Hallo Leute, wir sind gerade von unseren Pfingstausflug in den Drage-Nationalpark zurückgekommen, wo wir bei mehr oder weniger durchwachsenem Wetter 2 längere Wanderungen im Gebiet des Plötzenfließes gemacht haben. Deshalb kommt der Bericht über unsere Himmelfahrtstour auf der Persante erst heute.
Die Persante kenne ich bereits von einer Tour im Oberlauf und einer weiteren Tour in Mittel- und Unterlauf aus dem zeitigen Frühjahr 2009. Für dieses Jahr wählten wir uns den einfach zu befahrenden Unterlauf aus.
Die Persante ist ein 155 km langer Kleinfluss in Hinterpommern (pol. Parsęta, heute Województwo zachodniopomorskie). Während unserer Befahrung hatte sie im Mittellauf einen Durchfluss am Pegel Belgard/Białogard von knapp unter 8 m³/s und im Unterlauf am Pegel Bartin/Bardy ~18 m³/s. Das sind relativ gute Durchflüsse angesichts des trockenen Winters, Frühjahrs und Vorjahres.
Mittwoch, 24.5.2017 Mittwoch Nachmittag machen wir uns auf den Weg, knapp 300 km von Berlin die Autobahn hoch nach Stettin und weiter im Dauerregen auf guten Landstraßen bis zum Startpunkt Boissin/Byszyno. Dort befindet sich ein ehemals gut ausgebauter Biwakplatz am Ufer der Persante. Wir bauen Zelt und Boot auf und kochen etwas zum Abendbrot, bis uns der in der Dämmerung wieder einsetzende Regen ins Zelt treibt (Foto).
Himmelfahrtstag, 25.5.2017 Am nächsten Morgen scheint die Sonne, und so soll es auch die nächsten Tage bleiben. Mein Vertrauen in die Wettervorhersage ist so groß, dass ich die Spritzdecke gleich zuhause gelassen habe.
Der Biwakplatz hat sich seit 2009 stark verändert. Die ehemals soliden offenen Sitzgruppen sind engen überdachten Bank-Tisch-Kombinationen gewichen, und der Bootssteg ist weitgehend verfallen (Foto). Es liegt viel Müll herum. Aber davon lassen wir uns nicht groß stören und frühstücken bis in den späten Vormittag. Dann fahre ich das Auto weg ins nächstgelegene Gehöft an der Straße und stelle es bei freundlichen Leuten auf dem abgeschlossenen Hof unter.
Kurz nach 11 Uhr starten wir unsere Tour auf dem Wasser. Der Fluss windet sich in engen Mäandern durch die Landschaft. Ab und zu liegen Bäume im Wasser (Foto) und an einer Stelle muss Andrea aussteigen, so dass ich das voll beladene Kanu über einen Baumstamm heben kann. Die Ufer sind oft steil und schlammig oder von dichter Vegetation bewachsen. Drumherum stehen undurchdringliche Weidendschungel, Erlenbrüche, frischgrüne, lichte Hochwälder, oder blumenreiche Wiesen und Weiden. Zu dieser Jahreszeit ist die Landschaft eine Augenweide.
Das Wasser der Persante ist dagegen trüber als ich es von der Befahrung 2009 in Erinnerung hatte. Ich vermute, das sind die Abschwemmungen von den Feldern durch die Starkniederschläge der letzten Tage.
Gegen 3 Uhr erreichen wir Belgard/Białogard. Die OpenStreetMap verrät uns, das nur 200 m vom Fluss entfernt ein Biedronka steht. Andrea geht es nicht gut, sie braucht schwarzen Tee und Salzstangen als Schonkost. Leider wird dieser Supermarkt gerade umgebaut, und so muss ich 500 m weiter zum nächsten pilgern.
Hinter Belgard ist die Persante ein begradigter, eingedeichter Fluss. Auf der Strecke Belgard-Körlin wurde der Flußlauf von ehemals 23.6 km auf 13.7 km verkürzt. Man fühlt sich fast wie auf einem deutschen Fluss, wenn die Stille nicht wäre. Keine Verkehrsgeräusche, nicht einmal aus weiter Ferne. Am Ende der eingedeichten Strecke erreichen wir ¼6 das Kraftwerk Rostin/Rościno. Das Kraftwerk wurde 1936 als erstes Unterwasserkraftwerk der Welt gebaut. Ich habe es 2009 noch so kennengelernt. Vor 3 oder 4 Jahren wurde das alte Unterwasserkraftwerk jedoch gegen eine neu erbautes, konventionelles Wasserkraftwerk ersetzt (Foto). Da die Turbinen die wandernden Lachse und Meerforellen zerschnitten, wurde zusätzlich eine Fischtreppe erbaut. Als wir jetzt das Boot um den Damm umgetragen haben, war offenbar eine Gruppe Biologen dabei, die Wirksamkeit der Fischtreppe zu untersuchen. Bei YouTube finden sich eine Reihe von Filmen, die den illegalen(?) Lachsfang in der Parsęta zeigen. Es sind schon beeindruckende Fische, die sie dort herausholen, und man glaubt erst gar nicht, dass das in Mitteleuropa möglich ist.
Eigentlich wollen wir nun unterhalb des Wasserkraftwerkes eine geeignete Übernachtungsstelle finden, aber das will uns nicht gelingen. Die Ufer sind meist steil und von dichtem Wald bewachsen. Erst nach fast 11 km, direkt am Ortsausgang von Körlin/Karlino, finden wir ein Stück Uferwiese für unser Zelt (Foto). insgesamt sind wir heute 31½ km weit gepaddelt.
Freitag, 26.5.2017 Der nächste Morgen beginnt noch freundlicher als der Vortag. Es ist sonnig und warm. Nebenan bereitet ein Pole aus Karlino sein Outdoor-Frühstück: 1 kg im Feuer geröstete Kartoffeln. Wir unterhalten uns ein wenig, und teilen Bier und Kartoffeln. Später versuche ich, Trinkwasser zu besorgen. Ich frage am nächstgelegenen Gartengrundstück, und muss erfahren, dass es hier keine Wasserleitung gibt. Die Besitzerin bietet mir dennoch einen 5-L-Plastikbehälter mit Quellwasser an. Eigentlich will ich das gar nicht annehmen, denn das Wasser wurde aus großer Entfernung von einer Quelle geholt. Aber sie besteht darauf, dass ich es mitnehme.
¾1 sind wir wieder auf dem Wasser. Heute paddeln wir knapp 20 km bis zu einem ausgebauten Rastplatz. Es gibt nur noch ganz wenige Baumhindernisse, die überwunden werden müssen (Foto). Der gesamte Abschnitt ist sehr naturnah, ruhig, und von herrlichen Buchen-, Eichen, und Kiefernwäldern umgeben. Auf einer sonnigen Lichtung im Wald machen wir Mittagspause und weihen die neu erworbene Hängematte ein. Danach wird das Tal etwas breiter, und die Talsohle von aufgelassenen Feuchtwiesen begleitet. In den Weidendickichten grunzen die Wildschweine und lassen sich ab und an auch mal blicken.
Ansonsten sehen wir mehrfach dösende Rehe am Ufer, die uns zum Teil nicht einmal bemerken (Foto). Ein sehr friedliches Bild, Menschen scheinen hier nur selten vorbeizukommen.
¼ nach 6 erreichen wir den Rastplatz Piotrowice/Włościbórz (dt. Peterfitz/Lustebuhr), der mir bereits von 2009 bekannt ist. Aber wie hat er sich verändert! Der Anlegesteg ist nahezu verfallen, und ein 20 m breiter Verlandungsstreifen behindert den Zugang. Auf der großen offenen Wiese finden wir nur noch Reste der ehemaligen Sitzgruppen, eine vereinzelte Feuerstelle und einen umgeworfenen Tisch (Foto). Ein Label unter einem Tisch verrät, dass diese Möblierung im Rahmen eines InteReg-Projektes 2004-2006 mit EU-Geldern finanziert wurde.
Dennoch, die schöne offene Landschaft um diesen ehemaligen Rastplatz lädt zum Verweilen ein. Ich gehe auf Wunsch einer einzelnen Dame 700 m zu einem Waldbach, um Brauchwasser zu holen, und kann dabei Fuchs und Hase beim Gute-Nacht-Sagen zuschauen. Anschließend kochen wir noch eine Erbswurst. In der Dämmerung werden Mücken und vereinzelte Kriebelmücken aktiv und lassen uns schnell im Zelt verschwinden. Kraniche rufen in der Nähe.
Samstag, 27.5.2017 Der Samstagmorgen startet wieder sonnig und noch ein Stück wärmer als der Vortag. Um 11 Uhr geht es los. Nach wenigen hundert Metern entdecke ich eine Quelle am Ufer, wo wir unsere 6-L-Wasserflasche mit Trinkwasser auffüllen können. Weiter geht es durch die ehemalige Wiesenlandschaft, umrahmt von bewaldeten Hängen. An einem besonders schönen Platz auf einem Hochufer machen wir zwei Stunden Siesta in der Hängematte (Foto). 2009 begegnete uns hier noch der einzige Paddler auf unserer Tour, dieses Jahr sind wir dagegen ganz alleine auf dem Fluss.
Gegen Ende des Tages nähern wir uns bereits der Stadt Kolberg/Kołobrzeg. Hier wird es wieder etwas schwieriger, einen geeigneten Zeltplatz zu finden. Jedenfalls dann, wenn er nicht von allzu nahen Zivilisationsgeräuschen gestört werden will. Nach kanpp 19 km landen wir um ½6 an einem röhrichtbestandenen Ufer an und ziehen das Boot an Land. Oben Zelten wir auf einer weitläufigen Wiese. Ein einsamer toter Baum soll Feuerholz spenden. Leider ist es aber wohl eine unpassende Art, denn das Holz ist so zähe, dass man es nur mit viel Mühe brechen kann. Nur vereinzelte Zweige, die schon länger abgestorben waren, sind mürbe genug, um von mir gebrochen zu werden. Das reicht gerade mal wieder für den Künzi.
Sonntag, 28.5.2017 Am letzten Tag unserer Reise kommt zur vielen Sonne noch eine gehörige Brise Wind. Zum Glück weht er aus Richtung Süd und treibt uns mehr oder weniger voran. Nach 3½ km erreichen wir die Straßenbrücke am Ortseingang von Kolberg (Ulica Młyńska). Hier kenne ich aus dem Jahre 2009 einen gefährlichen Schwall direkt unter der Brücke, den wir damals nur wegen dem hohen Durchfluss der Persante links befahren konnten. Heute gehe ich davon aus, dass wir wegen dem geringen Durchfluss umtragen müssen. Als wir uns der Brücke nähern, finden wir keinerlei geeignete Anlegemöglichkeit. Aber der langhalsige Blick auf den Schwall zeigt, dass er befahrbar sein müsste. Offenbar steht das Unterwasser ( = Ostseespiegel) heute viel höher als damals, so dass der Schwall nahezu abgesoffen ist. Pfff, Glück gehabt, hätten wir wirklich Umtragen müssen, wäre das eine üble Sache geworden. Der Wasserstand im Unterwasser lässt sich am Pegel Kolberg ablesen, der heutzutage online verfügbar ist. Zum Zeitpunkt unserer Passage 28. Mai 2017 10:18 lag Pegel Kolberg bei ~494 cm.
Wir paddeln quer durch die Stadt (Foto Kolberger Dom) und erreichen das Hafengelände. Hier liegt gleich hinter der neugebauten Brücke (Most Portowy) links eine große Marina, auf der wir später abbauen wollen. Zunächst aber soll unsere Reise gekrönt werden durch die Fahrt bis aufs Meer. Wo gibt es das sonst noch in der Nähe, dass man von einem schönen Wanderfluss direkt aufs Meer hinausfahren kann?
Im Hafen von Kolberg ist eine Menge los heute (Foto1, Foto2). Tausende Besucher flanieren auf den Promenaden und am Strand. Mehrere auf "historisch" getrimmte Touristenkutter laden Gäste ein und fahren mit ihnen eine Runde auf der Ostsee. Von dieser Seite her werden wir auch tatsächlich mal unfreundlich angemacht. Nach 1½ km durch den Hafen erreichen wir die Ostsee (Foto). Trotzdem der Wind ablandig weht gibt es spürbaren Wellengang. Der Strand links der Mole von Kolberg ist militärisches Sperrgebiet, rechts touristisch erschlossen und nicht besonders geeignet als Rastplatz für Kanus. So kehren wir rasch wieder um. Wir lassen ein heimkehrendes Wikingerschiff passieren (Foto) und wechseln auf die rechte Seite der Fahrrinne. Nach 600 Metern im Hafen kommt uns die Küstenwache auf einem großen Schlauchboot entgegen. Sie lotsen uns in ein Becken des Militärhafens und belehren uns darüber, dass der Hafen ohne Erlaubnis des Hafenkapitäns nicht befahren werden darf. Diese müsste man per Seefunk anfordern, aber Kanus würden diese Erlaubnis gewöhnlich nicht erteilt bekommen. Die Kapitäne der Ausflugsschiffe hätten sich beim Hafenkapitän beschwert und dieser hat daraufhin die Küstenwache alarmiert. Darum sitzen wir jetzt hier fest. Vor ein paar Jahren war es noch erlaubt. Die Kontrolle unserer Personalien dauert rund eine Stunde. Wahrscheinlich haben die vier Besatzungsmitglieder des Küstenwachbootes die Gelegenheit genutzt, um einmal das Schengen-Informationssystem auszuprobieren. Alles lief sehr freundlich ab, und wenigstens ein Offizier sprach Englisch. Am Ende musste ich ein Protokoll unterschreiben und das war es dann. Anschließend wurden wir zur Marina eskortiert.
Dort beendeten wir unsere Bootstour, deponierten das Gepäck im Schatten der Brücke, bauten das Boot ab und ich zog los, das Auto zurückzuholen. Ein Regionalzug (Foto) brachte mich in 50 min vom Bahnhof Kolberg bis Bhf. Kiefheide/Podborsko, von wo aus ich noch 7 km laufen bzw trampen musste ehe ich am Auto war. Nach insgesamt 3 h war ich wieder zurück auf der Marina. Wir verpackten alles Gepäck im Auto und spazierten noch eine Runde auf die Kolberger Strandpromenade. Dann ging es wieder nach Hause, wobei wir wieder starke Gewitter querten. Auf den Wetterbericht war jedenfalls Verlass. Nach 275 km staufreier Fahrt waren wir eine Viertel Stunde vor Mitternacht wieder zu Hause.
Das habe ich damals 2009 gefilmt, nicht mit einer GoPro, sondern eine Olympus C5050 (mit damals noch recht geringer Videoauflösung). Diesmal sind wir in der Mitte durchgefahren, aber wie gesagt, es war zum größten Teil abgesoffen.
Und wie gesagt, das war damals bei Hochwasser der Persante ganz gut befahrbar, diesmal habe ich mit herausragenden Steinen gerechnet.