Bei der Donau ist das auf Höhe Krems. Und hier, genauer gesagt an der Mündung des Fladnitzbaches, treffe ich Peter.
Er ist inzwischen drei Wochen und ca. 800 km unterwegs. Unfallfrei! Warum mich das wundert? Na gut, die Geschichte fing so an: Peter fragte mich, ob ich Ihm helfe, denn: mit dem Schlauchboot vom Hofer funktioniert das nicht, die Donau von oben bis ans Schwarze Meer zu fahren.
Monate zuvor, irgendwo in Australien, hatte Peter mit einem Freund, in einer hoch-geistigen Nacht diese Idee geboren. Der Freund ist abhanden gekommen, der Entschluss ist geblieben.
Ich habe versucht Ihm - dem Nichtpaddler - das auszureden. Aber wenn Peter sagt Jungle, dann meint er Jungle! Schließlich war er ein Jahr in einem solchen in Indonesien. Und in Shang.. und Afri… er ist eben Weltenbummler. Er arbeitet hart, aber immer nur, bis Ihn das Reisefieber packt. Dann hört man wieder einige Monate nichts von Ihm, oder aus einer Ecke der Welt, von der man gar nicht vermutet hätte, dass es sie gibt, die man auch keinesfalls vermisst hätte, wenn es sie nicht gäbe. Wenn er dann heimkommt, erzählt er Geschichten!
Wie diese hier, von der Donau.
Kurz: Nach selbstverständlich erfolglosem Versuch Peter das Vorhaben auszureden, gab ich mein Bestes, aus ihm in wenigen Tagen einen Paddler zu machen. Kurs, kleine Tour, Kentern … die Gefahren seines Vorhabens realistisch darstellen, ein billiges Kanu, von dem ich hoffe, dass es Ihm eine Chance gibt, usw.. Sponsoren hat Peter -flugs - aufgetrieben, aber als mich der Journalist der „Kleinen Zeitung“ fragt, ob Peter gut gerüstet startet, konnte ich nur wahrheitsgemäß verneinen. Er selbst war guten Mutes, oder des Wahnsinns, es kommt auf die Perspektive an. Das Kanu hat er „Stefan“ getauft, nach einem seiner Fliegerkameraden, der vor wenigen Wochen in Italien mit seinem Flugzeug verunglückt ist.
Und nun sitzen wir hier, am Ufer des Stroms und er erzählt in einer Mischung aus Naivität, die aber immer einen zweiten Boden hat, und Welterfahrung, die im Umgang mit Menschen kaum zu toppen ist, Geschichten.
zB Mit einem Lächeln erzählt er von Radfahrern, die nicht wussten, ob sie die Verantwortung tragen können, ihm, bei einer der Schleuse an der oberen Donau zu helfen. Knopf drücken. Bitte! Es wäre nicht Peter, wenn er es nicht auch allein schaffen würde, mit einer langen Leine …Er hat soeben das Treideln in der Schleuse erfunden!
Und er erzählt von einem Paddlerehepaar, das von Passau bis Lienz unterwegs war und kaum glauben konnten, dass es selbst keine Tagesetappen einteilt. Morgens nicht ahnen, was tagsüber auf Ihn wartet!!!!
Die Grenze, zwischen „nicht wissen“ und „nicht wissen wollen“ ist ein gefährlicher Grat, der andererseits Freiheit bedeutet.
Warum sind wir sonst hier? Gerade hier, mit den Zelten direkt hinter dem Schild: Militärisches Übungsgebiet – Lebensgefahr! …
Peter ist lernfähig: Ich hatte ihm geraten, bei der Anfahrt, bei Aqua Terra in Ulm einen Kanuwagen zu besorgen. Das hat er auch getan, aber erst, als er bei seiner Fahrt hier vorbei kam und seine schwindlige Eigenkonstruktion aus den Fahrradrädern den Geist aufgegeben hatte. Ein Fahrradhändler hat Ihm dann die kaputte Achse eines Rades ausgetauscht – gratis, da er das Ding seit 30 Jahren im Lager hätte und es sowieso unverkäuflich sei. Logisch? Logisch! Peter findet auch unterwegs Sponsoren.
Peter ist praktisch: Ein besonders schöner, grüner Rasen hatte Ihn in Ufernähe zum Lagerbau verleitet. Als um 10 Uhr abends die Bewässerungsanlage des Golfplatzes in Betrieb ging, nutzte er die willkommene Dusche zur Körperpflege. Warum auch nicht, wenns schon da ist? Oder?
Andere schöne Lagerplätze hat er verpasst. Die Strömung war zu stark. Dem Unwetter hat er getrotzt und bei Hochwasser ist wenigstens die Fließgeschwindigkeit höher!
Peter lernt, auf die harte Tour!
zB Schleusen - die großen! Bei der dritten großen Schleuse weiß er aus Erfahrung, wie es geht. Keiner fragt Ihn, ob er wahnsinnig ist, er braucht nicht zurückfragen, wie das gemeint sei. Jetzt findet er auch den Text auf der Karte, der eben das Prozedere genau und unmissverständlich erklärt. Meine Nackenhaare stehen immer noch senkrecht, nach der Schilderung seiner ersten Schleusung!
Lustig, aber noch viel gefährlicher sind auch die Geschichten mit „echten“ Schiffen. So zB als er gar nicht weiß wie Ihm geschieht, wenn in Regensburg der Kapitän eines großen Ausflugsschiffes völlig aus der Fassung gerät, weil Peter den einzigen freien Anlegeplatz in einer langen Reihe von Schiffen nutzt. Wenn er sagt: „die Schubverbände hupen, wenn ich im Weg bin“ hoffe ich inständig, dass er das scherzhaft meint, auch wenn ich mir sicher bin, dass wegen Ihm schon viel gehupt wurde.
Vielleicht sollte ich doch einen Schluck vom Whisky nehmen, oder vom Marillenschnaps , den er in der Wachau von einem Bauern bekommen hat?
Peter hat einfach eine Gabe, Menschen in seine Belange zu involvieren.
Wäre ich sonst hier?
Ps. Wird er tun, worum ich ihn gebeten habe, und die Schwimmweste anziehen?
Halbzeit Peter ist heute wo die Donau bei Flußkilometer 1430 Ungarn verläßt, hat also die Hälfte der Tour hinter sich. Immer noch guter Dinge erzählte er am Telefon von der unangenehmen Durchfahrt durch Budapest, mit dichtem Schiffverkehr und echt hohen Wellen zwischen meterhohen Mauern. Als wichtigsten Ausrüstungsgegenstand nennt er den Sonnenschirm, den er mit einem Halter am Tragjoch festgeschraubt hat. Kein Wunder, daß ihm die Leute am Ufer freundlich zuwinken. Weiters erzählt er von der Gastfreundschaft in Ungarn, und daß er einen Tag Pause einlegen mußte, um den Restalkohol abzubauen. Oder, daß er erstmals die Machete benutzen mußte, um einen Lagerplatz herzurichten, weil er abends zu lange am Wasser war. Und von den Finanzen: Seit seinem Start, wo er mit ausreichend Verpflegung losfuhr, hat er bisher nur ca. 200 € verbraucht. Langsam glaube auch ich, daß das Unternehmen gelingen kann. Nach mehr als 1400 km am Fluß, ist es eigentlich schon längst, was er sich unter "Reisen mit dem Fluß" vorgestellt hat.
Update: Flußkilometer 1333, Pause in Vukovar. Peter hat mehr als die Hälfte - rund 1500 km hinter sich. Jetzt unterbricht er seine Reise. Für das Kanu hat er eine Lagermöglichkeit gefunden, einer seiner Sportfliegerkollegen hat ihn in Vukovar abgeholt. Die Unterbrechung wird 1 Monat dauern. Der Grund: Eine Tunnelbohrmaschine wird in Shanghai abgebaut, nach Hongkong verschifft und wieder in Betrieb genommen und Peter hat das Know how dafür. Dann geht das Abenteuer auf der Donau weiter - Richtung Donaudelta. Irgendwie bin ich mir unsicher: Ist eine Kanufahrt von ca. 2800km für Peter das Abenteuer oder vielleicht die Erholung zwischen den Abenteurn, die er Leben nennt?
Ich denke das dass Leben von Peter im allgemeinen ein Abenteuer ist und er versucht in gewissen Lebensabschnitten eine ruhige Insel zu finden, wo er wieder er sich selber sein kann, weit weg von beruflicher Verantwortung, Verpflicht, Terminstress usw. Dazu muss man ab und zu dem ganzen entfliehen um wieder zu sich selbst zu finden. Dazu ist so eine Kanutour am besten geeignet oder manche gehen auf einen Pilgerpfad.So kann ich Peter gut verstehen mit seiner Donautour.
Peter ist angekommen. Boot und Fahrrad hat er verkauft, derzeit belohnt er sich mit einem Glas Whisky und einer Zigarre. Zurück kommt er per Flugzeug, dann wird gefeiert!
Kleiner Nachtrag: Peter erzählt von 21 Tagen, an denen er wegen Wind und Wetter nicht fahren konnte. Die schlechteste Paddelleistung war ein Tag mit ca 8 Stunden Bemühungen bei Regen gegen den Wind, mit dem Ergebnis: ans andere Ufer und ca 2 Flußkilometer. Dann erzählt er von den Menschen entlang des Flußes, wie oft er zum Grillen eingeladen wurde und von den Fischern im Delta. Er erzählt von der herzlichen Gastfreundschaft bei seiner Ankunft und vom Feiern - nicht der ungefährlichste Teil seiner Fahrt! Das Kanu hat er einem älteren Herrn verkauft, der 15 Jahre seine Lebens in Canada verbracht hat. Das Minirad nahmens Land Rover, Paddel und die recht fragmentierten Reste seiner Ausrüstung sind auch in Rumänien geblieben. Ein paar Mal hatte er auch seinen Schutzengel dabei. "Dreimal drohte ich wegen der hohen Wellen zu kentern und einmal rammte ich eine Schifffahrtsboje. Aber zum Glück fiel ich nie ins Wasser", erzählt Peter. Was er mitbringt? Die Erinnerung an viele wunderbare Momente am Fluß und Energie für die nächste Zeit. Heute fliegt er für drei Monate zur Arbeit nach Ägypten - eine Tunnelbohrmaschine soll installiert werden. Und dann? Ja, er meint eine Weltumseglung wäre jetzt ....
Schade, dass dieser Etappenbericht jetzt zu Ende geht - ich habe ihn mit einer gewissen Ängstlichkeit und Faszination verfolgt. So ein abenteuerliches Unterfangen ohne festen Plan und Einkommen aus geordneten bürgerlichen Lebensumständen heraus zu betrachten löst gleichermaßen Neid und gelinden Schrecken aus. Vielen Dank Wolfgang, für die immer wieder spannenden Zwischenmeldungen.
Axel
PS: Tunnelbau in Ägypten klingt auch recht spannend. Passt hier aber nun doch nicht hin. Oder gibt es neben Wüstenschiffen auch Wüstenkanus?
Gibt auf dem Nil die wunderbaren Dhaus, welche flußabwärts mit der Strömung treiben und flußaufwärts mit dem permanenten Nordwind gesegelt werden. Gruß! Fred