bevor wir in ein Forum für digitale Fotografie abwandern müssen, möchte ich dir bezüglich deines Einwandes zum RAW-Format durchaus Recht geben: Der Sensor selbst zeichnet "nur" analoge, nämlich elektrische Signale auf. Im drauf folgenden Prozess der Digitalisierung dieser Signale geschehen bereits einige sehr komplexe Operationen (von der Interpretation des Bayer-Musters bis hin zum Anti-Aliasing). So gesehen ist natürlich RAW auch schon verrechnet, weil ja von einem analogen Signal in eine digitale Information umgewandelt wird. Allerdings haben wir auf diesen Prozess überhaupt keinen Einfluss (außer wir kaufen einfach eine andere Kamera). Deshalb beginne ich erst vom RAW aus zu denken, also ab dem Punkt, ab dem ich Einfluss nehmen kann.
Zitat Für das Gross der Kameras und User ist Raw der "Overkill", aber durchaus ein Weg, wenn man bewusst Qualitätsgrenzen ausreizen will.
Da gebe ich dir nur zum Teil recht: Für die Personen, die mit den Bildern, wie sie als JPEG aus der Kamera kommen, zufrieden sind, ist weder RAW noch sonst etwas im Bereich Kamera-Technik und meist auch nichts aus dem Bereich Gestaltung ein Thema - und das ist auch o.k. so, insofern sie mit dem Ergebnis zufrieden sind.
Viele sind aber nicht zufrieden und beklagen, dass sie das, was sie eigentlich abbilden wollten so gar nicht auf das Foto bekommen haben. Ein Beispiel: ein schöner See mit einer dramatischen Wolkendecke eines heraufziehendes Gewitters, dazwischen kämpfen sich noch in einem schmalen Lichtstreifen die Sonnenstrahlen. Damit das Foto einigermassen die Stimmung wiedergibt, muss ich schon einiges aus dem Bereich Kameratechnik wissen, sonst bekomme ich vermutlich eine graue, unstrukturierte Wolkendecke, die letzten Sonnenstrahlen, die sich da durchkämpfen sind nur mehr ein weißer Streifen und das schöne Blau des Sees, welches im Kontrast zu den gelben Sonnenstrahlen stand, ist eine bläulich graue Suppe geworden.
Wenn ich die Belichtung nun vielleicht 1 Blende runter drehe, voll abblende, damit ich die Sonnenstrahlen noch als Strahlen bekomme, den Weißabgleich auf neutral oder etwas bläulich stelle (damit ich das Gelb der Sonnenstrahlen etwas verstärke), die Stättigung und die Schärfung, evnetuell noch den Kontrast in den Einstellungen noch etwas hochdrehe, dann werde ich wohl auch mit JPEG eine einigermaßen zufrieden stellende Stimmung am Foto erhalten.
Das sind aber eine ganze Menge Dinge, die ich da einstellen und an die ich da denken muss und diese Zusammenhänge und Einstellungen sind zum Teil schon recht komplex. Leichter tun sich die meisten im Endeffekt mit dem RAW-Format, dort ist in der Regel genügend Spielraum, damit ein auf durchschnittliches Grau belichtetes Foto noch aufgesteilt werden kann, den Weißabgleich drehe ich dann eben so, bis ich das gewünschte Feeling habe. Ich muss am Rechner dann halt mit den vier Reglern spielen, die ich jederzeit wieder verändert und mit einander kombinieren kann, bis ich die Stimmung am Foto so habe, wie ich es will. Will ich das auf ein JPEG bei der Aufnahme bringen, ist das mit dem nachträglichen Verändern immens schwer und nur in sehr engen Grenzen möglich. Da muss ich beim Abdrücken schon alles entsprechend der gewünschten Bildaussage eingestellt haben.
In meinen Fotokursen erlebe ich immer wieder wie komplex für viele das Thema Aufnahmetechnik ist und wie überfordert sie mit den Einstellungsmöglichkeiten der Kameras sind. Beim RAW-Format können diese (meist) nachträglich in aller Ruhe spielerisch und stressfrei ausprobiert werden. So lernt man recht schnell welche Einstellungen man braucht, um bestimmte Stimmungen auf das Foto zu bannen. Da genügen ein paar wenige Regler. Man muss da nicht gleich mit Gradationskurven und dreistufigen Schärfungsverfahren hochfahren.
Natürlich heißt das nicht, dass ich die Aufnahmetechnik komplett außer Acht lassen kann. Schließlich sollte ich schon wissen, welche Zeit ich eingestellt habe, damit das Foto nicht verwackelt wird oder das Wasser zu einem nebeligen Teppich wird oder wie eingefroren die einzelnen Luftbläschen und kleinen Wellen zu sehen sind, ob ich einen unscharfen Hintergrund haben will oder von vorne bis hinten alles scharf. Aber ein großer Teil der Einstellungen kann ich im RAW durchaus vergessen, das reduziert die Komplexität beim Fotografieren schon mal gewaltig um einige Faktoren.
Ich denke, es wird nicht lange dauern, bis der Einwand jetzt kommt, dass es ja wichtiger ist, was am Foto ist, als das wie. Stimmt natürlich insofern als ein technisches perfektes Foto, welches keine Aussage hat, ein schlechtes ist und auch eines bleiben wird, wenn ich in Photoshop was weiß ich daraus mache. Aber: wenn ich die Technik nicht beherrsche (entweder die Aufnahmetechnik oder die Entwicklungs- und Bearbeitungstechnik - am besten beides) werde ich die Bildaussage nicht rübergekommen - oder nur dann, wenn die Automatik zufällig mal so gearbeitet hat, dass es in dieser Situation gerade gepasst hat. Ein Kunstmaler oder eine Kunstmalerin wissen auch genau, welche Leinwand sie verwenden, womit grundiert wird, bei welcher Temperatur die Farbe aufgetragen wird, damit bestimmte Effekte erzielt werden können. Ich kann mich noch so sehr auf die Gestaltung konzentrieren, damit ich den Horizont und den Eintritt der Sonnenstrahlen im goldenen Schnitt erhalte, aber wenn die Kamera nur ein fades Foto grau-in-grau liefert, habe ich davon nichts und die ursprüngliche Bildaussage, die Dramatik des näher kommenden Gewitters im Kampf mit den letzten Sonnenstrahlen werde ich so nicht aufs Foto bekommen.
Wolfgangs Fotos sind ein schönes Beispiel dafür. Schließlich beherrscht er wie wohl wie kaum ein anderer die Aufnahmetechnik. Aus langjähriger Erfahrung mit der Königsklasse der analogen Fotografie (sinar p mit 18x24cm Dias) weiß er genau, dass er die Kamera beim Belichtungsmessen ein paar Grad nach unten oder oben neigen muss, um die für seine Bildaussage nötige Belichtung zu erhalten. So was läuft zum großen Teil unbewusst ab und lässt ihm den Kopf frei für die Gestaltung.
Doch eins scheint für mich klar und außer Streit: ausdrucksreiche Fotos erhält man nur, indem man eine klare, gestalterische Bildidee hat, die man mit technischem Know-how und Erfahrung auf das Foto bannt. Je besser Gestaltung und Technik beherrscht werden, desto besser das Foto. Klar ist leider auch, dass das eine ganze Menge an Arbeit und Experimentieren bedeutet, ganz gleich, ob mit den Kameraeinstellungen gespielt wird oder mit den Entwicklungsmöglichkeiten des RAW.
Liebe Grüße Albert, der jetzt mal fotografieren geht :-)
Zitat OT: Hi Freunde, wollt Ihr nicht einen neuen Treat aufmachen? Ich frage mich, was die letzten 6 Antworten mit "Paddeln im Nebel" oder mit Tourenberichten zu tun haben. Danke. Ausserdem ist es sicherlich leichter für die Photographiergeneigten, nicht alle Treats nach Info's über RAW,JPG, Weißabgleich etc abzusuchen müssen.
Herzliche Grüße Günter OT Ende
Richtige Fanatiker sind wohl öfters taub und blind!
Schöne Bilder! Es ist faszinierend wie nicht nur das Sichtfeld, sondern auch der Hörbereich durch Nebel reduziert wird. Hier am Mittelrhein schälen sich dann urplötzlich und lautlos große Frachter aus der weißen Wand... Gespenstisch!
Hätte ich genau anders herum empfunden. Hier heißt es Nebel "trägt". Man weiß zwar nicht von wo, aber meint die Bahn in 8km Entfernung fährt einem gleich durchs Boot.
Und damit ich nicht zu Raw-Hackfleisch gemacht werde noch ein JPEG-Bild für die Off-Topic-Hasser.
Gruß Andreas
Und Achtung Off-Topic, wer den Paddler nicht sieht, hat das Bild nicht auf gemacht oder den Gammawert vom Monitor nicht richtig eingestellt.
Hallo Wolfgang, danke für deine Inspiration, immer wieder sehr sehenswert !! Hier meine Interpretation, noch nicht so kalt und nebelig, aber vielleicht ein Lichtblick für den Winter. Liebe Grüße aus München Wolfgang
gratuliere Allen zu den grandiosen Aufnahmen. Die Stimmungen im Nebel sind einfach einzigartig, sei es die Ruhe im Morgennebel wenn die ersten Sonnenstrahlen versuchen sich durchzukäpfen, der dicke Nebel wo die Bäume nur schemenhaft wie Geister an einem vorbeigleiten oder das Gefühl der tiefhängenden Nebeldecke wo man glaubt direkt in den Himmel greifen zu können..... Habe daher auch in meinem Archiv gestöbert und ein paar Eindrücke rausgesucht. Pelly River - Yukon: Langbathsee - Oberösterreich: Ottensteiner Stausee - Niederösterreich: Drau - Kärnten: Traun - Oberösterreich:
Seit Wochen gab es nur Nebel. Ok, dann wieder einmal Paddeln im Nebel. Doch schon bei der Anfahrt war klar: es muß heute ganz ohne gehen und so war es dann ein: Paddeln nach dem Nebel.