Samstag Morgen 12.00 Uhr. Ich sitze in Aurith auf der Terrasse des letzten deutschen Lokals vor dem Fährübergang nach Polen. Ausnahmsweise bin ich erster und beschliesse sogleich, dass alle, die in Zukunft zu spät kommen, für die anderen das Frühstück bezahlen. Nicht ohne Hintergedanken ist Bo spontan begeistert von meiner Idee und übernimmt gönnerhaft die Rechnung für den Strammen Max und meinen Blaubeerpfannekuchen. Der Ort ist gut gewählt. Keine 20 Meter hinter dem Lokal laden wir das Gepäck in die Boote und stechen in die Oder. “Ein echter Trapper”, sinniert Bo, “geht nur einmal zurück!” Erst trüge er sein Boot, dann die Ausrüstung. Dies nehme ich mir zu Herzen und lasse den faltbaren Sessel im Wagen. Eine fatale Entscheidung wie sich später herausstellen wird.
Bei strahlendem Sonnenschein tuckern Nina, Bo und ich die Oder hinab. Sie fließt gemächlich in weiten Bögen dem Horizont entgegen. Hier und da ein paar Kühe, saftiges Gras und schwarze Dächer, die Gehöfte hinter den Auen vermuten lassen. Bald passieren wir polnische Mitfahrer in Einerkajaks, die sich zusammengebunden rückwärts den Fluss hinuntertreiben lassen. “Dschin dobre!” ruft die kleine Nina auf dem Lammfell im Bug des Prospektors. “Dschin dobre!” schallt es zurück. Man kennt sich.
Nach langer Reise und kurzer Pause an einem Sandstrand erreichen wir Słubice. Gleich hinter der Brücke gehen wir an Land. Ich soll Bier besorgen! Im kleinen Eckladen am Kreisel wähle ich zwei Dosen Heiniken und zwei halbe Liter polnisches Starkbier aus. Dies war die zweite fatale Entscheidung an diesem Tag.
Gleich hinter Frankfurt verbringen wir die Nacht an einem geheimen Ort auf polnischer Seite mit leicht ablandigem Wind (und daher ohne Mücken). Zuvor wird in aller Ausgiebigkeit das Ritual des Feuer machens zelebriert. Dafür steigt Bo sogar auf einen Baum, um ihn von seinen abgestorbenen Ästen zu befreien. Ich säge ein paar Stämme zurecht und Nina spielt mit brennenden Stöcken. Da Kinder nicht immer fachgerecht mit Feuer umgehen, sollte es an diesem Abend noch die eine oder andere Rüge geben. Bo legt dicke Steaks auf den Grill und lehnt sich auf seinem Campingstuhl gemütlich zurück. Ich kauere auf der wasserdichten Tonne, mache meine Bratlinge auf der Muurikka fertig und spüle sie gemeinsam mit dem Starkbier hinunter.
Am nächsten Tag besuchen unser Lager drei der zahlreichen Angler hier in der Gegend. Flussaufwärts gehend werfen sie ihre Routen aus. Nach dem Frühstück unternehmen wir einen Spaziergang zu den Fröschen, die ihr Leben laut quakend in den Tümpeln auf der Auenwiese verbringen. Wir entdecken, dass die Kühe und Bullen, wegen denen ich am Vorabend noch Bedenken anmeldete, einzeln an den Bäumen angekettet sind.
Der Rest der Geschichte ist schnell erzählt. Mit brummendem Schädel vom Starkbier des Vorabends, kämpfen wir mit heftigem Gegenwind. Noch auf dem Wasser greifen wir zum Telefon und bitten das Kanutaxi uns in zwei Stunden in Lebus aufzugabeln. Am Anglerheim angekommen ist noch genügend Zeit für ein kleines Mittagessen und das obligatorische Eis.