Mittags komme ich zum See, lege mein Kanu ins Wasser. Ich hole noch Kniematte, Schwimmweste, Paddel und Hut, und los geht’s. So schnell geht das? Ja natürlich, ich bin heute ja allein unterwegs. Keine lange Vorbereitung, keine Einführung, kein Schnupperpaddeln, kein Kurs, - niemand da! Nicht einmal Heinz hatte heute Lust auf eine Nachmittagsrunde. Verständlich, Nieselwetter im Hochnebel ist auch nicht gerade einladend. Ich fahre das Ufer entlang, vom Hang gegenüber hört man Kuhglocken durch den dichten Nebel. Vor mir fliegt eine Gebirgsstelze, immer einige dutzend Meter voraus, bis es Ihr zu dumm wird und sie mich, ganz nah am Ufer fliegend passiert. Die ersten Paddelschläge führen mich zum Zufluss. Wie Weinachtsdekoration hängen Schwimmer an den Büschen - an Angelschnüren, teilweise noch mit Haken unten dran. Irgendwann habe ich damit aufgehört, die Schwimmer aus den Stauden zu lösen und für die rechtmäßigen Besitzer ans Ufer zu legen. Zu oft habe ich mich über tote und halbtote Fische geärgert, seien es Weißfische als Köder, seien es Forellen, die verangelt wurden. Spätestens heuer im August, als sich ein zehnjähriges Mädchen direkt am Badestrand einen Haken eingetreten hat, hat meine positive Grundhaltung zur Fischerei sehr gelitten. Zwar war ich selbst jahrzehntelang Fischer, mit dem Anspruch waidgerecht zu Fischen. Was ich aber im Verlauf der Jahre als ganz normale Tierquälerei bei Verwendung von Lebendködern oder bei der „Aufbewahrung“ im Setznetz (die einer Folter mit langsamen Ersticken gleichkommt) gesehen habe, hat mir die Freude verdorben. Pamm, Pamm … Schüsse zerreißen die Stille, schrecken mich aus den Gedanken – es ist Jagdzeit. Mein Padelrhythmus ist jetzt schneller, ich spüre erstmals nach dem Sommer die kalte Luft an den Oberschenkeln, den Ohren, es ist frisch und feucht und ich liebe meinen Hut! Die Herbstfärbung der Laubbäume ist im fahlen Licht irgendwie reduziert, dennoch, besonders aus der Nähe gesehen einfach schön. Eine Gruppe Enten wechselt ans andere Ufer obwohl ich noch weit entfernt bin. Entweder es sind Reisende, die hier Halt machen und an ortsübliche Distanz nicht gewohnt sind, oder es sind gesundheitsbewusste Einheimische, die die Schüsse von vorhin zu deuten wissen. Inzwischen bin ich am Ende des Sees, beim zweiten Zufluss angekommen. Angekommen – im besten Sinn. Ich spiele das Ufer entlang, rutsche über die Sandbank, weiche einem alten Bekannten, dem fiesen Stein aus, der einst meinem Kanu einen langen Kratzer verpasst hat, stelle fest, dass die kleinen Brikenblätter immer so ins Wasser fallen, daß der Stiel, wie ein winziger Zeigefinger nach oben zeigt - und – ich habe Zeit. Zeit zum Beobachten eines Flußuferläufers, der erstaunlicherweise heute auf die übliche Fluchtdistanz völlig verzichtet. Durch den leicht reduzierten Wasserstand ist ein Uferstreifen frei geworden, der ihn mehr lockt, als ich ihn störe. Zeit habe ich auch, mich ein wenig vorauszufreuen, auf Ontario. Diesmal bin ich allein zum Testpaddeln bei Swift canoe und Pam Wedd will ich besuchen und Jack Hurley und bei Carrying Place schau ich auch rein. Hier um Muskoka sind einfach exzellente Wood and canvas - Kanubauer. Danach aber, will ich für einige Tage an den French River und den Pickerell, oder den Wolf River, oder ich fahre rauf nach Temagami. Eigentlich ist das Nebensache, denn ich erinnere mich an die letzten Reisen, und an das Gefühl, als ich erstmals am Magnetawan River stand: Angekommen! Jetzt geht es zurück, das andere Ufer entlang. Für drei Kormorane bin ich offensichtlich eine Barriere, sie brauchen einiges an Höhe, bevor sie meinen Luftraum passieren. Mein Lieblingsbaum, eine Wildkirsche, die im Frühjahr blüht dass man feiern möchte und später schwarze Früchte ins Kanu reicht, hat erst an den Astspitzen ein wenig rose` angelegt. „SK Sturm Graz“, und „Paddelteam - Die Hofers“ steht am Staudamm in großen Lettern. Auch Jakob und Andreas haben Ihr coming-out in großen Lettern am Beton verewigt. Die Liegeplätze beim Seewirt sind verwaist. Es wird wieder tropfig. Und noch dunkler. Feine Wasserschwaden ziehen über den See, der jetzt knapp über der Wasseroberfläche von einer feinen Dunstschicht verhüllt wird. Ich denke, es kommen nun wieder die Tage, wo kaum jemand anfragt, mit mir am Wasser unterwegs zu sein. Ab heute ist es anders, Hutwetter eben.
Packer Stausee 3. Oct. 2010
Ps Bild 4 ist ein Suchbild: Wo ist der Flussuferläufer?
Moin, eher Bild 3 in der Mitte. Für mich sind das mit die schönsten Tage, sehr leise und wenig Menschen auf dem Wasser. Gruß Jürgen Nachtrag: Bild 4 auch in der Mitte am Wasser.
Ja, der Herbst ist doch eine der schönsten Jahreszeiten für kleine und große Touren mit dem OC. Hat spass gemacht zu lesen und macht Lust auch mal wieder aufs Wasser zu gehen.
Der "Piepmatz" hat sich gut getarnt, besonders im Bild zwei musste ich ganz genau hinschauen um ihn zu sehen.
Gott sei Dank bin ich nicht doch noch gekommen, die Stimmungen im Nebel liebe ich einfach, aber dann wäre uns dieser stimmige, nachdenkliche "Tourenbericht" entgangen. Und das wäre schade gewesen, finde ich...
..Danke für die freundlichen Reaktionen, und lieber Heinz: Du erinnerste Dich sicher an einen der allerersten Berichte: http://www.canoebase.at/nachlesen/wintertour.html Diese Ausfahrt, und inzwischen viele andere Unternehmungen in Deiner Gesellschaft ( zB heuer mit Dir und Günter auf der Gail ) möchte ich nicht missen! LG
Moin Wolfgang, also sehr fair finde ich das nicht, solche Bilder und Berichte einzustellen. Man könnte ja auch etwas Rücksicht nehmen auf Leute, die noch lange auf ihr Boot warten müssen; zumal hier sowas wie ein goldener Oktober (rare Spezies) ausgebrochen ist.