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Dieses Thema hat 8 Antworten
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 TOURENBERICHTE
orion Offline




Beiträge: 9

29.03.2011 23:09
Sand auf meiner Haut - Flußwandern auf Allier und Loire Antworten

[img]Sand auf meiner Haut - Flußwandern auf Allier und Loire

Für Anne – ohne Dich hätte diese wunderbare Tour nicht stattgefunden…

Menschen hasten um mich herum. Anzugträger, Rucksackreisende, Schüler, Alte, Kuriose. Die Welt ist bunt… Es ist laut. Zu laut. Lautsprecheransagen, schrill, quäkend übersteuert, manche gehen unter im Getümmel der Geräuschvielfalt, gemischt mit Werbetexten und einfahrenden, mit kreischenden Bremsen haltenden und wieder anfahrenden Zügen, in einem für mich kaum verständlichen, viel zu schnellen Französisch, zumindest nicht in ganzen Sätzen. Und wieder scheppernde Lautsprecheransagen. Dröhnend. Vermischt mit dem metallischen Quietschen jaulender Eisenbahnbremsen. Mein Ticket habe ich in der Tasche fest im Griff und warte im Bahnhof von Anger auf meinen Zug, der mich nach Langeais bringt. Hier wartet unser Auto. Die Zeit wird mir nicht lang. Es gibt viel zu viel zu beobachten. Aber unheimlich ist mir dieses Hasten, der typische süßlichherbe-aufdringliche Bahnhofsgestank, der eigentümlicherweise das Charakteristikum der Eisenbahn, des chemin de fer, der railway stations, der Bahnhöfe der Welt ist. Seltsam bekannt mutet mich dieser Gestank, ein Duft oder Geruch ist es nicht, an, der egal wo Du hinkommst, ob Dublin, Paris, Durban oder eben hier in Anger, gleich ist. Beinahe wie die standardisierte Qualität der Hamburger von McD.

Da drüben beispielsweise dieses Gothic-Pärchen. Düster und unheimlich wirken die Erscheinungen mit den schwarzen, bodenlangen, wallenden Gewändern, den schwarz gefärbten Haaren und den weiß angemalten, totenbleichen Gesichtern. Die Gesichtszüge dagegen sind weich, jugendlich. Das Leben hat noch nicht seine Geschichte hineingeschrieben. Welch ein Kontrast. Hart und unnahbar, fast bedrohlich wirkt die Gestalt, schutzlos weich, unbedarft die Gesichter.

Oder er dort drüben. Er drückt sich an der Fahrplanauskunft fast die Nase platt, will wissen, wann welcher Zug abfährt. So auf den ersten Blick wirkt der alte Mann selbstsicher, aber dieses Bild vor der großen Tafel wirkt in seiner unsicheren Kurzsichtigkeit mit den langsamen, ruckelnden suchenden Bewegungen über das Anzeigetableau hilflos.

Ich sitze auf einer Heizung, habe die Beine stützend übereinandergelegt und beobachte. Wie ich die ermüdenden Beine wechsele und so mal das eine, mal das andere Bein als Stützbein verwende, rieselt Sand von meinen Unterschenkeln. Sand der Loire. Loire: welch ein Name. Oder: Allier. Die Namen erfüllen mich mit wehmütigem Erinnern. Ich lasse sie in meinem Kopf nachklingen. Bis hierhin konnte ich den Sand retten. Ein Souvenir, im Begriff sich zu vermischen mit der Welt der Zivilisation. Vorbereiten auf die Rückkehr in den Alltag.
Drei Wochen Flußwandern liegen hinter uns. Drei Wochen lang durften wir teilhaben an einem Leben, das jedermann offen zugänglich, gleichsam aber im Verborgenen gedeiht. Jeder kennt von außen Flußtäler und Auen, die die Landschaft wie ein Adergeflecht durchziehen und erst durch ihre Anwesenheit und ihren feuchten Segen die Landschaft mit Leben erfüllen – wie der Kreislauf den Körper, ständig pulsierend, taktend, flutend, immer in Bewegung und - heute anders als morgen. Flüsse schenken Leben. Flüsse ziehen Biotopgrenzen, die erst in ihrer Mannigfaltigkeit Vielfalt und ökologischen Reichtum schenken. Naturwissenschaftlich als Biodiversität bezeichnet, ist dieser vielgestaltige Lebensraum emotional gesehen ein wesentliches Element unseres naturräumlichen Erbes, für das ein jeder von uns verantwortlich ist – egal, ob er darum weiß oder nicht. Wasser spendet Leben – genau so wie der Wind und das Licht der Sonne.

Flußwandern mit dem Kanadier fordert auf, sich auf das Wesentliche zu reduzieren. Bescheiden im Wenigen zu sein. Erstaunlich und befreiend zugleich ist das Erleben und Erfahren, mit wie wenig man auskommt. Und auch da ist immer noch jede Menge Gepäck, das in einem Kanadier für 3 Wochen für zwei Menschen und drei Hunde verstaut werden will. Hoch aufgetürmt hat schlußendlich jedes Packstück seinen Platz gefunden, wenn es dann losgeht. Für Anfänger wie uns bedeutet es, daß wir klein vor der Menge der neuen Eindrücke stehen. Wir haben Stress. Weil Neues oft etwas Ungewisses, manchmal Unheimliches und Bedrohendes haben kann. Das legt sich, wenn die ersten Hindernisse überwunden sind und die Sicherheit über das, was wir können, über das unbekannte Neue siegt. Mit jeder Grenzerfahrung wächst Du und eroberst neue Freiräume – zunächst Freiräume in deinem Kopf, dann in Deinen Schritten, Deinem Handeln.

Der Tag neigt sich. Wir brauchen ein Nachtlager. Eine bewaldete Sandbank erscheint geeignet. Sie liegt mit feinem Sand hoch genug über dem Wasser und scheint auch vor überraschendem Anschwellen des Wasserpegels sicher. Bald ist der Kanadier ausgeladen. Anne stellt das Tarp auf zum Schutz gegen den Tau der Nacht. Interessant: Selbst diese dünne Stoffbahn gibt Dir das Gefühl, Dich abzuschirmen in Deiner Privatsphäre. Die Packtaschen bilden nach außen unter dem Tarp einen Ring. Im Innenbereich legen wir unsere Luftmatratzen und die Schlafsäche aus. Bald ist das Nachtlager gerichtet. Nebenan nehmen auf dem praktischen Faltgrill die Kohlen die ersehnte orangerote Farbe der Glut an. Es sieht verheißungsvoll aus und duftet. Bald wird die Glut der Holzkohle unsere Fleischstücke braten. Die Hunde sind versorgt und haben sich um uns herum Liegekuhlen für die Nacht gescharrt – wie ihre wilden Ahnen. Im Dunkel der Nacht breitet sich über uns das strahlende Zelt der Sterne und wir hocken um das Feuer und genießen unseren Aperitif. Pastis – wir sind schließlich in Frankreich. Dazu gibt es knusprige Kartoffelchips mit Essig-Senf-Geschmack – eine vollkommene Abrundung. Wir sind zu hause angekommen in unserer mobilen Behausung, die so schnell auf- wie abgebaut ist und in ihrer Bescheidenheit nicht eine Spur von Luxus vermissen läßt. Vorausgesetzt: Du verstehst Dich darauf, den Genuß des Daseins in vertrauter menschlicher Gemeinschaft draußen in der Natur als den wahren Reichtum des Lebens anzunehmen. Neben den Paddelführern für Allier und Loire und einigen Reiseführern ist als einziges Buch ein 500 Seiten Schmöcker (Jared Diamond – Kollaps) mitgekommen über die Frage, warum im Laufe der Geschichte Kulturen untergegangen und andere überlegt haben. Im Schein der Stirnlampe lesen wir abends vor, mal am verglimmenden Grill, mal vor dem Zelt unter dem Tarp. Die Thematik passt und die Stimmung stimmt. Die Gedanken des Buches begleiten Dich über den folgenden Tag und tauchen unvermittelt beim Paddeln vor Deinem inneren Auge auf. Im Gleichmaß der Paddelschläge hast Du Zeit. Dann fängt es an, in Dir zu denken.

Der Fluß trägt Dich und der Fluß begleitet Dich. Mit seiner beheimateten Tierwelt und den wechselnden Pflanzengesellschaften, die das Ufer säumen und der Landschaft ihre Prägung verleihen. Und seinen – immer wieder des Paddlers Aufmerksamkeit bindenden – Meandern. Paßt Ihr nicht auf, sitzt Ihr auf der nächsten Sandbank fest. Dann heißt es aussteigen, die Füße im losen Kies versenken, der mit seinen kleinen Steinchen schnell die Fußsohlen matert, Kanadier freiziehen, aufpassen, daß die Hunde nicht aussteigen, wieder einsteigen ohne zuviel Wasser mitzunehmen und weiterpaddeln. Da vorne eine Baumleiche! Aufpassen! Rechts oder links vorbei? Kurze Absprache, Steuerschlag, zügig über hüpfende Wellenkäme vorbei und - wieder Blutdruck senken. Es ist eigenartig: Irgendwie wechseln immer wieder anspannende mit entspannenden Passagen. Langweilig wird Dir nie. Und alles in dieser kleinen, fast unscheinbaren Welt, die so unbeachtet ihr Eigenleben neben der Welt führt, die üblicherweise unseren Alltag bestimmt. Dieser Alltag ist kein natürlicher, einer der uns Menschen paßt. Der eigentliche Alltag ist dieser hier. Hier draußen. Und heute der hier auf dem Fluß.

Nach einigen Tagen mit dem eigenen Lager unter freiem Himmel, abgeschirmt nur durch das Tarp, steht eine Übernachtung auf einem Campingplatz an. Es ist fast ungewohnt, wieder den Luxus einer Dusche mit warmem Wasser zu erleben. Beim Wildcampen steigst Du morgens aus dem Schlafsack, pumpst mit Deinem Katadyn-Wasserwerk frisch aus dem Fluß das Wasser für den Kaffee und fürs Zähneputzen und legst Dich dann selbst in den Fluß zum Waschen. Aber aufpassen! Eh Du Dich versiehst, bist Du etliche Meter weiter nach unten abgetrieben. Dein Haar nimmt den Treibsand des Flusses auf. Er wird zum Teil Deiner selbst. Erst durch den Fahrradfahrer am nahen Flußufer, den Du durch das Ufergehölz wahrnimmst, wirst Du erinnert, wie nah die Zivilisation ist. Der Gesang des Flusses lenkt Dich ab und Deine Aufmerksamkeit immer wieder auf ihn.

Zeltleben. Eine dünne Haut von Stoff schirmt Deine Privatsphäre ab, trennt Dich von der Umgebung ab. Mit wenigen Handgriffen steht Dein Zelt, Dein Schlaf- und Ankleidezimmer, kurz drauf ist die Veranda vom Tarp überdacht, zwei Sitzgelegenheiten, der Tisch, der Grill, die Hundenäpfe frisch mit Futter und Wasser gefüllt. Zeit, den Aperitif vorzubereiten: Pastis mit Grapefruit und Kartoffelchips, während die Kohlen auf dem Grill Farbe annehmen. My Home is my castle – heute hier und morgen da und alles nur in wenigen Minuten. Du kannst Dich schnell an das Leben im Zelt gewöhnen und dieses Reduzieren auf das Wesentliche als eine erfrischende Bereicherung erfahren. Dort, wo Du Dein Lager aufgeschlagen hast, ist morgen, wenn Du Dich mit einem Paddelschlag vom Ufer abstößt, nichts mehr von Deiner Anwesenheit gestern zu sehen. Wo hast Du das heute noch? Überall hinterlassen wir Spuren. Keine Ecke auf der Erde, der wir Menschen nicht unseren Stempel nachhaltig aufgedrückt hätten. Hier auf dem Fluß hilft uns die ständige Wandlungskraft des Wassers.

Was mag der nächste Tag bringen? Bis Dein mobiles Lager verstaut ist, braucht es schon seine Zeit. Aber dann bist Du wieder auf „Deinem“ Fluß unterwegs, der Dir seltsam vertraut erscheint, obwohl Du längst nicht alle seine Gesichter gesehen hast. Und es auch längst nicht nur freundliche Gesichter sind.

Mit dem Hauptstrom durchfährst Du eine Flußbiegung und plötzlich steht am Ufer ein alter, längt abgestorbener Baum, in dessen kahlen Ästen - fast als wäre es Schmuck - etliche schwarze Milane mit ihrem Gabelstoß sitzen. Dieser Kontrast des kahlen Baumgerippes mit den darin verteilten Greifvögeln in ihrer vollendeten Eleganz ist hart. Aber er hat etwas Gekonntes. Zeit, um dieses Bild zu fotografieren, ist nicht. Der Fluß will Deine Aufmerksamkeit. Aber dafür ist dieses Bild vor meinem inneren Auge lebendig.

Die Sonne glüht von oben. Pause. An einem langgestreckten Kiesufer wollen wir unsere Hunde saufen und laufen lassen. Unsere beiden alten Hündinnen Bella und Alexa sollen die steif gewordenen Glieder strecken. Und hier die Jugend: Schnell ein paar Schlucke Wasser und dann will Artos im Fluß nach Stöckchen schwimmen. Laut kläffend springt er aufgeregt um uns herum, um sich hinter dem fliegendem Stöckchen mit einem großen Sprung platschend in den Fluß zu stürzen. Alexa, mein altes Hundemädchen, zockelt am Strand entlang. Seit einiger Zeit lebt sie immer häufiger in ihrer eigenen Welt. Hören tut sie dann kaum noch. Ist sie schwerhörig oder einfach nur bei sich, ohne von der Umwelt Notiz zu nehmen? Den Zockeltrab zu sehen, tut weh. Nichts mehr von der früheren Eleganz. Von den elastischen Bewegungen keine Spur mehr. Der Schub kommt nicht mehr aus der Hinterhand. Da ist keine Kraft mehr drin. Fast meint man, sie zöge sich vorwärts. Aber wenn sie einmal läuft, dann läuft sie. Zockelig, stackelig aber es geht. Und dabei ist sie nicht einmal langsam. Ich muß mich beeilen, um sie einzuholen und wieder einzusammeln. Lange werden wir unseren gemeinsamen Weg nicht mehr gehen.

Heute erscheint der Tag grau in grau, ist mit wenig Farbe am Start. Die nächste Flußkehre bringt auf einer begrünten Sandbank eine Araberstutenherde in verschiedenen Farben, allen gemeinsam die elegante Hechtnase. Was ist das für ein Bild in diesen fast sanften Farbtönen des milchigen, warmen Frühsommertages! Diese ausgeprägten Stutenmodelle mit den satten Weidebäuchen, den langen Mähnen und überlangen Schweifen, die mit vorgestellten Ohren und geblähten Nüstern, manche nervös schnaubend, uns im vorbeigleitenden Kanu aufmerksam mustern. Schade! Zu schnell ist dieses Bild vorbeigeglitten. Ich hätte es gerne länger genossen.

Am Ende unserer ersten Etappe auf dem Allier von Vichy nach Moulins überrascht uns ein ausgedehntes Schlechtwettergebiet. Wir verlassen den Fluß, lassen uns mit kulinarischen Genüssen verwöhnen und durchs Land treiben und landen schließlich im Loiretal. Bourges zieht uns an. Einen idyllischen Zeltplatz finden wir am Cher. Nach einem Tagesausflug nach Bourges zieht es uns zu Beginn der Dämmerung auf den Fluß. Mit ruhigen, rhythmischen Paddelschlägen gleiten wir flußaufwärts. Immer dämmeriger wird es. Anne sitzt vorne. „Vorsicht, da vorne. Was ist das? Ist das ein Biber?“ „Kann ich mir kaum vorstellen,“ soweit reicht meine Vorstellungskraft nicht. Nutria halte ich für wahrscheinlicher. „Laß uns vorsichtig näher heranfahren.“ Ohne Plantschen paddeln wir Schlag für Schlag näher und sind bald bis auf wenige Meter heran. Auffällig ist der breite Kopf mit dem geraden Schädeldach und seitlich ansitzenden Ohren. Immer geringer wird der Abstand. Jetzt sind es kaum mehr als zwei Meter. Da tut es einen lauten Platsch mit kräftigem Kellenschlag und der Bursche ist abgetaucht. Das Zeichen war deutlich! Mit einem solch charakteristischen, klatschenden Schlag seines flachen Schwanzes, der Kelle, taucht nur ein Biber ab. Wir sind ergriffen von dem Erlebnis! So nah hatten wir noch keine Tuchfühlung zu Castor fiber. Wir paddeln weiter, drehen aber um, als sich die Dämmerung über uns schließen beginnt. Auf der Höhe, wo wir den Biber zuerst sahen, warnt er erneut seine Umgebung, wieder mit kräftigem Kellenschlag. Wenn es so unmittelbar neben Dir in der hereinbrechenden Nacht kräftig platscht, erschrickst Du erst einmal ordentlich. Offenbar fahren wir hier an der Biberburg vorbei und der Bursche ist zuhause.

Später bestätigt uns die Zeltplatzbetreiberin, daß im Winter der Biber den Platz nach Freßbarem absucht. Gut, daß Tierarten, die ausgestorben waren, wieder heimisch werden.

An der Loire häuften sich die Kontakte mit Bibern. Am Ende einer langen Tagestour paddeln wir fast Seite an Seite mit ihm. In diesem Flußabschnitt ist der Fluß zweigeteilt. Die linke Seite stromab ist dem Bootsverkehr vorbehalten, die rechte Seite immer wieder quer verbaut. „Was hat das zu bedeuten“, fragen wir uns. Als wir dann weiter unten unseren schwimmenden Begleiter in Ufernähe ausmachen, kennen wir die Antwort. Es sind – zumindest zum Teil – Biberburgen.

Und noch einmal dürfen wir in seiner Gesellschaft sein. Wir wollten auf einem Zeltplatz übernachten, den wir aus einem unserer Führer entnommen haben. Aber weit und breit keine Spur von unserem Platz. Stattdessen ausgedehnte Sandbänke, dazwischen flache Flußarme, bewaldete Inseln, mal auf Flußniveau, mal höher abgesetzt. Überall strömt Wasser, klar bis zum Grund. In Flußmitte ist das nicht der Fall. Wir beraten kurz und beschließen dann auf höherer Warte Biwak aufzuschlagen. Nur Grillen können wir hier nicht. Wir sind schließlich in der réserve naturell. Anne kreiert eine ihrer bewährten Tarp Konstruktionen, ich räume das Gepäck ans Ufer und ziehe den Kanadier nach oben, versorge die Hunde und bereitet alles vor zum Kochen.

In der Abendsonne sitzen wir um unseren Gaskocher und schauen über den Fluß, der majestätisch an uns vorbeizieht. Da schießt einen Meter über dem Wasser schnurgerade eine kleine schwarze Kugel am Ufer entlang, immer wieder schrille Pfiffe ausausstoßend. Die Kugel ändert ihren Kurs, wird vom Sonnenlicht erfaßt und leuchtet blau-metallisch. Eisvogel!

Die Dämmerung sinkt. Treibgut schwimmt gemächlich stromab. Da schwimmen einzelne Stücke wieder stromauf. Wie bitte? Was ist denn das? Da stimmt doch etwas nicht! Wir setzen uns eine Sandbank näher zum Fluß und können beobachten, wie das Treibgut zwischendurch abtaucht. Aha, jetzt wird´s klar: Biber beim Weiden. Als sie aus dem Wasser aussteigen, bestätigt sich unser Eindruck. Als der Morgen dämmert, drängelt Anne zum Aufstehen. Wir kriechen schlaftrunken aus den Schlafsäcken und beobachten unsere Nachbarn beim Frühstück auf der Unterwasserweide. Die ungestörte, friedliche Frühmorgenstimmung mit kleinen Wasserdampfschwaden über dem Wasser, hat etwas Beschauliches und Vertrautes und versöhnt für entgangenen Schlaf.

Wir paddeln auf Namur zu, weltweit bekannt durch seine Cadre Noir, das französische Dressurreiterinstitut der hohen Schule. Von weitem grüßt der Quai mit feudaler Architektur. Ein Stop, um Besorgungen zu erledigen, führt in das mittelalterliche Städtchen, dem der weitreichende Einfluß vergangener Zeiten anzusehen ist. Wieder auf dem Fluß. Das strahlende, transparente Licht mit seinen fast pastelligen Farben läßt die Nähe des Atlantiks ahnen. Der Himmel über uns spannt sich hoch und weit. Meeresnähe. Aus dem Fluß ist inzwischen ein Strom geworden, der ruhig dahinzieht und dem man die Fließgeschwindigkeit aufgrund der Breite kaum ansieht.
Rechts und links säumen Weiden auf hohen Ufern unseren Weg. Ein Reiter auf der Dammkrone, verborgen hinter Ufergehölz, wird von Artos verbellt.

Vom hohen Ufer hat sich eine kleine Rinderherde ihren eigenen Abstieg zum kühlenden Naß getreten und steht jetzt teilweise im Wasser und schöpft. Mich erinnert das Bild an die großformatigen Landschaftsbilder englischer Schule, denen anzusehen ist, mit welcher Begeisterung die Meister endlich unter freiem Himmel das Spiel der aquarelligen Farben eingefangen haben. Dieses Bild hier steht für mich als ein Synonym für diese Tour auf Allier und Loire.

Unser letzter Campingplatz liegt nicht direkt am Ufer. Wir erreichen ihn nur, indem wir unser Kanu mit dem Bootswagen über die Straße befördern. Anne erkundet nach dem Anlegen die Lage vor Ort. In der Zwischenzeit verlade ich den Kanadier auf den Bootswagen, zurre ihn fest und schiebe und drücke schnaufend und schwitzend das schwere Gefährt über die lange Kopfsteinpflasterrampe nach oben. Hier auf dem Quai wartet die Straße auf mich. Oh Gott! Wie soll das gut gehen? Also reihe ich mich in einer Lücke in den Verkehr ein und habe bald auch schon eine immer länger werdende Autoschlange hinter mir, die aber geduldig ohne sofortiges, nervöses Hupen hinter mir herfährt. Im Kreisverkehr, durch den ich mit dem langen Boot auch noch hindurch muß und damit fast die Hälfte blockiere, grüßt ein Franzose fröhlich rufend und winkend aus seinem Auto. Er hat Spaß an der Aktion. Auf dem Land sind die Menschen halt anders drauf als in der Stadt. Vieles geht hier einfach entspannter.
[/img][img][img][/img][/img]


Kanuratz Offline



Beiträge: 26

30.03.2011 21:05
#2 RE: Sand auf meiner Haut - Flußwandern auf Allier und Loire Antworten

Hallo
Ein besonders schön geschriebener Bericht, man kann sich so richtig reinfühlen


lej ( gelöscht )
Beiträge:

30.03.2011 22:27
#3 RE: Sand auf meiner Haut - Flußwandern auf Allier und Loire Antworten

Danke Orion,
wunderschön zu lesen.
Gruß Jürgen


TheBonnetPlume Offline



Beiträge: 20

31.03.2011 21:32
#4 RE: Sand auf meiner Haut - Flußwandern auf Allier und Loire Antworten

wow, das ist aber schön geschrieben!
Danke für die Lektüre!

Viele Grüsse
Thomas


Andreas Schürmann ( gelöscht )
Beiträge:

01.04.2011 08:13
#5 RE: Sand auf meiner Haut - Flußwandern auf Allier und Loire Antworten

Toller Bericht - danke.

Da fehlen nicht mal die Bilder die mit [img] ihre Existenz andeuten.
Der Text selbst hat soviel "Bildkraft", dass ich die Milane im Baum sehen konnte.

Gruß
Andreas

"Doch es ist mit dem Feuer ähnlich wie mit dem Schwimmen, mag kommen was will, man sollte es beherrschen." :Feuer, Andy Müller


welle ( gelöscht )
Beiträge:

01.04.2011 11:37
#6 RE: Sand auf meiner Haut - Flußwandern auf Allier und Loire Antworten

merci, tres bien!!!


Wolfgang Hölbling Offline




Beiträge: 3.677

01.04.2011 12:26
#7 RE: Sand auf meiner Haut - Flußwandern auf Allier und Loire Antworten

Lesen - Abenteuer im Kopf. Schön!

Wolfgang Hölbling


Hans-Georg Offline




Beiträge: 820

01.04.2011 12:35
#8 RE: Sand auf meiner Haut - Flußwandern auf Allier und Loire Antworten

Schöne Schreibe! Vielen Dank.

Hans-Georg


mette Offline




Beiträge: 123

01.04.2011 15:23
#9 RE: Sand auf meiner Haut - Flußwandern auf Allier und Loire Antworten

Hier ein paar unserer Bilder ...

auch an Land gibt es endlos viel zu sehen!

Angefügte Bilder:
P1040513.JPG   P1040521.JPG   P1040573.JPG   P1040598.JPG   P1040607.JPG   P1040620.JPG   P1040654.JPG   P1040690.JPG   P1040705.JPG   P1040706.JPG   P1040707.JPG   P1040732.JPG   P1040737.JPG   P1040758.JPG   P1040793.JPG   P1040814.JPG  
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