„… föhnige Auflockerungen sind möglich“. Ja, diese Ansage mag ich besonders, denn sie verspricht fotogenes Licht beim Paddeln, am Lago del Predil. Der Osprey passt gut auf mein Auto, steht hinten keinen cm über – ich kann somit auf die lästige, aber in I vorgeschriebene Tafel zur „Langgutsicherung“ verzichten.
Prächtiger Sonnenschein bei der Anfahrt, gemischtes Wetter bei der Ankunft, aber jetzt doch zu starker und böiger Wind zum Paddeln- ich entscheide mich für eine Wanderung am Westufer mit Regenzeug und die Kamera darf auch mit. Im Wald ist das inzwischen spärliche Licht weiter gedämpft, die Stimmung irgendwie auch. Kreuz und quer liegen Bäume und Äste, Stürme haben ihre Spuren im Nadelwald hinterlassen. Knochig weißgrau, zieht sich der Fußweg durch eine Szenerie, aus der sich das Leben gefasst, aber mit Gewissheit zurückzieht. Im Uferwald finde ich noch Reste von „Herbstfärbung“, es sind nur wenige Sträucher, die sich widersetzen und deren Schmuck dem nächsten Regenwind wohl nicht standhalten wird. Die Buchen, die ich als Herbstmotiv in prächtigen Farben gedacht hatte, sind meist schon kahl. Meine Schritte führen oft über dichte Teppiche aus einheitlich braunen Blättern. Dazwischen, auf dem weißgrauen Weg, finde ich Farben im Kleinen. Weidenblätter von Schwarz, über Dunkelgrau und Braun, bis Grün und Gelb. Oder, große, fleischige Blätter einer Staude, die unfrisiert wirr liegend Ober- oder Unterseite zeigen mit einer unglaublichen Kombination aus Dunkelgrün mit einem silbrigen Blau. Die Farben des Kleibers habe ich einst für eine Fassadengestaltung verwendet, jetzt bin ich angesprochen, von den subtilen Nuancen des Herbstlaubes, nach ihrem Verglühen. Irgendwie morbid, aber anregend diese Palette!
Die Blätter einer Schneerose: sie will die letzten Sonnenstrahlen im fast kahlen Herbstwald einfangen. Kein Wunder: mit dem, was sie jetzt speichert, muss sie auskommen, um bei wenig Licht im Frühlingsschnee zu blühen. Auch junge Nadelbäumchen, weisen über die Zeit der stillen Erstarrung hinaus. Ihre schiere Anzahl gibt ihnen eine Chance.
Der Rückweg führt mich am Ufer entlang, über Sandbänke mit Wildspuren und über eine Wiese, die kein Ufer anzeigt. Oft über, manchmal unter Wasser, selten in längeren gleichbleibenden Bedingungen haben sich die Pflänzchen an Ihr Umfeld angepasst.
Ein letzter Blick, auf den Fünfspitz im Osten, dann gehe ich zurück, durch das jetzt trockene Bett des Seebachs, der vom Sella Nevea herunterkommt. Jetzt friedlich und trocken, aber ich habe es schon erlebt: er kann auch anders und dann ist er ein Rocker der fiesen Sorte. Zurück, am Weg, sehe ich im weichen Sand wieder Spuren von Wild. Vom Reh und von Hunden der Besucher am See… Im Auto dann, schmecken Getränk und Jause, einkehren wollte ich nicht, in diesen Zeiten. Kurvenfahrt. Plötzlich und völlig unerwartet schießt mir heiß, das Adrenalin durch den Körper: war da nicht auch ein über handgroßer Abdruck, mit fünf, fast kreisrunden Marken und davor ebensovielen Punkten? Ach was … spinn nicht rum … gibt es hier ja gar nicht. Na ja, eigentlich schon, aber …..
Einen Stopp mache ich noch an der Slizza, wie die Gailitz hier in Italien heißt. Türkises Wasser umspült weißgraue Steinbrocken aus Kalkgestein. Und große dunkle, wie rostig wirkende nahezu kugelförmige. Die ungewöhnlichen braunen Kugeln sind eine geologische Laune der Natur, ich habe darüber gelesen, aber ungenutztes Wissen ist flüchtig. Mit der Sonne im Rücken, genieße ich bei der Heimfahrt ein Bilderbuch: beginnend an den Felswänden des Dobratsch, durchs Rosental... Die Autobahn meide ich, der Umweg über den „Gupf“ ist jede Minute wert.
Der Osprey blieb heute am Auto, dennoch war das „Distanzhalten“ ganz einfach. Eine Frage: Redet Ihr manchmal mit Euch selbst? Nein, ich nicht!
Ich hoffe, Wind und Wetter werden bald passen, denn mir fallen so viele schöne Strecken ein: das kann man in zehn Herbsten kaum erpaddeln.
Was für wunderschöne Bilder in den Westlichen Juliern. le Cinque Punte im hintergrund. Es müssten mehr schöne Gewässer geben in diese schöne Berglandschafft zum kanufahren. Nächstes mal eine kleine runde auf die Laghi di Fusine? Vielen Dank für die schöne Bilder Wolfgang.
Gruß, Gregor
"..as one goes through life one learns that if you don't paddle your own Canoe, you don't move." K. Hepburn