassen Blöcke ziemlich schwierig. Das Wetter ist kalt und grau, es nieselt aus tiefhängenden Wolken, der Wind weht scharf aus Norden. Ungemütlich. Das Schleppen lässt uns warm werden. Für diese ersten 240 Meter benötigen wir insgesamt 2¾h. Naja, ich hatte noch in Erinnerung irgendwo gelesen zu haben, dass manche Leute 3 Tage für die Passage der Großen Stromschnelle benötigt haben.
Nun paddeln wir knapp 900 m vor, bis wir an die 2. Stufe der Großen Schnelle gelangen. Diese wird auf 500 m besichtigt. Heute schaffen wir diese nicht mehr umzutragen. Wir schleppen das Gepäck in mehreren Läufen bis unterhalb der Schnelle, lassen das Boot oberhalb liegen und zelten unten. Mir graut vor der Vorstellung, das Boot diese ganze Strecke zu schleppen. Treideln scheint hier auch nicht möglich. Aber das leere Boot einfach die Stromschnelle runterzufahren, der Gedanke gefällt mir. Andrea wird langsam mit meiner Idee vertraut gemacht. Natürlich müssen wir hier in der menschenleeren Wildnis besonders vorsichtig sein. Ein Verlust des Bootes wäre schon eine kleine Katastrophe, würde zumindest in einer richtig teuren Rettungsaktion enden. Immerhin hat sich Andrea ein Iridium-Satphone ausgeliehen, eine Versicherung für so einen Notfall.
Am nächsten Morgen schnalle ich mir die GoPro auf den Kopf und paddle das Boot durch die zweite, die schwierigste Stufe der Großen Schnelle. Leer lässt sich der Kahn wirklich sehr leicht steuern. Alles geht gut. Wir verladen das Gepäck und fahren 250 m weiter bis zur dritten, der letzten Stufe der Большой Порог. Hier versuchen wir erst, uns nah dem rechten Ufer durchzumogeln, aber das klappt nicht besonders. Andrea steigt aus, läuft am Ufer weiter, entdeckt eine frische Bärenspur. Ich zerre den Kahn weiter durch die Steine, bis ich wieder Fahrwasser erreiche und zum nächsten Rastplatz vorpaddele. Dieser liegt hoch auf einem Steilufer mit schöner Aussicht auf den Fluss und die gegenüberliegenden Berge.
Heute endet der Paddeltag an der 1994 aufgegebenen Meteorologischen Station "Oberer Schtschugor". Die Gebäude sind alle nicht mehr existent. Die Banja (Sauna) wurde erst kürzlich niedergebrannt. Wir zelten am Ufer, hier mal ohne offiziellen Rastplatz.
Am nächsten Tag erreichen wir den Polarural. Der Schtschugor wendet sich hier nach Westen. Rechterhand liegen die Berge des Polarural, linkerhand die des Nordural mit seinem höchsten Berg, dem Telpos (1617 m). Das Wetter ist wieder kalt (knapp über 0°C), feucht, windig, die Wolken hängen tief und verbergen die Berge. Düster und grau versperrt uns „Voipel“, der Gott des Windes bei den Komi, jede schöne Aussicht. Die Leiterin des Nationalparkes meinte, der Telpos sei 90% aller Tage in Wolken verhüllt. Sie selber hätte seine Spitze noch nie zu Gesicht bekommen. Ural eben, so wie ich ihn mir vorstelle.
Am nächsten Tag wird die Sicht auf die Berge schon besser, nur noch die Gipfelbereiche der Berge stecken in den Wolken. In der Ferne sind bereits die Vorgebirge des Urals zu sehen, die Parma ridges. Der Fluss fließt jetzt nicht mehr im Gebirge, hat aber dennoch häufig hohe Ufer, zT Felsenufer. Highlights sind der Ovin-dy, ein einzelner großer Stein im Fluss, sowie drei großartige Felsentore, das Obere, das Mittlere und das Untere Tor. Beim Blick zurück erhaschen wir nun doch noch mehrfach eine Aussicht auf den Telpos, zum Schluss ganz ohne Wolken. Auch die hohen Berge des Polarurals sind an einigen Stellen in der Ferne erkennbar.
Das Gefälle scheint im gesamten Mittel- und Unterlauf kaum abzunehmen, der Fluss bleibt flach, der Grund grobsteinig und die Strömung flott. Obwohl 150 - 250 m breit, muss man immer wieder aufpassen, nicht in zu flache Bereiche zu treiben. Das Wasser bleibt auch im Unterlauf kristallklar.
Am 2. August, nach 12 Tagen in der Wildnis, erreichen wir schließlich die Mündung des Flusses in die Petschora. Hier liegt am linken Ufer eine Station des Nationalparks, bei der wir uns melden und registriert werden. Die beiden Angestellten, Vater und Sohn, laden uns zu selbstgemachter Hühnersuppe ein. Wir verbringen den Sonntag noch auf der Station und paddeln Montag rüber zum 2 km entfernten Dorf Ust-Schtschugor, von wo uns ein Schnellboot im Linienverkehr auf der Petschora zurück bringt nach Vuktyl.
Die nächsten Tage verbringen wir wieder überwiegend auf der Landstraße. Diesmal versuchen wir, auf großen Hauptstraßen zu bleiben, die dann auch tatsächlich durchweg gut zu befahren sind. Natürlich muss man auch hier jederzeit auf ein tiefes Schlagloch oder einen fehlenden Gullideckel gefasst sein, aber idR kann man ganz gut fahren.
Im Gegensatz zu Skandinavien und Mitteleuropa herrscht hier im August 2014 perfektes Sommerwetter mit täglich über 30°C und viel Sonne. So ist das tägliche Bad in immer neuen Flüssen und Seen ein obligatorischer Tagesordnungspunkt.
Wir besuchen Yaroslavl, die Hauptstadt des „Goldenen Ringes“, Moskau (Arbat, Roter Platz, ВДНХ), Kaluga, Tula, Yasnaya Polyana (Lew Tolstoi) und Kiew (Maidan). Ab Yaroslavl ändert sich der Charakter des Landes. Während der Norden von zerfallenden Resten der Sowjetunion und Bevölkerungsschwund geprägt ist, sieht man im russischen Kernland auch Aufbau, neue Häuser und Industrien. Auffällig ist das vor allem um die Städte Kaluga und Tula.
Die Grenze zur Ukraine steht im Zeichen des Krieges. Auf der Verkehrsflussübersicht auf Yandex.ru fällt mir auf, dass die direkte Transitstraße zwischen Moskau und Kiew kaum befahren wird. Meine Befürchtung ist, dass es sich hier wieder um eine der katastrophal schlechten Straßen handelt. An einer Tankstelle fragen wir zwei Ukrainer unabhängig voneinander, ob der Weg befahrbar wäre und wie es mit Warteschlangen an der Grenze aussieht. Beide empfehlen, einen über 300 km langen Umweg über Charkow zu fahren. Ich glaubte immer noch an eine total marode Straße, wage dennoch den kurzen Weg. Am Ende stellt sich aber heraus, dass an unserem Grenzübergang nur die Abfertigung runtergefahren wurde. 12 Autos stehen vor uns in der Schlange, und damit dauert die gesamte Grenzpassage 3 Stunden. Auf der gegenüberliegenden Seite (Einreise nach Russland) ist dagegen 1.3 km Vollstau. Wahrscheinlich benötigen sie hier 3 Tage für die Passage der Grenze. Die ukrainische Seite hat den Grenzübergang mit zusätzlichen Betonbarrieren und Sandsäcken auf eine Spur verengt. Weit hinter der Grenze passieren wir noch zwei irreguläre Checkpoints, an denen wir stoppen müssen und einmal kurz das Gepäck kontrolliert wird. Ganz sicher bin ich mir nicht, ob es sich bei den Bewaffneten um Armee oder irgendwelche Freischärler handelt. Sie wollen cool aussehen. Wenn man aus Russland kommt, ist man jedenfalls schon mal verdächtig.
Die Ukraine ist dann auf guter Landstraße rasch durchquert. Wir übernachten an der Desna, besichtigen Kiew mit Maidan und „Goldenem Tor“ und baden kurz im Stochid. Nach der Fahrt durch Polen sind wir am 16. August wieder daheim.
63 Bilder hänge ich hier an. Denkt an die Funktion "Als Diashow anzeigen"! Meine Bilder sind für die meisten Bildschirme nicht zu groß, so dass man sich die Bilder alle sehr bequem anschauen kann. Einen ausführlichen Bildbericht mit fast 1000 Bildern finden speziell Interessierte zusätzlich hier: Bildbericht, und neu einen Film 47 min. Der Film konnte 2 Jahre frei gesehen werden, seit März 2016 ist er in Deutschland wegen GEMA gesperrt. Umgehen kann man diese länderspezifische Sperre mit Proxies, welche Youtube ein anderes Land vormachen, zB https://www.proxysite.com/de/youtube/ . Dort die Adresse https://youtu.be/EmlUR0Vctk0 eingeben. Vielleicht funktioniert auch dieser Direktlink. Einen ausführlichen Text-Bericht gibt es hier (PDF, 135 Seiten + Anhang).
Zitat von AxeI im Beitrag #6... aber was für eine wahnsinnig lange Anfahrt... wenn das nur besser erreichbar wäre)!
Tja, Europa ist groß Man muss die Anreise natürlich selbst als "Reise" wahrnehmen. Wohnmobilisten machen ja auch nichts anderes, als den ganzen Urlaub durch die Weltgeschichte zu juckeln. Auf jeden Fall kostete es insgesamt mit eigenem Auto und durch das Wildcampen extrem wenig (ca. 600€/pP/5Wochen). Vergleiche das mal mit einer Kanada-Reise.
Ich wollte ursprünglich diesen Nachmittag zwei Stunden paddeln gehen, ich habe mir lieber euren wunderschönen Bericht angetan. Hat nur etwas länger gedauert.
Eine Tour mit Expeditionscharakter. Vielen Dank für den Bericht und für die Mühe der sorgfältigen Bild und Textberichterstattung mit den knapp 1000 Bildern. Von Moskau und Kiew mal abgesehen, das uralte Holzhaus in Kaluga, habe ich sofort wiedererkannt, ist kein Witz.
Zitat von docook im Beitrag #9Insiderfrage:...und Brot gebacken nach docook Rezept?
Entschuldigung, nein, das Brot ist einfach noch aus einem russischen Laden Später haben wir auch keins gebacken, wir hatten genug anderes zu essen da (genauer: viel zu viel ).
Der Fisch auf dem Brot war vor Ort gegart worden, ich glaube gedünstet, von den Russen, die wir Tags zuvor getroffen hatten.
Zitat von Donaumike im Beitrag #10... das uralte Holzhaus in Kaluga, habe ich sofort wiedererkannt, ist kein Witz.
Oh man, das hätte ich nie gedacht, dass sich jemand so weit vorarbeitet bei der Masse an Bildern. Was hat dich nach Kaluga geführt, noch dazu in diese etwas abseitige Seitenstraße?
Klasse Bericht, der Fernweh aufkommen läßt, obwohl wir auch erst wieder seit 2 Wochen zu Hause sind. Mit dem Finger auf der Landkarte und dem Gedanken "... man müßte mal ..." war ich auch schon auf der Petschora und Nebenflüssen unterwegs.
Wie lief das in Russland mit den "Verkehrskontrollen" und den "Strafzahlungen"?
Moin Michael, zu spät aber ich werde gut ein schlafen weil ich mich auf morgen freue um deinen Bericht ausgeschlafen zu lesen. Irgendwo hat sich unsere Fährte da schon gekreuzt und absehbar wird sie das wieder tun. LG Jürgen
Moin Michael, Danke für den Bericht und die spannenden Bilder. Das mit dem Gullideckel erinnert mich an die eigenen Russlandreisen, da kam es auch öfter vor, es steckte aber regelmäßig ein abgesägter Baum oder Busch im Loch. LG Jürgen
Zitat von Frank_Moerke im Beitrag #12Wie lief das in Russland mit den "Verkehrskontrollen" und den "Strafzahlungen"?
Verkehrskontrollen sind häufig. Wir fuhren langsam oder hatten Glück, alle Milizionäre waren gerade mit anderen Deliquenten beschäftigt, so dass wir von Verkehrspolizei niemals angehalten wurden und so auch nichts bezahlt haben. Allerdings gibt es auch viele stationäre Blitzer (dort meist Videokameramessstellen), und da weiß ich nicht, ob und ggf. wann man da belangt wird (zB bei späterer Wiedereinreise).
„Oh man, das hätte ich nie gedacht, dass sich jemand so weit vorarbeitet bei der Masse an Bildern. Was hat dich nach Kaluga geführt, noch dazu in diese etwas abseitige Seitenstraße?“
Ich versuche es zu rekonstruieren..
Es ereignete sich vor etwas mehr als dreißig Jahren. Wir stiegen in eine TU-134 der Aeroflott in Berlin Schönefeld ein. Zuvor auf einer Rolltreppe sah ich einen greisen Mann mit zwei Krücken in Begleitung von zwei attraktiven Stewardessen. An seiner Pilotenuniform funkelten eine Reihe Orden vom Großen Vaterländischen Kriege, ich bin mir bis heute noch sicher, dass dies der Pilot unserer Maschine war, die er sicher auf dem Flughafen Scheremetjewo gelandet hatte.
An den nächsten Tagen erkundeten wir Moskau, Lenin wurde auch nicht vergessen. An einem frühen Morgen im Hotel, nach dem Genuss von sehr chlorhaltigen Wasser nach dem Zähneputzen, traf ich in einer Bar, während der Suche nach etwas trinkbaren, erstmalig auf dem Klassenfeind. Ein Amerikanischer, Französischer und ein Westdeutscher Staatsbürger saßen an einen Tisch, ich setzte mich dazu und wir redeten über Politik, Gott und die Welt. Der Amerikaner und der Franzose sprachen verständliches Deutsch. Der Rest der Klasse und Lehrer waren noch auf ihren Hotelzimmern und warteten auf das „los zum Frühstück“!
Nach wenigen Tagen fuhren wir mit der Eisenbahn in der dritten Klasse auf Holzbänken stundenlang nach Kaluga. Für uns eine ewige Weltreise, für die einheimischen ein Katzensprung. Die Eisenbahnwagen kamen oft in extreme Schwingungen; hoch, runter, viel höher und wieder runter, bis dato war mir nur ein rucken nach rechts und links auf unseren Schienennetz der Deutschen Reichsbahn bekannt.
In Kaluga angekommen, fuhren wir mit einem Reisebus in Begleitung der Polizei mit Blaulicht zum Hotel. Dort steckte ich erstmalig in einen Hotelfahrstuhl fest, dort konnte ich erstmalig mich an meinem Schulrussisch intensiver versuchen, nachdem ich ausversehen ein falsches Hotelzimmer betrat, was von einer gut anzusehenden Russin belegt war. Wir erkundeten die Stadt als Schulklasse, in kleinen Grüppchen oder Trupps, zu Fuß und mit sämtlichen Verkehrsmitteln. Während einer Busfahrt in einem überfüllten Bus verdrehte meine Lehrerin die Augen, weil der Busfahrer bei Eisglätte bei flotter Fahrt einen Spurwechsel auf eine Anhöhe einer anderen Straße einleitete. Der Bus war nur einen kurzen Augenblick außer Kontrolle, nein in Griff des Busfahrers. In Kaluga besuchten wir auch das hoch interessante Ziolkowski Raumfahrtmuseum, in seiner Art das größte….
An dem besagten Holzhaus, blieben wir stehen, die Reiseleiterin berichtete über dieses klassische Holzhaus, es sei in einer modernen Stadt wie Kaluga einmalig und selten. Ich selber hatte zwar an anderen Orten später ähnliche Häuser gesehen, aber der Kontrast zur moderneren Architektur, prägte sich dort in Kaluga bei mir fest ein. Es war auch mein erstes russisches Holzhaus, was ich von der Nähe aus betrachtete und einen kurzen Blick durch das Fenster riskierte.
Wir fuhren mit der Eisenbahn auch über den Fluss Oka,sie ist der rechte Nebenfluss der Wolga, ihre Länge beträgt 1480 Kilometer. Es wurde uns berichtet, dass dort Wölfe und Bären gesichtet wurden, dabei kam bei mir ein Gefühl von fernöstlicher Wildnis auf.
1987 besuchte ich letztmalig die UDSSR, die Stadt Wolgograd (Stalingrad) und Kiew.Tschernobyl, wo sich 1986 die Reaktorkatastrophe ereignet hatte, liegt nur 120 km von Kiew entfernt. Lobenswert war immer ihre Gastfreundschaft.Bei den zwei Reisen kam ich auf den Geschmack, mich bei zweistelligen Minusgraden an einem Eisverkaufstand auf der Straße an eine größere Schlange ´´mit´´ anzustellen.
До свидания!
Edit: Text hat einige Ergänzungen bekommen, die Erinnerungen werden etwas wacher!
Moin Mike, das ist irgendwie witzig, Die von dir genannte Brücke über die Oka war hier im Forum 2009 schon mal Titelbild über einem Bericht über Lej`s und meine Okapaddeltour auf der Journalseite. Ich versuche das Bild zu finden. Heute ist die Trasse Top und die Schlafwagen sind für mich Luxus. Das ist die Brücke: