Während unseres diesjährigen Canada-Urlaubes machten wir auch einen Abstecher nach Maine, um bei Jane Barron Canoe Packs zu kaufen und ein paar Tage zu paddeln, siehe hier:Alder Stream Canvas, Canoe Packs aus Maine. Nach einigen Tagen auf dem Hermit Island Campground an der Küste http://www.hermitisland.com/, die wir u.a. mit dem obligatorischen Hummer-Essen und einer halbtägigen Einkaufsorgie bei L.L. Bean verbrachten, fuhren wir weiter nach Orono bei Bangor, wohin uns natürlich der Sitz von Shaw & Tenney lockte. Nach einer Nacht auf dem Pushaw Lake Campground http://www.pushawlakecampground.com/ ,an dem nur die Camouflage-Gardinchen auf dem Klo und die allgemein hohe Hillbilly-Dichte bemerkenswert waren, fuhren wir am nächsten Morgen zu Shaw & Tenney. (Der Chefin vom Campingplatz war der Name übrigens kein Begriff, sie erwähnte aber, dass sie schon öfter deutsche Gäste gehabt hätte. Auf der Suche nach dem Paddel?)
Die kleine Manufaktur liegt in einer etwas versteckten Seitenstraße, das Büro und die Werkstatt sehen so aus, als würde in ihnen schon seit 1858 produziert - und vielleicht wird es das ja.
In dem winzigen Verkaufsraum und Büro trafen wir niemanden an, in einer Ecke standen vier, fünf wunderschöne Paddel herum, ein paar Riemen und Bootshaken und das war´s. In der Werkstatt nebenan fanden wir dann einen netten jungen Mann, der sich um uns kümmerte. Wir waren wildentschlossen, hier eine Menge Geld zu lassen und zwei, eher drei der außerordentlich schönen und leichten Paddel zu kaufen. Umso länger war unser Gesicht, als der junge Herr uns freundlich grinsend klarmachte, dass es eine naive Idee gewesen war, zu glauben, man könne bei ihnen einfach so gegen Ende der Saison hereinstolpern und zu erwarten, es wären dann noch Paddel da... die paar einsamen Paddel in der Ecke waren alles, was sie hatten. Wir waren dann nicht mehr überascht zu hören, dass Dschörg Uägner aus Deutschland regelmäßig einen großen Teil der Produktion abnehmen würde und dass sie das traumhafte Ottertail aus Walnuß fast ausschließlich nach Deutschland verkaufen würden. Also verließen wir die Water Street mit fast leeren Händen (eine Visitenkarte gab´s) und dem Vorsatz, die Paddel entweder im Internet zu bestellen (sie verschicken auch direkt) oder uns mal auf den Weg in den Taunus zu machen. Es wäre natürlich eine schönere Erinnerung gewesen, die Paddel "frisch vom Erzeuger" zu kaufen; den schwachen Dollar hätten wir wohl auch in Kauf genommen... Gelohnt hat es sich trotzdem, es war schön zu sehen, dass es solche Betriebe, wo mit soviel Tradition und Liebe zum Handwerk gearbeitet wird, noch gibt.
Nur um mal dagewesen zu sein, ließen wir uns von Charlene, unserem Navi, jetzt nach Old Town dirigieren. Unser Weg führte mitten über den beindruckenden Campus der University of Maine. Die finanzielle Diskrepanz zu deutschen Unis, die ich beruflich kenne, war nicht zu übersehen. Der Showroom und das Factory Outlet von Old Town waren eine ziemliche Enttäuschung. Schade, dass sich eine Traditionsmarke und der größte Kanu-Hersteller der Welt (edit: wikipedia sagt, sie waren mal der größte, http://de.wikipedia.org/wiki/Old_Town_%28Kanuhersteller%29) so lieblos und fast schon heruntergekommen präsentieren. Die paar wirklich sehenswerten Kevlar-Boote oder alten Wood & Canvas- Schätze waren hier in der Ecke versteckt. Der Old Town-Laden IN OLD TOWN vermittelte uns subjektiv, zu Recht oder nicht, den Eindruck, dass hier eine Traditionsmarke vielleicht ihre besten Zeiten hinter sich hat und sich ausschließlich auf den breiten Massenmarkt konzentriert. (Das war meine subjektive Wahrnehmung, mit der ich bitte keine Diskussion über die Marke Old Town, die auch durchaus schöne Boote baut, auslösen möchte.)
Im Ortskern von Old Town passiert man einen großen roten Backsteinbau aus dem 19. Jahrhundert. Kein Hinweis erinnert daran, das hier eine der Wiegen des amerikanischen Kanubaues stand und wenn man die Fabrik nicht von alten Fotos oder Stichen kennt, fährt man achtlos dran vorbei. Schade. Gerade da wir Peterborough in Ontario und das dortige Canoe-Museum kennen, hatten wir uns von Old Town, das wir wohl irrtümlich für ein amerikanisches Pendant hielten, zu viel versprochen. Naja. Dagewesen, gesehen, abgehakt.
Niels
-
"Pretty soon there´s nothing left in my way - but reality and a 1000-mile portage." James Gordon
Danke für diesen Report. Was Old Town betrifft, bestätigen deine Worte die Aussage des österr. Importeurs, der denen schon jahrzehntelang die Treue hält und als "Dank" dafür Jahr für Jahr schlechter betreut wird. Für Europa gibt es nur mehr Plastikboote mit Vinylrand und Kunststoffschalensitzen. Kein Holzrand, keine Laminate, keine edle Innenausstattung. Dass die es können, beweist der abgehängte Laminatcanadier. Sag mal, ist das Canoe auf dem Rack ganz oben ein echtes Birchbark, oder ein täuschend echt aussehendes aus Laminat?
Da ich fast schon die gleichen Bilder geknipst habe, antworte ich mal! Ja das ist ein Birchbarkcanoe. Die Boote darunter sind in Wood-Canvas-Bauweise, wobei das mit den Motiven eines der seltenen Millennium Sojourner von Jerry Stelmok ist. Es wurden nur 12 Stück hergestellt. Entsprechend schade ist es, das es sich mit einem Platz so weit hinten in der Halle abfinden muß. Ich war auch enttäuscht von Old-Town! Es war kein Hinweis auf die lange Geschichte und Historie sichtbar. Da ist ein Besuch bei Jerry wesentlich interessanter, wo fast jedes kleine Hölzchen in seiner Werkstatt eine Geschichte erzählen könnte und sich wohl auch die meisten klassischen Old-Town-Formen befinden. >Jerry Stelmok<
Thomas hat´s ja schon geklärt, das ist ein Birchbark. Entschuldigung für das lausige Foto, irgendwie hat mir der Laden die Fotografier-Laune verdorben. Gruß, Niels
-
"Pretty soon there´s nothing left in my way - but reality and a 1000-mile portage." James Gordon
Bin gestern aus Orono/Maine zurück. Ich war am 2. September auf Besuch bei Shawn & Tenney in Orono ( meine Freunde wohnen auf der anderen Seite des Stillwater Flusses nur 500 m entfernt ).Ich durfte zusehen, wie diese tollen Paddel in Handarbeit gefertigt werden und ein Rohling Beavertail Paddel mit kleinem Schönheitsfehler durfte ich als Souvenier mitnehmen. Übrigens ist Tags zuvor der langjährige Besitzer beerdigt worden. Ein Besuch bei Old Town lohnt sich wirklich nicht. Die paar "schönen Stücke" stehen schon seit Jahren lieblos in der Ecke, was neues gibts nicht. Old Town Canoes genießen bei vielen Paddlern in den USA mittlerweile nur noch den Status eines Kaufhausbootes. Und ja, der Uni Campus von Orono ist beeindruckend. Hier hat Steven King ( der in Bangor lebt ) einige Millionen springen lassen. Übrigens konnte ich einige fantastische Kanutouren im Acadia National Parc auf dem Atlantik machen :)
Daß Paul Reagan tot ist, ist sehr traurig, er war ein großer Storyteller, wie alle Iren, und ein Mann mit prächtigem Humor und guter Freund. Wenn wir Shaw & Tenney vor unserer jährlichen Allagash-Tour besucht haben, ist er jedesmal über die Straße gerannt um uns zu begrüßen. Wir werden ihn vermissen. Jörg Wagner