Bei vielen Selbstbau-Projekten sehe ich, dass GFK benutzt wird. Wäre Aramid- oder Karbonfaser nicht besser? Oder sind diese Materialien schwerer zu verarbeiten? Oder sind es die Kosten? Kennt sich jemand damit aus?
Da ich mich selber gerade mit der aufgeworfenen Frage beschäftige, werde ich versuchen meine Gedanken dazu festzuhalten.
Zumindest mit der Verarbeitung von Glasgewebe habe ich bereits einiges an Erfahrung gesammelt.
Ich nehme an, wir gehen beim Selbstbau zunächst einmal davon aus, dass es sich um ein Kanu mit einem Rumpf aus Holz handelt, der entweder in Leistenbauweise oder in Stitch-and-glue Technik aus Sperrholz hergestellt wurde. (Es gibt auch noch andere Bauweisen und Materialien, die im Selbstbau in Frage kommen, auf die ich aber hier nicht eingehen möchte.)
Da der so gebaute Rumpf für sich genommen kaum belastbar wäre und auch nicht dauerhaft wasserdicht ist, ist es notwendig am besten sowohl die Außenseite, als auch die Innenseite des Rumpfes vollflächig mit Fasergewebe, das nach einer bestimmten Vorgehensweise mit Epoxy getränkt wird, zu beschichten. Gemeinsam mit zusätzlichen Bauteilen, wie Leisten zur Verstärkung des Süllrandes (Innen- und Außenweger), je nach Größe des Kanus ein, zwei oder drei Duchten und den Decks an den Enden des Kanus entsteht so ein ästhetisch ansprechendes und durchaus belastbares Wasserfahrzeug. Was nicht unerwähnt bleiben soll, ist dass Epoxy nicht UV-beständig ist und es deshalb notwendig ist, nach entsprechender Vorbereitung den Rumpf innen sowie außen mit mehreren Schichten Bootslack zu überziehen.
Nun komme ich zum eigentlichen Thema. Welches Material soll für die Faserverstärkung zum Einsatz kommen und was ist der Grund dafür genau dieses Material zu wählen.
Generell lässt sich sagen, dass Glasgewebe am häufigsten verwendet wird und das sicher zu Recht. Wenn man die Summe der relevanten Eigenschaften betrachtet (Preis, Gewicht, Festigkeit und Verarbeitungseigenschaften) und zueinander in Relation setzt, schneidet Glasgewebe für die meisten Anwendungen wohl am besten ab, vor allem in Hinblick auf die Kosten.
Grundsätzlich gilt für jedes Kanu, dass es sinnvoll ist, beim Paddeln Bodenkontakt tunlichst zu vermeiden. Wenn das möglich ist, weil man ohnehin nur vor hat auf stehenden Gewässern unterwegs zu sein, dann glaube ich, dass man mit Glas am besten dran ist.
Möchte man aber auch Fließgewässern und das auch bei niedrigem Wasserstand befahren, wo ganz andere Kräfte ins Spiel kommen, werden die zu erwartenden Belastungen für das Boot deutlich größer, da sich "Feindberührungen" mit versteckten Felsen oder dem Untergrund bei Flachwasserstellen kaum vermeiden lassen. Damit das Kanu diese zwar unerwünschten aber weitestgehend auch unausweichlichen Vorfälle halbwegs unbeschadet überstehen kann, muss der Rumpf entsprechen verstärkt werden. Es ist bestimmt möglich dies mit zusätzlichen Schichten an Glasgewebe (sowohl innen als auch außen) zu bewerkstelligen. Da Glas aber bei dem Vergleich von Gewicht und Widerstandsfähigkeit von den zur Auswahl stehenden Materialien am schlechtesten abschneidet, kann das Gesamtgewicht des Kanus schnell ein erträgliches Ausmaß überschreiten. Um dies zu vermeiden, kommen nun, falls man gewillt ist tiefer in die Tasche zu greifen, auch Kohle- und Aramidgewebe in Frage.
An diesem Punkt der Überlegungen angelangt, fällt es mir schwer zuverlässige Aussagen zu treffen. Einerseits fehlt mir die Erfahrung betreffend der Verarbeitung dieser beiden Materialien, andererseits kann ich auf Grund meines Wissenstands nur bedingt Aussagen zu deren Eigenschaften machen.
Kohlefaser sollte bei relativ geringem Gewicht einen ausgesprochen steifen aber wohl auch spröden Rumpf ergeben.
Aramid führt zu geringerer Formstabilität aber größerer Elastizität und könnte möglicherweise genau deshalb besser mit punktuellen Belastungen zurechtkommen. Schlagfestigkeit und Abriebverhalten dürften auch besser sein als bei Kohlegewebe, allerdings auch verbunden mit höherem Gewicht. Für das Zuschneiden benötigt man eine Spezialschere.
Das Hybridmaterial aus Kohle und Aramid ist am teuersten, bietet vielleicht aber das beste aus beiden Welten.
Bei den Kosten für ein bestimmtes Laminat genügt es nicht nur den Preis für das entsprechende Gewebe zu berücksichtigen. Man muss auch den Verbrauch an Epoxy, der sich bei den verschiedenen Gewebematerialien deutlich unterscheidet, einkalkulieren.
Hier eine Auswahl an Gewebearten mit einer Gegenüberstellung von ein paar Kennwerten (Glasgewebe 160 g/m² ist in vielen Fällen ausreichend, relativ einfach in der Verarbeitung und wird daher gerne verwendet. Gegebenenfalls empfiehlt es sich, stark belastete Bereiche mit einer zweiten Lage zu verstärken). Alle Angaben sind nur als Richtwerte zu verstehen und stammen von dieser Seite: https://www.r-g.de/list/Faserverstaerkungen
Glasgewebe 160 g/m² (Köper) 100 cm, Rolle/ 20 m 95,43 €, 4,77 €/m² Laminatgewicht: 285 g/m² Harzverbrauch: 125 g/m²
Glasgewebe 200 g/m² Aero (Köper) 100 cm, Rolle/ 20 m 171,81 €, 8,95 €/m² Laminatgewicht: 364 g/m² Harzverbrauch: 164 g/m²
Glasgewebe 280 g/m² Aero (Köper) 100 cm, Rolle/ 20 m 177,24 €, 8,86 €/m² Laminatgewicht: 510 g/m² Harzverbrauch: 230 g/m²
Kohlegewebe 160 g/m² (Köper) 100 cm, Rolle/ 20 m 456,07 €, 22,80 €/m² Laminatgewicht: 353 g/m² Harzverbrauch: 193 g/m²
Aramidgewebe 170 g/m² (Köper) 100 cm, Rolle/ 20 m 364,77 €, 18,24 €/m² Laminatgewicht: 410 g/m² Harzverbrauch: 240 g/m²
Kohle-/Aramidgewebe 190 g/m² (Köper) 100 cm, Rolle/ 20 m 578,02 €, 28,90 €/m² Laminatgewicht: 424 g/m² Harzverbrauch: 234 g/m²
@Frost : Kenne mich bei Weitem nicht so gut aus wie Stefan, habe auch nur ein Canoe gebaut. Dieses nach Vorgabe mit Glasgewebe, Harz, Härter und Lack behandelt. 22 Kilo wiegt unser 16 Fuß langes Tandem - recht wenig im Vergleich zur "Werksangabe" im Bauplan. Lediglich gut die Hälfte davon ist der Holzanteil. Was ich damit sagen will: Ein nicht unwesentlicher Faktor ist das Gesamtgewicht der Beschichtung, das solltest Du in Deine Überlegungen mit einbeziehen.
@StefanO@gleiter vielen Dank für die super Antworten. Da habt ihr mir wirklich sehr mit geholfen. Danke!
Ich habe das Thema heute auch mit einem Bekannten besprochen. Er gab noch einen guten Grund für Glas. Man sieht das Holz, was ja bei den anderen Materialien verdeckt wird
Es würde mich ja schon sehr reizen, selbst mal ein Boot zu bauen. Da müsste ich nur noch mit meinem Vermieter wegen dem Durchbruch im Keller reden. :)
Zu meiner Frage: Ich hatte mich das gefragt, warum noch so viele Leute GFK benutzten, wo doch alle Hersteller von Carbon und Aramid reden. Ich schätze Mal, dass der Kostenfaktor da definitiv mitentscheiden ist. Noch Mal vielen Dank für die Antworten.
denke die Quadratmeterpreise kann man - gemessen an den Gesamtkosten relativ getrost vernachlässigen. Das schöne am Glasfasergewebe ist, dass es sich relativ leicht mit Epoxydharz auffüllen lässt und dabei transparent wird. Man stabilisiert und konserviert damit sein Boot. Der Verbund aus Glasfaser, Holz und Harz wird sehr stabil, elastisch, „warm“ und vergleichsweise leise (absorbiert Schall besser wenn es mal im Boot poltert…). Nimmt man 3-4mm starkes Sperrholz als Basis kann man damit sogar sehr leichte Boote bauen. Bei Aramid, Kevlar & Co sehe ich eher die Vorteile wenn man es darauf anlegt eine vorhandene Form damit auszukleiden und diese später wieder von einander zu trennen. Hier kann man durchaus mehr Stabilität/Steifheit bei geringerem Gewicht produzieren im Vergleich zu einem Laminat aus Glasgewebe. Will man grössere Stückzahlen produzieren ist das hiermit auch noch deutlich einfacher als einen Holzkanu zu bauen um es anschließend einzukleiden. Habe selber noch kein Kevlar oder Aramid bei Booten verarbeitet meine aber gehört/in Videos gesehen zu haben dass sich diese Materialien schlechter mit Epoxy verbinden/diese aufnehmen und deshalb mit Vakuumtechnik (um Lufteinschlüsse zu verhindern) verarbeitet werden (Vorsicht gefährliches Halbwissen :-D ). Denke alles hat seine Vor- und Nachteile. Bei der Selbstbauerfraktion ist GFK vermutlich stärker vertreten weil man schöne, individuelle Holzpötte bauen kann (nicht sowas was aussieht wie ne Tupperschüssel von der Stange) und das ohne viel Spezialwerkzeug oder aufwändige Techniken…
denke die Quadratmeterpreise kann man - gemessen an den Gesamtkosten relativ getrost vernachlässigen. Das schöne am Glasfasergewebe ist, dass es sich relativ leicht mit Epoxydharz auffüllen lässt und dabei transparent wird. Man stabilisiert und konserviert damit sein Boot. Der Verbund aus Glasfaser, Holz und Harz wird sehr stabil, elastisch, „warm“ und vergleichsweise leise (absorbiert Schall besser wenn es mal im Boot poltert…). Nimmt man 3-4mm starkes Sperrholz als Basis kann man damit sogar sehr leichte Boote bauen.
Na ja. Bei Gesamtkosten Material von EUR 1.000,- waren die EUR 370,- für Gewebe, Harz und Lack ein doch recht signifkanter Posten.
Was das Verarbeiten betrifft - korrekt, wenn mensch sich an die Vorgaben hält.
Als absoluter Schleif-Freak habe ich das Ausgangsmaterial - Leistenstärke 6 mm - durchaus auch auf 2 bis 3 mm runter geschliffen, an einer Stelle mußte ich sogar noch mal aufdoppeln weil bei nur noch ca. einem mm Wandstärke das Werkstattlicht schon sehr deutlich DURCH die Beplankung zu sehen war...
... Gewebe, Harz, Härter haben das Ganze dennoch ordentlich stabil gemacht.
... weil man schöne, individuelle Holzpötte bauen kann (nicht sowas was aussieht wie ne Tupperschüssel von der Stange) und das ohne viel Spezialwerkzeug oder aufwändige Techniken…