Alle guten Dinge sind drei, denn vom Glaskogen gab es ja kürzlich zwei Beiträge. Darum kommt hier mein Tourenbericht vom Juli 2010. Ich stelle den Bericht in mehreren Teilen hier rein. Ansonsten gibt es mehr Bilder und detailliertere Informationen auf Northtrail.de
1. Teil
Fotos: Peter Peuker und Joachim Pollex
Das Revier
Die Nordmark (schwed. Nordmarken) ist eine wald- und seenreiche sowie stark hüglige Landschaft. Das Gebiet erstreckt sich in den schwedischen Provinzen Dalsland und Värmland über eine Fläche von 10.000 km². Die vielen untereinander verbundenen oder über Portagen erreichbaren inselreichen Seen machen Nordmarken zu einem beliebten Kanurevier. Es gibt eine Vielzahl unterschiedlicher Paddelrouten, von Kurztrips bis hin zu mehreren Wochen dauernden Kanutouren. Das dazugehörige Dalsland Seengebiet ist wegen den vielen Paddelgruppen in der Sommersaison zwar etwas in Verruf geraten. Je weiter man aber nach Norden kommt und je mehr Portagen die Tour erfordert, umso leerer wird es auf dem Wasser und an den vielen schönen Lagerplätzen. Auf einer dieser Routen wollen wir mit dem Open Canoe unterwegs sein.
Vor der Tour
Im Wald des Glaskogen Naturreservates haben meine Frau Karin und ich bereits seit einigen Tagen unser Basislager aufgeschlagen. An einem Freitagmorgen im Juli trifft Paddelfreund Joachim im Camp ein. Von Deutschland bringt er Tochter Julia und deren Freundin Juliane mit. Nach zwei Tagen der Akklimatisation für die Neuankömmlinge wollen Joachim und ich mit unserem Kanutrip starten. Sonntag, am geplanten Starttag, gießt es wie aus Eimern. Das Vorzelt der Mädels säuft ab und mit ihm auch ein Teil der Klamotten. Jetzt gilt es erstmal alles wieder trocken zu bekommen. Also wird der Ofen in der Zeltkåta in Betrieb genommen und ordentlich mit Brennholz gefüttert. Auch am Montag regnet es weiter vor sich hin und bringt eine weitere Verzögerung. So langsam kommt bei mir Frust auf. Donnerstag steht nämlich die Rückreise in die Heimat an und somit läuft uns die Zeit davon.
Die Route
Alle Seen auf denen wir unterwegs sein werden sind relativ schmal, von Kiefern- und Fichtenwäldern umgeben und im hügligen Relief eingebettet. Lediglich der Nedre Tvängen hat eine größere offene Wasserfläche. Zum Teil sind die Seen über kleine aber nicht paddelbare Bäche verbunden. Die notwendigen Portagen können mit dem Bootswagen über geschotterte Waldwege (schwed. Grusväg) bewältigt werden. Auf einzelnen Abschnitten ist aber auch echtes Portagieren notwendig, bei dem dann alles getragen werden muss. 220 m war die kürzeste und 1.750 m die längste Portage der Tour. Der Ösjön ist mit 268 m ü. NN der höchste und der Norra Tvängstjärnen mit 180 m der tiefste Punkt der Route. Joachim hat während unseres Kanutrips die Längen der Paddelstrecken und Portagen mit dem GPS dokumentiert.
Dienstag konnte es dann endlich bei blauem Himmel und Sonnenschein losgehen. Die Rundtour ist mit Start und Ziel am Basislager am See Lelången geplant. Wir haben nur Tagestourengepäck im Kanu, denn auf Grund der zwei verlorenen Regentage wollen wir flott unterwegs sein. Mit Start und Ziel am Basislager „Lelången“ wollen wir die Runde an zwei Tagen paddeln. Am Abend wird uns Karin an der Aussetzstelle mit dem Auto abholen und am nächsten Vormittag dort wieder hinbringen, um den Canoe-Trail fortsetzen zu können. Bei der gemeinsamen Tour wollen Joachim und ich auch gleich unsere nagelneuen Frostriver „Woodsman-Packs“ einweihen. Das hatten wir uns im Vorfeld so vorgenommen. Es ist herrlich auf den schmalen Seen zu paddeln. Am Ufer und auf dem Wasser sind keine anderen Paddler unterwegs, dafür aber Kanadagänse, Prachttaucher und Gänsesäger. Der viele Regen der letzten Tage hat den Waldweg der ersten Portage ziemlich aufgeweicht. Überall stehen Pfützen. Am Südende des Mjögsjön nehmen wir ein erfrischendes und reinigendes Bad. Mittag gibt es am Mjögtvängen. Dort treffen wir am Windschutz die ersten Paddler des Tages. Eine dänische Familie, Vater Tochter und Sohn, die auf der gleichen Route wie wir unterwegs ist. Da sie vom Regenunwetter ganz schön durchgeweicht wurden, müssen sie hier zum trocknen der Klamotten erstmal pausieren. Nedre Tvängen ist der größte See der Tour. Aus vergangenen Aufenthalten im Glaskogen war mir in Erinnerung, dass sich hier häufig eine ordentliche Welle aufbaut. Die Wellen heute sind jedoch unproblematisch. Auf drei schöne Sandstrände treffen wir am Norra Tvängstjärnen. Hier hätten wir mit Sicherheit unser Lager am Ende des Paddeltages aufgeschlagen. Das sind Plätze, die zum längeren Aufenthalt einladen Mittlerweile ist es 19:00 Uhr geworden und wir sind auf der letzten Portage des ersten Tages. Mit dem Bootswagen geht es auf einem komfortabel geschotterten Waldweg bergauf und bergab durch den värmländischen Wald. Linker hand stürzt ein Bach zwischen Felsen in Richtung Norra Tvängstjärnen. Joachim macht ein paar Fotos von der in Abendlicht getauchten Landschaft. Im Vorbeigehen fällt mir auf dem Weg Tierlosung auf, der ich zunächst keine besondere Beachtung schenke. Doch irgendwas war an der anders. Von einem Hund, einem großen Hund, jedenfalls der Größe nach zu urteilen. Nee, da war noch was anderes. Wir stoppen, gehen zurück und gucken uns die Sache genauer an. Meine Augen beginnen zu leuchten. Ich kann’s gar nicht glauben, was ich da sehe bzw. wessen Losung dort vor uns liegt. Die über 20 cm lange „Wurst“ setzt sich zum großen Teil aus Elchhaaren zusammen. Eindeutig Kot vom Varg (sprich: Warj), wie der Wolf auf Schwedisch heißt. Dass in der Region Wölfe vorkommen war mir bekannt, aber wirklich deren „Spuren“ hier zu finden ist ein echter Glücksfall. Sofort fielen mir die vielen Pressemitteilungen und Veröffentlichungen ein, die ich im letzten halben Jahr über die Wölfe in Schweden gelesen hatte. Auch die Fernsehreportage über einen illegalen „Wolfsjägerring“, der ebenfalls hier in Värmland aktiv gewesen sein soll, ging mir durch den Kopf.
Am letzten See des Paddeltages, dem Björnsjön, verläuft in Ufernähe eine Schotterpiste heraus aus den Wäldern des Glaskogen in Richtung E 18. Zum Glück besteht eine Funkverbindung, so dass Joachim unseren „Abholservice“ erreicht, der uns zum Basislager am Lelången zurück bringt. Die Mädels haben in der Zwischenzeit einen großen Hecht geangelt, der nach Rügener Art zubereitet in Folie über dem Feuer gegart wird. Geschmeckt hat er echt lecker! Zünftig beschließen wir den Abend bei aufgehendem Vollmond mit Lagerfeuer, Quatschen und Wein. Als wir Großen schon in den Schlafsäcken liegen, hören die Mädels in der Stille der Mondnacht von weitem Geheul aus den finsteren värmländischen Wäldern erklingen. Waren es Wölfe? Auf meine Frage warum sie uns denn nicht sofort geweckt haben, bekomme ich am nächsten Morgen zur Antwort: „Na, aus beiden Zelten war ja schon lautes Schnarchen zu hören und da haben wir uns nicht getraut euch wach zu machen.“ So rücksichtsvoll kann die heutige Jugend im entscheidenden Moment eben auch sein.
Der Wald lebt, er kann atmen und sprechen und erzählt die Sage von der Urmutter allen Lebens. (jakutisch)
Der nächste Morgen beginnt für mich mit einer deutlich spürbaren rotwein-allergischen Reaktion im Köpfchen und den sonst noch so üblichen Nebenwirkungen. Naja, hier liegt eindeutig Selbstverschulden vor. Karin bringt uns im Auto zur „Einsetzstelle“. Dort heißt es erstmal knappe 1,7 km bis zum Ässjön auf einem Waldweg mit dem Bootswagen zu portagieren. Zwei Seen weiter, auf der 600 m langen Portage zum Stora Skärvattnet, geht es im mittleren Teil ca. 250 m steil bergauf. Puh, da wird uns einiges abverlangt. Der Stora Skärvattnet besitzt einige Inseln. Am Ufer machen wir schöne Lagerplätze aus. Bis zum Inselsee müssen wir noch zwei Landwege zurücklegen und einen See überwinden. Auf den beiden 700 m und 250 m langen Portagen muss alles komplett getragen werden. Niemanden sind wir bisher begegnet, keinen Wanderern, Paddlern oder sonst wem. Erst am Ösjön, dem Inselsee, sehen wir von weitem 2 Paddler in ihren gelben Kajaks. Ein wirkliches Insellabyrinth besitzt der Ösjön. Mehrere Tage könnte man hier mit der Erkundung des Archipels verbringen. Wir suchen uns einen Weg durch die Inselwelt. Bei den Passagen muss auf die felsigen Unterwasserhindernisse geachtet werden. Trotz der im Vergleich zu mitteleuropäischen Verhältnissen abgeschiedenen Lage des Sees stehen zahlreiche Ferienhäuser am Ufer und auf den Inseln. Bevor es für uns auf dem Södra Holmtjärn mit ca. 500 m zur kürzesten Paddelstrecke der Tour kommt, müssen wir den beladenen Bootswagen über 1.750 m Grusväg schieben. Das wird der längste „Landgang“ der Tour. Der Weg führt z.T. entlang einer riesigen Kahlschlagsfläche, die als Kulisse für einen Kriegsfilm herhalten könnte. Holzernte- und Rückemaschinen haben hier ganze Arbeit geleistet und eine zerwühlte Kraterlandschaft hinterlassen. So etwas gibt es leider auch im Glaskogen Naturreservat. Interessant wird es dann an der Aussetzstelle des Södra Holmstjärn. Beim Anlanden muss hier nämlich mit dem Boot zwischen den kleinen Moorbulten hin und her rangiert werden, um überhaupt trocknen Fußes ans Ufer zu gelangen. Auf einer Anhöhe südlich des Sees stehen Reste einer Verteidigungsanlage der Schweden mit Bunkern, Schützengräben und Panzersperren aus dem 2. Weltkrieg. Nach kurzer Besichtigung geht es weiter auf der Schotterpiste das Ziel schon vor dem geistigen Auge. Auf dem Lelången gleitet unser Kanu dem Basislager und dem Ende einer abwechslungsreichen Paddeltour durch Värmlands Nordmark entgegen. Der letzte Abend ist fast jedes Mal von zwiespältigen Gefühlen geprägt. Zum einen sind da die vergangenen Erlebnisse im Kopf und es werden Pläne für die kommenden Touren geschmiedet. Aber der Abschied von Schwedens Wäldern, Seen und Bergen macht auch etwas schwermütig ums Herz.
ein gutes Dreigespann
Je schöner und voller die Erinnerung, desto schwerer ist die Trennung. Aber die Dankbarkeit verwandelt die Erinnerung in eine stille Freude. Man trägt das vergangene Schöne nicht wie einen Stachel, sondern wie ein kostbares Geschenk in sich. (Dietrich Bonhoeffer)
Ende
Der Wald lebt, er kann atmen und sprechen und erzählt die Sage von der Urmutter allen Lebens. (jakutisch)
- 2 Kanuvermieter gibt es u.a. direkt in Lennungshammar und weitere in Årjäng oder Arvika
"Glaskogskortet" berechtigt zur Nutzung der touristischen Einrichtungen incl. des bereitgestellten Feuerholzes an den Lagerplätzen, Windschutzen und Übernachtungshütten. Die Karte kostet 30 SEK/Person/Tag (Stand 2010). Bei längeren Aufenthalten mit der Familie, lohnt es sich eine Familien-Jahreskarte zu kaufen.
"Glaskogens fiskekort" berechtigt zum Angeln auf ca. 80 Seen im Gebiet. Es gibt Tageskarten, Wochenkarten, Familien- und Gruppenkarten. Für Kinder/Jugendliche unter 16 Jahre ist das Angeln frei.
Der Wald lebt, er kann atmen und sprechen und erzählt die Sage von der Urmutter allen Lebens. (jakutisch)
Zitat von Peter PanUnd das Angeln habt Ihr den Mädels überlassen?!
Ja, die eine hat es auf schwedischen Seen schon als Kind von mir erlernt und die andere ist die Tochter eines Fischers von der Insel Rügen. Ansonsten bringt Arbeitsteilung auf Touren echt mehr gemeinsamen Spaß.
Peter
Der Wald lebt, er kann atmen und sprechen und erzählt die Sage von der Urmutter allen Lebens. (jakutisch)
Hej Peter, wir waren unmittelbar kurz nach Eurer Abreise im Glaskogen am Ösjön, und somit nur wenige Kilometer vom Lelången entfernt. Gleich in unserer ersten Nacht haben wir das Wolfsgeheul mehrfach hintereinander gehört. Es blieb jedoch das einzige Mal! Ich war Frank gegenüber nicht so rücksichtsvoll wie die Mädels, sondern habe ihn geweckt, damit der nicht am nächsten Morgen behauptet, ich hätte das nur geträumt! Es war ein überwältigendes Erlebnis! Wir wussten zwar, dass es im Glaskogen Wölfe gibt, aber es dann gleich in der ersten Urlaubsnacht zu hören, war schon beeindruckend. Ein magischer Moment, den wir nicht vergessen werden.
Zitat von KrümelEs war ein überwältigendes Erlebnis! Wir wussten zwar, dass es im Glaskogen Wölfe gibt, aber es dann gleich in der ersten Urlaubsnacht zu hören, war schon beeindruckend. Ein magischer Moment, den wir nicht vergessen werden.
Hej Krümel,
seit Jahren hängen an den Infotafeln im Glaskogen Hinweisschilder zum Anleinen der Besucherhunde mit dem Verweis auf Wolf und Bär. Manch einer wird das als Maßnahme zur Förderung des Leinenzwangs im Naturreservat belächelt haben. Nun von Bären im Glaskogen habe ich selber noch nichts erfahren, aber das es in der Region Wölfe gibt ist eine Tatsache. Was u.a. durch den Fund der Wolfslosung bewiesen ist. Vor 2 Jahren wurde im Glaskogen ein Jagdhund durch einen Wolf/durch Wölfe getötet.
Gruß
Peter
Der Wald lebt, er kann atmen und sprechen und erzählt die Sage von der Urmutter allen Lebens. (jakutisch)
Mensch Peter, lieber mehr von deinen schönen Bildern. Wenn ich sowas sehe kriege ich sooonen Hals. Als bekennender Bär, Wolf und Luchs Freund bekomme ich immer die Krise wenn in Schweden/Norwegen diese jetzt aber endlich jagen dürfen Diskussionen aufpoppen. CU Bernd
"Paddeln und Naturschutz" dazu hatten wir hier im Forum schon das eine oder andere Thema. Sicherlich kann darüber kontrovers, aber doch sachlich diskutiert werden. Vielleicht ließe sich so ein Theard z.B. in der Rubrik "Allgemeines Canadierforum" eröffnen.
Viele Grüße
Peter
Der Wald lebt, er kann atmen und sprechen und erzählt die Sage von der Urmutter allen Lebens. (jakutisch)