Mit dem Frühling kommen auch wieder mehr Paddler auf's Wasser. In dem Zusammenhang möchte ich mal einen Hinweis auf eine Website mit interessanten Filmchen weitergeben der kürzlich im ACA Newsletter mitkam:
Irgendwie denken die meisten beim Thema Schwimmweste doch eher an das Schwimmen an sich, und weniger an die Wassertemparatur. Da ich gestern schon im See lag kann ich aus erste Hand berichten: Das Wasser ist SAUKALT!
Grüße, Sebastian
-- When the fly is on the dangle, and it's hanging down the stream, raise the dangle to an angle, there you cast your fly again.
Hallo! Die Temparaturen sind inzwischen ja wieder sommerlich und ich will an dieser Stelle mal über eine kleine Begbenheit berichten die sich bei einem Kanadierkurs letztes Wochenende ereignet hat. Nicht weil sie besonders dramatisch gewesen wäre, sondern weil man sehr eindrücklich sehen konnte warum es eine gute Idee ist immer eine Schwimmweste zu tragen.
Wetter: Wechselhaft zwischen Lufttemparatur ca. 19 Grad - zur Zeit der Übung recht sonnig. Wasser: leichte Wellen, Temparatur 17,9 Grad
Der Kandidat, ein junger Arzt, kräftig gebaut, sportlich vielseitig erfahren, auch im Umgang mit Kälte durch zahlreiche hochalpine Schneeschuhtouren.
Die Aufgabe war eine Kenterübung mit Bootsbergung und Wiedereinstieg, ca. 30 Meter entfernt vom Ufer.
Das Boot wurde also "umgefallen". Zunächst war eine schnelle und hektische Atmung aufgrund des "kalten" Wassers gut zu erkennen. Das dauerte ca. 20-30 Sekunden.
Danach wurde das Boot über ein anderes Boot geborgen. Eine Bergungsschlinge war an einer Ducht befestigt und behinderte die Bergung zunächst. Sie musste entfernt werden. Die T-Bergung durch einen weiteren, sehr jungen Kursteilnehmer dauerte etwa 4 Minuten. Unser Paddelschüler war die ganze Zeit gut drauf und sagte ihm sei nicht besonders kalt. Danach sollte unser "Schwimmer" die Schlinge wieder an der Ducht befestigen (einfach durchschlaufen). Das misslang zunächst, da die Schlinge nicht richtig eingefädelt war und abrutschte. Die folgenden Befestigungsversuche gestalteten sich zusehends schwieriger, da unser Kursteilnehmer kaum noch sinnvolle Bewegungen ausführen konnte. Schließlich musste er nach dem dritten Versuch überrascht aufgeben, da die Kräfte ihn verließen. Er hielt sich dann bei mir am Bug fest und ich paddelte Ihn die etwa 30 Meter zum Ufer.
Es ist bei der ganzen Sache nichts passiert und unser Schüler fühlte sich auch die ganze Zeit sicher. Als Arzt der auch in der Notaufnahme eines Krankenhauses tätig ist kennt er sich auch mit Hypothermie-Fragen einigermaßen gut aus. Er war jedoch sichtlich überrascht, wie schnell er seine Bewegungen nicht mehr richtig koordinieren konnte, und die Kälte seine Gliedmaßen lahmlegte. Die 30 Meter zum Ufer zu schwimmen wäre nochmal ziemlich heftig für Ihn geworden.
Ich fand diese Geschichte sehr interessant, weil wir die wichtigen Phasen im "kalten" Wasser mal live miterleben konnten, und sich so manches bestätigte, was man auch anderswo beigebracht bekommt:
z.B. die 1-10-1 Regel aus dem Coldwater Bootcamp: ca. 1 Minute um die Atmung unter kontrolle zu bekommen, ca. 10 Minuten für sinnvolle Bewegung, bis zu 1 Stunde bis zur Bewusstlosigkeit, wenn man denn eine Weste trägt, sonst geht man vorher unter! (haben wir natürlich nicht ausprobiert)
Die zweite Regel die sich bestätigt hat: niemals etwas an den Duchten festbinden, auch wenn es in diesem Fall nur eine Seilschlinge war, die das Bergen des Bootes (Old Town Discovery in PE, zugegebenermaßen recht schwer) unmöglich machte.
Fazit: fast 18 Grad Wassertemparatur - eigentlich nicht besonders kalt, Mensch mit Neopren und kräftiger Statur - sollte eigentlich nicht so schnell frieren, 35 Meter bis zum Ufer - auch keine Distanz. Das sind Bedingungen, die die meisten von uns als sehr sicher einstufen würden, und manche würden sagen, dass sie da doch keine Schwimmweste brauchen.
Ich paddle eh nie ohne, das ist inzwischen Gewohnheit wie der Sicherheitsgurt - dieser Kurs hat mir aber nochmal bestätigt, warum das auch gut so ist.
So gesehen war es für alle Teilnehmer eine ziemlich "coole" Erfahrung.
Das hätte ich jetzt bei fast 18°C Wassertemperatur nicht erwartet. 18°C ist für die Nordsee schon richtig Warm und da gehen die Touristen zum baden rein.
Was war das für ein Neopren-Anzug? (Ich hatte auch schon mal beim Segeln ein Erlebnis mit einem Surffan der im Neo mitgekommen ist, der ist uns fast erfrohren, wir hatten ganz normale Segelsachen an und uns war nicht mal kalt.)
Auf jeden Fall ein Bericht der zum Nachdenken über Kleidung anregt.
Hi Andreas, der Anzug war ein 4mm Prijon Long John. Ich denke aber auch dass es stark tagesformabhängig ist wie schnell man friert. Andere waren gleichzeitig im Wasser und frohren nicht so schnell - die hatten aber auch keine "Aufgaben" zu erledigen und haben sich dadurch etwas weniger bewegt. Dadurch fließt das erwärmte Wasser nicht so schnell aus dem Anzug und man bleibt länger warm. Sicher kann man die Warmzeit mit optimierter Kleidung noch stark verlängern. Ich fand es halt sehr interessant, wie er den Vorgang erlebt hatte. Es war ja alles in einem sicheren, kontrollierten Rahmen, und als Mediziner könnter er das Ganze sehr differenziert wahrnehmen und schildern.
Grüße, Sebastian
P.S. Baden scheint irgedwie auch was anderes zu sein - deshalb verschätzt man sich ja auch so leicht.
Hi Sebastian, ist vielleicht etwas spekulativ .... Kleidung: Shorts, T-Shirt, darüber Neoprenanzug aber vielleicht paßte etwas zu viel Wasser zwischen Körper und isolierender Neo-Schicht? Schlecht sitzender Neo, darunter Kleidung .... schlechte Tagesform ...dazu etwas Streß durch die Situation, dann klappt es nicht gleich .... könnte teilweise auch ein kleines Kopfproblem gewesen sein ...
Aber aus eigener Erfahrung kenne ich das auch, wenn man 1 Stunde oder länger mit Aquashell bei jetztigen Temperaturen im Wasser ist, im "Eifer des Gefechts" keine Kälte spürt ... wenn dann alles durch ist, ich mich aus dem nassen Zeug pelle, spüre ich die Kälte, habe ein deutlich gesteigertes Wärmebedürfnis, trotz 18 oder 20 Grad im Wasser, trotz leichtem Kälteschutz ...
Hallo Sebastian! Prima Bericht und "klasse", dass das einem durchtrainiertem, recht sinnvoll bekleidetem Arzt passiert ist, sonst würde es hier sicher `ne Menge Einwände hageln. Was ich allerdings nicht verstehe: Wieso sollte der "Schwimmer" die Bergungsschlinge wieder am Boot befestigen, die kommt doch normalerweise ans "Rettungsboot", ist also - wenigstens so, wie ich´s kenne (oder bin ich da auf dem Holzweg?) - Aufgabe des "Retters"? Bin etwas verwirrt.... Gruß von Silke
Hi Silke, Bergeschlinge eigentlich vom "Rettungsboot", ganz richtig.
Eine Einstiegshilfe kann aber auch eine kurze an der Ducht befestigte Schlaufe aus Gurtband usw. sein, die dann von der Ducht ca. 1/2 Meter unter die Wasseroberfläche reicht. Das ist ne reine Einstiegshilfe ... weil ... auch Paddlers werden älter ... Das Ding wird sinnvollerweise mit Zeising, Gummi oder irgendwas an der Ducht fixiert, damit das Ding nicht stört, bei Bedarf dann gelöst und ins Wasser gehangen .... Wichtig! Sollte im Tandem für beide Paddler auf je einer Seite vorbereitet sein, dann kann man auch gleichzeitig einsteigen ...
Ich vermute mal, daß dieses Dingelchen am Boot hing .....?
Jo Frank! Genauso isses. Wir hatten das bewusst mal so gemacht und auch den Schwimmer die Schlinge wieder ranfiddeln lassen, um mal zu zeigen wie sich das anfühlt, wenn man im Wasser liegend basteln muss... Solche Sachen kann man immer gut "erfahren" - finde ich meist hilfreicher als Vorträge mit erhobenem Zeigefinger.