In der DDR wurde man, soweit ich mich erinnere, als Pionier Mitglied in der DSF (Deutsch-Sowjetische Freundschaft). Ich hatte ein Mitgliedsheft und wahrscheinlich bekam ich auch einmal einen Brief aus dem Bruderland. Beides ist jetzt weg, aber dafür habe ich seit kurzem zwei echte Freunde aus der Sowjetunion..äh..Russland. Genaugenommen aus der Nähe von Krasnojarsk, Sibirien. Und das kam so: Die beiden Freunde Tjoma und Kostja verbrachten im Rahmen des Europäischen Freiwilligendienstes ein Jahr bei einem mecklenburgischen Verein (Grüner Grashalm e.V.). Beide waren interessiert an Bootsbau und erfuhren, daß ich in ihrere Nähe einen Kanadierbau-Workshop durchführte, das war im Sommer 2010. Also nahmen sie Kontakt auf und fragten, ob sie etwas mithelfen können. Das konnten sie. Der eine, Tjoma, sprach schon hervorragend deutsch. Kostja war noch nicht so lange in Deutschland, war aber glücklicherweise des Englischen mächtig, Ich, nebenbei gesagt, kann kein Russisch mehr. Aber deutsch und englisch geht ja ganz gut. Zu dumm nur, daß Tjoma gar kein englisch versteht. Na ja, es war ein lustiges Hin und Her, aber das nur am Rande. Beide waren also einige Tage mit dabei, saugten alles auf und fanden den Bau eines Wood/Canvas-Kanadiers sehr spannend. Und ich sah, daß sie tüchtige Handwerker sind. Tjoma ging schon bald zurück in die Heimat, festen Willens, dort etwas mit Bootsbau anzufangen. Sein Freund Kostja hatte noch ein halbes Jahr in Deutschland. Der erlebnispädagogische Verein, bei dem er gerade arbeitete, bekam die Idee, aus dem Interesse der jungen Russen ein Projekt zu machen. Und so klopfte Kostja wieder bei mir an, diesmal in Potsdam, und schon bald half er mir beim Bau einer neuen Bauform. Ausgestattet mit neuem Wissen und den Rissen für eine Kanadierform fuhr er wieder nach Mecklenburg. Als ich ihn dort einige Monate später besuchte, stand im Vereinsgebäude die Form und darauf schon ein halbes Kanu. Hier wurde nicht gekleckert. Eine zweite Form fuhr in Einzelteilen im Sommer 2011 mit einer deutsch-russischen Jugendgruppe im Zug nach Sibirien. Dort lief nach einer zweiwöchigen Bauzeit ein weiterer Kanadier vom Stapel. Etwas später bekam ich Bilder zugeschickt - der wahrscheinlich erste W/C-Kanadier vor malerischer sibirischer Kulisse (wage ich mal zu behaupten). Die Geschichte endet hier aber noch nicht. Tjoma war ja nun schon etwas länger zu Hause. Er hatte in der Zwischenzeit ein wenig geforscht und etwas über den traditionellen Bau von Einbäumen erfahren. Anhand des vorhandenen Kanadiers baute er den ersten „Dugout“, es folgten weitere. Gerade wurde die Nummer 5 fertig (Gewicht übrigens 35 kg). Und ganz aktuell wird geplant, Birkenrinde zu ernten und ein Rindenkanu zu bauen. Es ist noch nicht ganz spruchreif, aber eventuell soll das im nächsten Jahr in Deutschland stattfinden. Ich bin gespannt, gerade in Hinblick darauf, ob sich die sibirische Birkenrinde eignet. Ich habe diesen langen Text aber nicht ganz umsonst geschrieben. Ich würde mich freuen, wenn der Eine oder die Andere eine Meinung zu dem ganzen Projekt hätten. Konkret interessiert die sibirischen Freunde, ob da auch etwas interessant ist für den deutschen Markt, denn natürlich haben sie ein Interesse daran, das Angenehme mit dem Wirtschaftlichen zu verbinden. Wir haben schon über einige Möglichkeiten gesprochen. Geführte Touren im selbstgebauten Boot, Baukurse, Verkauf nach Deutschland etc.... Wo seht ihr da Möglichkeiten. Ganz aktuell fragt sich Tjoma, ob man so einen Einbaum hier verkaufen könnte? Über einige gute Beiträge würden sich Kostja und Tjoma freuen.
das liest sich interessant. Anstelle der beiden würde ich das ganze Unternehmen unbedingt dort in Sibirien aufbauen. Bootsbaukurse und Touren. Da sie deutsch können wäre eine Zielgruppe ja schon mal klar. Und Sibirien, dass ist doch sicher ein interessantes Ziel für viele hier.
Da kann ich mich Peter nur anschliessen. Sibirien ist für viele noch ein Traumziel zum paddeln. Ich könnte mir gut vorstellen das da was geht und dann auch noch mit WC-Canadiern......
Die Geschichte gefällt mir. Es könnte sinnvoll für die beiden sein, sich mit schon vorhandenen Reiseanbietern nach Sibirien in Verbindung zu setzen. Da gibt es ja bereits einige mit ganz unterschiedlicher Prägung, welche die Organisationsstruktur und Logistik, um die Kundschaft heranzubringen, schon haben. So etwas aus dem Nichts selbst zu entwickeln, dürfte nämlich schwierig sein. Die Nachfrage nach Touren in Sibirien (zumal mit so schönen Booten anstelle der üblichen Plastikwannen) dürfte jedenfalls da sein. Vielleicht entwickeln sie ausgehend von den Booten aus Naturmaterialien ein entsprechende Tourkonzept, einen eigenen Stil. Viele zivilisationsmüde mitteleuropäische Städter fahren doch sicher voll auf so was ab.
Hallo André, aus dem Umfeld der beiden Bootsbauer kenne ich Mascha aus Krasnojarsk, die hat bei mir mal einen Tageskus auf der Warnow mitgepaddelt. Über sie ist mir ein Teil der Geschichte schon schon bekannt, auch dass im letzten Jahr dort zwei Hütten / Häuser abgebrannt sind und das Tourismus-Projekt wieder etwas zurückgeworfen ist.
Ich bin gespannt, wie sich die Dinge entwickeln werden ....
so ein Einbaumkanu könnte ich mir gut als Zweitkanu vorstellen. Sollte dies in Mitteleuropa zu einem vernünftigen Preis erhältlich sein wäre es eine tolle Sache.
Hallo Thomas, das ist schön zu hören. Ich persönlich hatte bisher gar kein Gefühl, ob Leute wohl Interesse hätten, ein derartiges Kanu zu kaufen. Insgesamt wäre es für mich zuerst einmal spannend, so ein Boot zu paddeln. Ich kenne es bisher ja auch nur von Bildern. Aber beeindruckt war ich in jedem Fall schon davon, wie leicht das Resultat ist, hätte ich gar nicht für möglich gehalten. Ich muß mal herausfinden, welche Baumart das ist, das ist mir noch nicht klar.
Ich denke das könnte Pappel sein. Die gibt es auch in Sibirien, ist entsprechend groß und leicht, und ist leicht zu bearbeiten, wenn das Werkzeug scharf ist. Bei uns wurden früher Schlachttröge und Mollen daraus gemacht. Die sind ja auch nichts anderes als kleine Einbäume. Ich würd gern wissen, wofür die gleichmässig verteilten Punkte ( erstes Bild) gedacht sind. Sind das vielleicht verschlossene Bohrungen zur Wandstärkenkontrolle? Gruß Olaf
im Südpazifik bin ich schon mal mit einem Einbaum gepaddelt, da war der Baum jedoch wesenlich schmaler. Stell Dir vor, Du gehst an ein Holzkandiertreff mit diesem Boot, alle Blicke werden darauf gerichtet sein. Natürlich nicht nur dort, doch für mich als angefressener Flusspaddler sind die schönsten Boote tabu... jedoch würde es mich schon reizen mit so einem Einbaum auf einem See oder auch mal auf dem Hochrhein damit rumzukurven. Desshalb hätte ich schon Interesse daran, so ein Boot zu kaufen. Vorausgesetzt es lässt sich vernünftig paddeln, löst sich nicht im Wasser auf und der Preis ist nachvollziehbar. Natürlich wäre es vorteilhaft, das Boot vorgängig zu testen, nach Möglichkeit irgendwo in Mitteleuropa.
Oh, Sibierien ist wirklich toll, nur muss man immer ein wenig aufpassen, dass man die richtige Jahreszeit erwischt, sonst kann es entweder wahnsinnig heiß oder wahnsinnig kalt dort sein. Mein Bruder hat vor ein paar Jahren in Nowosibirsk ein PC Center mit eingerichtet, bevor ich ihn besuchte, hatte ich schon überlegt Wintersachen einzupacken aber gott sei dank nochmal recherchiert - als ich dort ankam, waren es immer um die 40° und unglaublich trocken, Paddelausflüge in den Rest des Landes konnte man da völlig vergessen, zumal ich bei solchen Temperaturen auch gern mal auf dem wasser einen Kollaps bekomme - war aber seitdem öfters im Herbst und im Frühjahr dort, da ist die Landschaft auch unglaublich schön, schade, dass Sibirien in Deutschland als Reiseziel so unbekannt ist.
Walter Dick organisiert wohl jedes Jahr eine länger Kanutour in Sibirien. Die Bilder (vor allem diejenigen von den gefangenen Fischen)und Berichte machen klar ... die Gegend gehört auf die ToDo Liste.
Gruß Holger
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Reisen nach Krasnojarsk Ich musste erstmal schauen wo das liegt, immerhin 84 Längengrade östlich -> sieben Flugstunden, ca. 1 Mio. Einwohner, Industriezentrum. Das eigentliche Ziel "meiner" Reise muss also diverse Stunden weiter liegen. Sibirien als Name reizt schon, aber etwas konkreter muss es schon sein. Wood-Canvas Leihboote, ein schöner Fluss, und ein Shuttel-Service wären schon mal spannende Eckpunkte. Ein Guide und Lebensmittel"pakete" vom Veranstalter wären als Zusatzleistung auch eine Option. Selbst auf unserem Wohnzimmer-Globus ist Sibirien riesig, für eine Reise sollte es aber mehr sein als 500km weit kein Mensch, -> will sagen ein wenig Abwechslung (landschaftlich) Berge, Ebenen oder so dürften es schon sein.
Die Boote "Einbäume" aus Sibirien, das ist auf jeden Fall interessant. Ob ich ein Boot kaufen würde? - eher unwahrscheinlich. (Der Transport nach West-Europa wäre ja vielleicht realistisch, aber die Kosten im Vergleich zu Seetransporten aus den aktuellen Produzenten Ländern, dürften einem die Tränen in die Augentreiben, kann aber sein das ich mich da täusche.)
Ein Buch über die Boote und deren Herstellung würde ich schon eher kaufen. Mich würden besonders die historischen Wurzeln ansprechen. Das Handwerk mit allem Drumherum, Werkzeuge, Bäume, Verfahren zum Aufbiegen, Konservierung, Lagerung im Winter und so weiter. Aber auch das Revier und der Einsatzzweck der Boote sollten gezeigt werden.
Fahren würde ich eine klassische sibirische Form natürlich auch gern mal.
Gruß Andreas
"Wie wir die Welt wahrnehmen, hängt davon ab, wie wir uns in ihr bewegen." F. Schätzing
die Jungs geben ja richtig Gas, super. Mir erscheinen geführte Touren mit wood canvas Booten ein gutes Angebot zu sein. Nicht zu unterschätzen sind die rückwärtigen Dienste (shuttle service mit Helicopter, catering und Rückholdienst im Krankheitsfall, Vermarktung im Zielgruppengebiet.) vom Paddelrevier her lassen sich bestimmt schöne abwechlungsreiche Flüsse finden. Als Wettbewerb sollte man die gut durchstrukturierten Angebote aus Alaska/Kanada nicht aus dem Auge verlieren und als Massstab nehmen.
wood canvas/Holzboote von Sibirien hierher zu bringen,könnte auf grund der immensen Transportkosten und der Abwicklung her schwierig werden - da habe ich so meine Erfahrungen mit der Mongolei gesammelt. Man muss an die Transib ran und dann erst Mal einen Sammeltransport finden etc.
Auf alle Fälle ein spannendes Thema - wir können ja auf dem Holzkanadiertreffen mal in die Tiefe gehen.
interessante Leute kennst du da! Ein guter vor Ort Service mit guten Booten in dieser Gegend, ich wäre dabei. Geführte Touren können, müssen aber nicht sein. Ein Ansprechpartner vor Ort, mit dem alles besprochen werden kann wäre schon von Vorteil.
Ich habe bei dem Gedanken an eine kommerzielle Erschließung der sibirischen Flüsse ungute Gefühle.
Mensch Leute, ihr habt doch in Skandinavien und Nordamerika unendliche Möglichkeiten zu paddeln, mit allem westlichem Komfort. Die Flüsse sehen in Sibirien auch nicht anders aus. Was aber anders ist, ist die fehlende Erschließung. Das ist das besondere an Sibirien. Dort selbstorganisiert zu paddeln ist mit ganz anderen Emotionen verbunden als das abgesicherte Paddeln im Westen.
Ich würde dieses Refugium 'wahren Abenteuers' gerne erhalten sehen.
Wenn das „wahre Abenteuer“ einmal buchbar geworden ist, ist sicherlich das "besondere an Sibirien" für diejenigen die andere Emotionen aufnehmen möchten, verloren gegangen. Das kennen wir ja nicht nur vom Mount Everest...
die kommerzielle Erschließung (hier "wahre Abenteuer-Paddeln etc.)Sibiriens ist ja nix neues. Es ist uns nur nicht so bekannt. Und es wird von russ. Outdoorreiseunternehmen rustikaler durchgeführt als wir uns vorstellen können. Da zählen Kettenfahrzeuge für den Transfer zum Standard, Qudas sind noch das kleinere Übel. (Nicht falsch verstehen: das finde ich nicht gut!!) Sibirien ist aber so groß, es werden für die Individualreisenden immer noch ausreichend Gewässer zur Befriedigung ihrer Abenteuerlust übrig bleiben. Daher finde ich das Vorhaben der beiden, wenn es denn nach ökologischen Aspekten durchgeführt wird, begrüßenswert.
Eine gewisse touristische Erschließung gibt es ja bereits, auch wenn nicht alles bis zu uns vordringt. Mir ist es lieber, dass sowas von umweltbewußten Individualisten in die Hand genommen wird, statt von großen Firmen ohne inneren Bezug zur Region. Wo solche Dinge dann enden, sieht man am Pauschal-Massentourismus nach Dalsland & Co. Eine Woche Kanu-Abenteuer all inclusive für 299,- €
Ich denke mal, das wird so in Sibirien nie laufen, da einfach das Land zu groß ist und die Wege zu weit sind.
... außerdem ist doch auch ein wenig egoistisch, es einheimischen Sibiriern verwehren zu wollen, mit ihren Fähigkeiten und Fertigkeiten ein bescheidenes Einkommen zu generieren, nur damit wir dort gelegentlich noch die Wildnis finden, die wir (oder besser unsere Vorfahren) hier zerstörten.
Wenn es um Bewahrung von Wildnis geht, sollte vielleicht jeder erst einmal vor der eigenen Haustüre kehren gehen ...
Zitat .. außerdem ist doch auch ein wenig egoistisch, es einheimischen Sibiriern verwehren zu wollen, mit ihren Fähigkeiten und Fertigkeiten ein bescheidenes Einkommen zu generieren, nur damit wir dort gelegentlich noch die Wildnis finden, die wir (oder besser unsere Vorfahren) hier zerstörten.
Wenn es um Bewahrung von Wildnis geht, sollte vielleicht jeder erst einmal vor der eigenen Haustüre kehren gehen ...