Ein streßfreier Ostersonntagmorgen, Frühstück mit der Familie, dann ein Blick in dieses Forum, und ins SOTP, ... im Solo Tripping bleibe ich bei einem Thema hängen: Angst! http://www.solotripping.com/community/showthread.php?t=2282 Ja natürlich: Touren in "echter" Wildnis, mit "echten" Gefahren und dazu noch solo!
Ich habe öfter "outdoor" solo übernachtet, zB. beim Fischen.... Sicher, ohne gut zu sehen verliert man an Kontrolle, bedroht fühle ich mich deshalb aber nie. Irgendwie hatte ich immer das Gefühl in der Nacht besser zurechtzukommen als potentielle ...??? - In unserer Kulturlandschaft können es ja nur Menschen sein, die eine mögliche "Gefahr" darstellen.
Über Gefahren und deren Vermeidung beim Paddeln ist zu Recht immer wieder hier die Rede, aber Ängste sind oft irrational und führen zu manch erstaunlicher Blüte.
Welche Ängste habe ich selber im diesem Zusammenhang?
Spontan fällt mir ein: 1) Wenn ich mit einer Gruppe unterwegs war und die Boote wieder am Hänger sind, schicke ich alle weg, mach alles alleine fest und kontrolliere nach. Alle Kanus werden drei mal befestigt, so kann eine Halterung ohne Folgen ausfallen. Ich kriege Panik, wenn ich daran denke, daß auf der Autobahn ... weil ich es nicht selbst gemacht habe ...
2) Angst zwei entspringt einem Erlebnis vor jetzt fünfundzwanzig Jahren: Mit Erich befuhr ich den Abschnitt nach der "Engen Gurk" im Kajak, eine schluchtartige Strecke ( heute fast durchgehend mit Wanderwegbegleitung ) - WW2, normalerweise. Damals war der Wasserstand aber mehr als "gut" und alles völlig anders als wir es kannten. Wir wurden regelrecht durchgespült, zwischen, unter, über im Bach hängende Bäume hinweg und mit völlig unerwarteter Wasserwucht. Auststiegsmöglichkeit: keine! Viel Glück: der Ausflug endete nicht mit einer schlimmen Zeitungsmeldung.
Seit damals nehme ich, wenn ich in einer Gruppe fahre, das "scouten" unbekannter Passagen sehr ernst: So vor zwei Jahren an der Gail: Ein Flußabschnitt WW 1-2, aber eine Stelle unübersichtlich und mir unbekannt. Ich lege an, steige aus, geh voraus, seh mir die Sache an, doch bevor ich signalisieren kann "Durchfahrt links oK", fährt Detlev mit einem Teil der Gruppe an mir vorüber. Alles geht gut - WW 1-2 wie gesagt. Sicher kannte Detlev die Stelle. Ich kam mir jedenfalls recht bescheuert vor. Und das nächste Mal in der gleichen Situation: Ich werde wieder vorausfahren, aussteigen, mich blamieren - immer wieder. Weil meine Angst mich lächerlich zu machen, nichts ist im Vergleich zu meiner Angst, einer aus der Gruppe könnte Schaden nehmen. Allein, oder mit erfahrenen Paddlern unterwegs, gelten wieder völlig andere Limits.
3) Ein Freund mit dem ich oft unterwegs bin, hat andere Ängste: Irgentwas könnte fehlen! Auch beim Halbtages-Flachwasser-Sonnencremeausflug muß alles perfekt sein, nichts darf improvisiert werden! Irgendwann, schmeiß ich seine Bags in den Busch um zu zeigen, daß man auch mit leichter Ausrüstung eineinhalb Stunden auf Badewasser überleben kann!
Angst vor dem Autofahren, vor Zecken, Menschen, wilden Tieren, vor Langeweile? Irrational oder begründet: Mit Ängsten umzugehen bleibt wohl keinem erspart. Wie seht Ihr das?
nach meinen Erfahrungen sind wirklich gutes Handwerk und eine gesunde Portion Vor- und Umsicht gute Voraussetzungen, sich gerade in der freien Natur komfortabel bewegen zu können. Angst entsteht doch aus der Unkenntnis vor Unbekanntem: Was Dir bekannt - oder sogar vertraut - ist, vor dem brauchst Du keine Angst zu haben. Mit dieser Einstellung - und mit diesem Bewußtsein - bewege ich mich auch oft in der Nacht draußen hier auf dem Land. Ich stimme Dir zu, daß auch meiner Ansicht nach die Gefahr in der Nacht stadtnah am ehesten von Menschen ausgehen kann. Wenn ich mir andererseits anschaue, was sich in manchen Bundesländern im Osten gerade entwickelt, dann werden wir es dort in absehbarer Zeit mit anderen Verhältnissen zu tun haben. Die sich in Brandenburg und Sachsen-Anhalt entwickelnden Wolfsbestände erfordern beispielsweise ein anderes Sich-Bewegen in der Natur als wir es bisher gewohnt waren. Auch andere Großcarnivoren wie Luchs unmd Bär kehren allmählich in Lebensräume zurück, in denen sie lange Zeit nicht ihre Fährte zogen. Wir werden uns dort darauf einzustellen haben, uns nicht mehr so unbedarft wie bisher draußen zu benehmen. So würde ich dort nicht mehr ohne Zelt und Hunde auf dem blanken Boden übernachten. Gewisse Vorsichtsmaßnahmen sind meiner Ansicht nach nie verkehrt. Vom Grunde her ist dies für mich aber ansich nichts Neues, da ich jeden Tag neu die Natur draußen mit Respekt betrachte und die Möglichkeit nutze, von ihr zu lernen. Die Natur ist eine so wunderbare Lehrmeisterin.
Hallo Wolfgang, vor ca. 15 Jahren hatte ich eine Wildwasser Kajak Tour auf der Murg gemacht. Der Paddelfreund sagte ich kenne die Burg von vielen Befahrungen für mich war sie immer ein ROTES Tuch und so habe ich mich ihm anvertraut am Einstieg angekommen sagte er es geht, für mich naja wenn er es sagt Aber es ging gleich richtig zur Sache ich war mit einem Gattino von Eskimo unterwegs und hatte ganz schön zu kämpfen doch die Wellen waren schon weit über 2 Meter hoch und sehr schnell Wir kenterten und ich sah kein Land geschweige spürte ich Grund unter den Füßen. Ich hatte mich schon abgeschrieben und dachte das wars. Doch nach ca 2 km hatte ich Gelegenheit mich ans Ufer zu retten, mein Kajak mit den Großen Auftriebskörper hat mir vielleicht das Leben gerettet den an der gleichen Stelle ertrank auch ein Kajakfahrer mit einem kleinen Kajak. Am ausstieg wo wir unser vorgestelltes Auto holten sagte man uns die Murg hat weit über 120 cbm zu viel für mich und eine Lehre, meinem Kollegen war sein Material weggeschwommen. So macht man seine Erfahrungen und wenn es gut geht naja Glück gehabt. Klaus
Moin Wolfgang Eine identische Angelegenheit, gehe auch immer wieder anderen auf den Keks weil ich die Befestigungen obwohl sie kontrolliert sind noch mal unter die Lupe nehme. Habe mich mal mit einem Flussabschnitt vertan und bin mit ungeeigneter Gruppe in einen WW3-4 Abschnitt mit starkem Gefälle reingefahren, üble Geschichte, die gut ausging, nur weil ich saumäßiges Glück gehabt habe und die Gruppe funktioniert hat, sowas passiert nur einmal und reicht für den Rest des Lebens. Selbst bei stabiler Wetterlage gehe ich öfter noch mal direkt vor Abfahrt vom Auto ins Haus zurück und cheque zum fünften mal das Wetter auch wenn es unsinnig erscheinen mag, das ist dann aber wohl auch der Grund dafür, dass meine Frau mich mit den Kleinen allein raus lässt.
Für mich ist Angst eine gesunde angeborene Sache, so eine Art Lebensversicherung. Bin ich allein unterwegs, seh ich Vieles sehr gelassen und die Angst im Kopf rechnet etwas großzügiger. Bei Verantwortung für andere rechnet die Angst im Kopf sehr scharf und das sollte auch so sein. Um nicht missverstanden zu werden, Angst soll nicht Erfahrung, Wissen und Know How ersetzen.
Solo unterwegs oder mit berechenbarem Freund ist mir lieber als in der Gruppe, zumindest bei Wildnisabenteuern, schätze dabei im Vergleich, das Risiko des Fußgängers in der Stadt aber als mindestens gleichwertig ein. Mit Angst hast du ein interessantes Thema gewählt, für mich auffällig bei mir selbst ist die mit zunehmendem Alter sich verändernde Angst, was heute Thema ist war früher keins und umgekehrt. Frohe Ostern aus Kiel Jürgen
Angst, Furcht, Respekt, - dieses Gefühl hat ja einige Abstufungen und gehört in gewisser Weise zu jedem noch so kleinen Paddelausflug dazu – zunächst mal die Angst vorm Reinfallen – sicher, auf dem Tretbootdurchsetzen Neckar allenfalls eine nasse Angelegenheit, auf Bregenzer Ache oder dem Vorderrhein aber schon mal ein kilometerlanges Marathonschwimmen mit hohem Unterkühlungsrisiko (auf der Murg sicher auch alles andere als spaßig). Das höchste Risiko beim Reinfallen und Schwimmen sind diese Bäume und Geäst im fließenden Wasser oder Spalten im Flussgrund und Siphons – schon die Vorstellung in so etwas hinein zu geraten treibt mir den Angstschweiss auf die Stirn und die paar Mal, die ich bei solchen Geschehnissen in nicht mal besonders schnell fließendem Wasser dabei war – alles ging gut aus – haben mich gelehrt, dass diese Risiken nicht zu unterschätzen sind. Mit Grauen kann ich fasziniert den Tanz von Holzblöcken im Rücklauf von Wehren beobachten und hole immer mitfühlend Luft, wenn so ein Ding nach längerem Abtauchen wieder an die Oberfläche kommt. Ich habe ein ausgeprägtes Vorstellungsvermögen (bis hin zur Empathie mit Holzblöcken) und erlebe diese Risiken in meiner Phantasie sehr real. Gelegentlich beneide ich weniger sensible Charaktere um ihren unreflektierten Wagemut.
Gleichwohl wage ich zu behaupten dass eine der Schlüsselerfahrungen beim Paddeln die immer wieder vollzogenen Erfahrung der Angstüberwindung ist. Da traut man sich doch mal die vorher nie gewagte Abfahrt über ein Wehr oder wagt die Überquerung des Flusses an der Stelle mit den hohen Wellen. Wenns gut gegangen ist setzt so ein Befriedigungsgefühl ein, dass ohne die vorhergehende Angst (Respekt?) längst nicht so ausgeprägt sein kann.
Die Gefahren der Nacht schrecken mich auf trockenem Boden wesentlich weniger. Ich kann zwar draußen nie richtig gut schlafen aber wenn ich ein Zelt um mich herum weiß fühle ich mich – trotz Erfahrung des Gegenteils – einigermaßen sicher.
Axel
P A D D E L B L O G - "Everyone must believe in something. I believe I'll go canoeing" Henry David Thoreau
Hallo Wolfgang, nachdem dieser Beitrag wohl auf mich abzielt, werde ich wohl oder übel dazu Stellung nehmen müssen. Abgesehen davon, dass ich auf solchen kleinen Ausflügen nicht mit mehreren Packs unterwegs bin, sondern nur mit einem Tagesrucksack mit Wechselkleidung, Regenzeug, Sonnencreme, Getränk und einem Snack, geht es dabei nicht um "gesunde" Ängste vor Stromschnellen, gebrochenen Beinen, Ertrinken etc., sondern um irrationale Ängste, die sich in Panikattacken mit all ihren Konsequenzen äußern. Im Schwesterforum von SOTP, bei Bushcraft, gab es auch einmal eine interessante Diskussion über das Thema, das den Kern der Sache ähnlich wie der Thread auf Solotripping ziemlich genau trifft: http://www.bushcraftuk.com/forum/showthr...c+Attacks+woods
Ich glaube, dass diese Erlebnisse meist auf (oft verdrängte) traumatische Ereignisse in frühester Kindheit, mangelndes Selbstvertrauen und Urvertrauen, blühende Fantasie und auch auf die unvertraute Umgebung, Dunkelheit, Geräusche in der Nacht, wehrlos ausgeliefert sein etc. zurückzuführen sind. Ob allein, zu zweit oder in einer Gruppe, spätestens nachts im Schlafsack ist jeder mit seinen Gedanken allein und mögen diese Gedanken noch so verrückt sein. Dies ist der Stoff, der einem die Nächte zur Qual machen kann. Und dann kommt das schlimmste Gefühl von allen, die Angst vor der Angst, die rational noch unbegründeter ist als die eigentliche Angst. Und diese kann schon lange vor dem eigentlichen Trip einsetzen und diesen unmöglich machen. Ein Grund dafür, dass ich jetzt schon seit 12 Jahren nicht mehr in meinem Lieblingsoutdoorland Schweden war... Dies geht so weit, dass allein der Gedanke an eine Tour beim Rauchen einer abendlichen Zigarette vor dem Haus eine Attacke hervorrufen kann und meine Lungenfunktionen fast vollständig zum Erliegen bringen kann...
So, jetzt bin ich geoutet und kann mich bei keinem der Treffen mehr sehen lassen (Mark, bitte meine Anmeldung beim Kringeln stornieren...)
Liebe Grüße an diesem wunderschönen Ostermontagmorgen (und traut euch aus euren Löchern, ich will wissen, ob ich damit ganz allein dastehe...)
Ich glaube, dass die Briten für das von Heinz (ich würde Dich sehr gerne beim Treffen am Gobenowsee sehen) ein deutsches Wort als Fremdwort übernommen haben: ANGST!
Normale Angst ist für ein Überleben absolut notwendig. Überwinde ich sie durch Beiseiteschieben, ist es Dummheit. Überwinde ich sie durch Überlegung und kompetentes Abwägen, ist es Mut. Panik wirkt manchmal tödlich. Mit mutmachenden Grüßen Dull Knife
Es gibt eine schöne Weisheit, die Sir Peter Ustinov zugeschrieben wird, wenn ich mich recht entsinne: "Mut ist oft Mangel an Einsicht, während Feigheit nicht selten auf guten Informationen beruht..."
Wenn man so weit ist, eine eigene Angst als irreal zu erkennen, ist man schon einen großen Schritt weiter.
@ Martin: ich würde mich auch freuen, zu Franks Treffen zu kommen, mal sehen, was sich so ergibt...
@ Markus: danke für diese klugen Worte, wobei ich mich nicht unbedingt als ganz feige betrachten würde, nur manchmal, öfter, immer??? Und ob das Erkennen der Irrationalität im Falle einer Panikattacke wirklich hilft, möchte ich bezweifeln, denn genau dann, wenn die Rationalität am meisten gefragt wäre, ist sie plötzlich komplett verschwunden...
Danke für eure Reaktionen, auch jene per PM, es ist aufbauend, oft unbekannterweise aufmunternde Ratschläge und Tipps zu bekommen...
@ Mark, ich hoffe, du hast den Scherz hinter meiner Abmeldung verstanden, nach dem Motto: jetzt erst recht!!!
in der freien Natur kenne ich das nur als klassische (unbegründete) Instinktangst nach dem Klischee nachts allein im dunklen Wald
sehr viel konkreter wird das ganze dann schon im Wildwasser und Slalom - da gibt es die begründete Angst, etwa vor Siphonen etc und die unbegründete, die auch beim Training auf künstlichen Slalomstrecken auftritt, wo normalerweise gar nichts passieren kann. Natürlich kann, kann immer, aber das ist beim über-die-Straße-gehen genauso der Fall und nicht der Grund für die Angst, von der ich spreche
ich habe folgende Mittel im Umgang mit dieser Angst gefunden: 1) (kompetente) Freunde: sie können mich zur Not aus dem Bach fischen oder sonstwie helfen, und allein das und ihre Anwesenheit vermittelt viel Sicherheitsgefühl 2) funktionierende Ausrüstung: Boot und Paddel müssen vertraut sein(um sich aufs wesentliche, nämlich paddeln, konzentrieren zu können) und funktionieren (wenn ich weiß, dass im Notfall der Ausstieg aus dem Boot funktioniert, hab ich automatisch weniger Angst und fall meist gar nicht erst rein) 3) die eigenen Fähigkeiten: wenn ich etwa weiß, das die Rolle zu 95% klappt, habe ich weniger Angst weil die folgen eines Fahrfehlers weniger schlimm ausfallen. Kentere ich doch, habe ich im Wildbach unter Wasser totale Panik, aber die Reflexe retten mich dann, wenn der Körper aus Gewohnheit schon rollt während der Kopf noch Angst vorm Aussteigen hat. Nicht immer ist nun eine Rolle möglich, ich wollte hier nur das Prinzip verdeutlichen, dass man gefürchteten Dingen, wie etwa einer Kenterung, ihren Schrecken nimmt. 4) bewusster Umgang mit der Angst: man fragt sich: warum habe ich Angst? Ist sie begründet? Wenn ja, Risiko gut abwägen und vielleicht nicht fahren - wenn nein, muss man irgendwann hart sein und trotzdem, aber dann entschlossen, fahren. Beispiel: Letztes Jahr um die Zeit sollte ich einen Bach im 3. Level befahren, dessen ich sehr wohl fähig bin, es waren viele gute Fahrer mit dabei - und ich hatte trotzdem Bauchweh vor Angst. Dann habe ich überlegt, warum...und mir selber klargemacht, dass ich keine Angst haben muss. Bei der Fahrt hatte ich dann Riesengaudi. Auch im Training tritt diese Angst auf, dann warte ich einen Moment, entschließe ich mich bewusst für das fahren und führe alle Bewegungen konsequent und entschlossen durch. 5) Ein anderer Fall derselben Angst, am Beispiel (auch letzten Sommer) einer Kenterung auf der Imster Schlucht in einem bösen Strudel - zwar konnte ich rollen und wegpaddeln, aber noch heute bekomme ich Gänsehaut beim Gedanken daran. Mit ein Grund ist, dass ich generell Angst vor Wuchtwasser habe. Lösung des Problems? Keine Ahnung. Klar, üben üben üben, damit durch bessere Bootsbeherrschung auch im schwierigen wasser so was gar nicht passiert. Aber ein Rest Angst wird immer bleiben, denn ich durch Gewöhnung (unter sicheren Bedingungen so was immer wieder fahren) aber auch durch mentale Arbeit lösen muss.
Jetzt überkommt mich auch mal die Lust mich zu diesem Spannenden und vielseitigen Thema zu äußern (dann muss ich in der Zeit nicht's anders tun :P)
Es gibt ein altes japanisches Sprichwort: "Angst kann Weisheit bannen - die Weisheit jedoch kann Angst nicht bannen".
Das erklärt sich leicht, wenn man sich ansieht wie unser Hirn funktioniert. Der älteste Teil unseres Hirns - mache nennen es auch das Reptiliengehirn - ist darauf ausgelegt genau eine Funktion zu erfüllen: dafür zu sorgen, dass wir überleben und uns reproduzieren können! In diesem Bereich entstehen Gefühle wie Angst und Agression. Er nimmt permanent eine art Filterfunktion unserer Sinneseindrücke wahr um zu entscheiden:"Ist das gefählich oder nicht?" Das funktioniert zum größten Teil ausserhalb unseres Bewusstseins, besser gesagt 1-2 Sekunden bevor uns etwas bewusst wird. Da dieser Teil unserem bewussten Denken vorgeschaltet ist haben wir darauf fast keinen bewussten Einfluss. Hirnforscher gehen derzeit sogar soweit zu sagen, wir haben überhaupt keinen Einfluß auf unser Unterbewusstsein. Die Entscheidungen finden dort statt und dass Bewusstsein ist sozusagen nur der "Regierungssprecher" der diese Entscheidung rechtfertigt. Neben begründeten Ängsten schleppen wir auch jahrtausende alte Urängste mit uns herum, die heute nicht mehr begründet sind. Aber dennoch "vernünftige" Entscheidungen verhindern können. So zum Beispiel die Angst sich zu blamieren. Gehen wir mal zurück in die Steinzeit: Hat man früher etwas getan was geeignet war die Anerkennung der Gruppe zu verlieren, so konnte das in einer Zeit in der die Gruppe das Überleben sicherte das Todesurteil bedeuten "You got kicked of the island and died". Man hätte keine Gelegenheit mehr sich zu reproduzieren. Dazu gehört auch die Angst vor dem Scheitern. Eine Angst die dafür sorgt dass wir in der einen oder anderen Situation den "Arsch" einfach nicht hochbekommen. Das Reptilienhirn wird es uns einfach nicht erlauben. Das fiese ist, je mehr man es versucht, desto schlimmer wird es. Man findet immer mehr Gründe etwas nicht zu tun. Dem kann man entgegenwirken, wenn man versucht zu ergründen, welche der Urängste da gerade am Werk sind, und woher sie kommen. Oft sind es Erlebnisse die uns weit in der Vergangenehit geprägt haben.
Was das überwinden von Ängsten angeht: Ich persönlich glaube nicht dass man alle Ängste überwinden muss. Beim Paddeln reden wir doch meist von Freizeit. Da kann ich einer Angst auch schonmal einfach aus dem Weg gehen (Waldwasser statt Wildwasser), und mir Herausforderungen suchen, deren Bewältigung meinen Fähigkeiten besser entspricht. Je mehr dieser Herausforderungen ich meistere, desto mehr Belohnungsmomente erlebe ich. Deshalb sollten sie realistisch zu machen sein. Mann will ja schließlich Flow, und damit Spaß haben.
Möchte man dennoch eine Angst überwinden, so habe ich eine Methode die oft funktioniert: Ich vergegenwärtige mir die aktuelle Situation (am besten in Bildern). Dann stelle ich mir die Situation vor wie sie nach der Überwindung meiner Angst ist. Vor meinem geistigen Auge lege ich diese beiden Bilder übereinander. Das Hirn wird sofort in den offensiven, konstruktiven Modus versetzt und beginnt Wege zu suchen, die fehlenden Teile zwischen dem Ausgangsbild und dem Zielbild zu ergänzen. Probiert das auch mal aus wenn ihr z.B. mal wieder den Keller aufräumen wollt ;) Da spielen ja auch viele Ängste mit (Ist das viel Arbeit! Was werde ich finden, was vielleicht noch mehr Arbeit macht, werde ich gezwungen sein mich von etwas zu trennen?). Bei mir und vielen meiner Bekannten klappt's gut.
Mann war das wieder lang! In diesem Sinne - bleibt im Flow!
da ich viel mit dem Verein unterwegs bin, und auch oft als Verantwortlicher, gehe ich wie folgt vor:
- vor der Fahrt abklären wer dafür geeignet ist, und bei Bedarf auch mal jemanden daheim lassen (auch wenns weh tut) - nach dem Aufladen selbst die Gurte kontrollieren (auch wenn andere aufgeladen haben) - auf dem Wasser vorfahren, oder das einen anderen erfahrenen Paddler machen lassen - wenn ich mir an bestimmten Stellen nicht sicher bin aussteigen und scouten - beim Befahren solcher Stellen evtl. mit Wurfsack (...) absichern - manchen Mittpaddlern zum Umtragen raten - selbst entscheiden was ich fahre (hatte da auch schon einprägsamme Erlebnisse im Wildwasser) - immer mit Schwimmweste - wenn ich es für nötig halte mit Helm (auch wenn andere mit nacktem Oberkörper auf diesem Bach unterwegs sind) (auch wenn wir bei uns daheim auf Zahmwasser zum Üben in Schwällen unterwegs sind setzen wir den Helm auf, einmal gekentert, und du haust Dir den Schädel an, das muß nicht sein)
Was am Wichtigsten ist: "Ich muß mir und anderen nichts beweisen ... aus dem Alter bin ich raus"
das klingt jetzt wieder alles so rational und machbar - dabei hatte mich gerade Sebastians kluger Beitrag daran gemahnt, dass sich so vieles einfach nicht unter Kontrolle bringen lässt und dass man sich damit auch mal abfinden kann.
Ähnlich wie es mir nicht recht gelingen will Ordnung in mein Gerümpel zu bringen (Keller aufräumen) muss ich mir doch selbstkritisch eingestehen, dass ich längst nicht aus dem Alter raus bin, in dem ich mir (oder anderen) überhaupt nichts beweisen muss. Auch wenn ich mir alle Mühe gebe - blamieren will ich mich ja schließlich selbst dann nicht, wenn ich deshalb nicht - wie in grauer Vorzeit - gleich aus der warmen Höhle in die kalte Wildnis befördert werde...
Aber Du hast schon recht, damit, dass wir uns gewisse Sicherheitsstandards setzen und uns bemühen diese einzuhalten (bin letztens mit schlechtem Gewissen ohne Helm im Schwall herumgetobt und hatte jede Menge Spass dabei - bei offiziellen Vereinsausfahrten käme sowas überhaupt nicht in Frage) reduzieren wir das Risiko und die Notwendigkeit irreale blokierende Ängste zu entwickeln.
Axel
P A D D E L B L O G - "Everyone must believe in something. I believe I'll go canoeing" Henry David Thoreau
es ist ja auch nicht jeder Tag gleich und das Sicherheitsbedürfnis hängt auch mit dem eigenen Befinden zusammen.
Wenn ich einen schlechten Tag habe kann ich an einer schwierigen Stelle die Hosen voll haben und schultere mein Boot lieber, am nächsten Tag fühle ich mich gut und fahre die Stelle mit einem Grinsen im Gesicht runter.
Such Dir also einen Tag an dem es Dir gut geht zum Keller aufräumen
>>> ... reduzieren wir das Risiko und die Notwendigkeit irreale blokierende Ängste zu entwickeln. Blokierende Ängste, vor Angst erstarren, - dem kann man aber leider nicht mit Vernunft Argumenten beikommen. Das Hirn mag keine Statistiken. Auch wenn es um tausende Male gefährlicher in der U-Bahn, als an einen einsamen Flussufer ist. In der Bahn sitzt man ganz locker und entspannt und am Fluss bringt jeder Knax den Puls auf Fluchtgeschwindigkeit.
Beim Militär werden Ängste durch Drill übergetüncht. (Nicht unbedingt meine Wunschvorstellung von Freizeitgestaltung.)
Durch Training einer Gefahren Situation läßt sich die blockierende Angst aber auf später verschieben, Du reagierst mechanisch und später kommt der Schweißausbruch. Unfälle mit Canadiern sind ja zum Glück selten. Liest man etwas allgemeiner zum Wassersport Unfallberichte, so sind es oft Verkettungen kleiner Fehler, die zu einem großen Problem werden. Die Beteiligten haben die vielen kleinen Fehler nicht bemerk, hatten keine Angst, bis es zu spät ist.
Ich würde mich eher nicht als ängstlich einstufen, ich nehm aber trotzdem gern die Checkliste um zu prüfen ob ich auch Alles habe.
Wie heißt es so schön bei der Taufe: Allzeit sichere Fahrt. Andreas