Die Lahn hatte ich schon seit einiger Zeit auf dem Schirm. Allerdings spukten auch Aussagen, wie - zu voll, viele Partypaddler, Gedränge an den Schleusen - in meinem Kopf herum. Aber wer nicht wagt der nicht gewinnt. Also dachten wir uns, wenn überhaupt, dann zu Ostern. Wir waren die meiste Zeit tatsächlich allein auf dem Fluss - zumindest kam es uns so vor.
Als Strecke hatte ich Lollar bis Camp Runkel(Friedrichssegen/Lahnstein) ausgeguckt. So blieb unser Auto in Lollar auf dem Campingplatz stehen (für einen kleinen Obolus, da hab ich einfach ein besseres Gefühl). Das Shutteln konnte ich bequem mit der Bahn - die Fluch und Segen zugleich ist – erledigen, einerseits ständige Zugriffsmöglichkeit, andererseits eben auch Lärmquelle.
Bei der Autonachholung sah ich dann auch, dass unsere Wahl des Zeitfensters goldrichtig war. Auf dem Fluss und an den Schleusen war deutlich mehr los und die vielen Gestelle mit Leihbooten an den Ufern ließen einiges Potential erahnen. Gerade im Oberlauf fließt die Lahn recht flott, so dass Tagesetappen von 25 – 35 km kein Hexenwerk sind und trotzdem noch genügend Zeit für die Beobachtung der Gegend und die eine oder andere Pause bleibt. Wir kommen in der Regel so zwischen 9:30 und 10:30 Uhr los und versuchen spätestens 16-16:30 Uhr vom Bach zu sein.
Tag 1 Camping Lollar - Camping Wetzlar (26,9 km) Knapp 1 km nach dem Start sind wir am ersten Wehr ausgestiegen. In älteren Flussbeschreibungen steht, dass man umtragen muss. Glücklicherweise ist das Geschichte; dort wurde eine Bootsgasse auf der rechten Seite gebaut. Da diese aber einen ziemlichen Knick hat und recht großes Gefälle aufweist, ist Treideln angesagt, wenn man nicht unangespitzt in die Wand rasen will. Danach geht’s mit flotter Strömung durch einige kleine Schnellen in Richtung Gießen. Dort wird die Lahn vom nächsten Wehr, dem interessantesten auf der Strecke, ausgebremst. Man fährt an eine Ampel heran und zieht dort, wie bei einem herkömmlichen WC-Hochspüler, an der Kette. Darauf positioniert man sich vorm Eingang der Gasse und ein Schott fährt runter. Sobald die Ampel auf Grün schaltet, wird quasi der Spülvorgang eingeleitet. Unten wartet dann aber wieder Lahn und nicht die Kanalisation. Wir haben beachtliche 20 km/h erreicht (mit dem Garmin gemessen), Geschwindigkeitsrekord mit unserem Lastkahn. Im Anschluss präsentierte Gießen noch zwei weitere Wehre, welche aber mit Bootsgassen ausgestattet sind. Danach ist bis Wetzlar Selbstschleusung angesagt. Der Campingplatz in Wetzlar hat einen neuen Betreiber, der sehr freundlich und recht rührig ist. Um die Platzruhe zu gewähren, hat er selbst an einer geschützten Stelle ein Feuer unterhalten und Grillzeugs und Getränke angeboten, was auch gut angenommen wurde.
Tag 2 Camping Wetzlar – Camping Odersbach (33,1 km) Während das erste Wehr in Wetzlar easy zu befahren war, stellte uns das Zweite vor einige Probleme. In der Beschreibung stand was von einer Rollenbahn, die aber zumindest bei unserer Befahrung schlicht durch Abwesenheit glänzte. Da die Stelle aber sonst eher ungeeignet ist, um das Boot zu entladen, haben wir, mehr schlecht als recht, getreidelt. Ich kam mir so eine bisschen wie beim Rodeo vor – den linken Fuß auf dem glitschigen, sauglatten Schrägwehr, das rechte Knie auf der rollenbefreiten „Rollbahn“ – hab ich mich von dem schweren Kahn runter ziehen lassen. An den Ufern sieht man immer wieder Burgen und Klöster. In Selters wollten wir eigentlich Kaffee trinken, es war aber nicht mal ein schnödes Selterswasser zu bekommen. Das ist der Nachteil eines so zeitigen Tourenstarts, viele der Lokalitäten haben noch nicht auf. Dann kam das Highlight in Sicht, der Weilburger Schiffstunnel,
der einzige heute noch befahrbare Schiffstunnel Deutschlands, 195 m und am Ende wartet eine Koppelschleuse mit zwei gewaltigen Schleusenkammern. Also musste meine Frau Raika wieder aus dem Boot.
Aus der zweiten Schleusenkammer hab ich dann aber zwei der interessierten Zuschauer aufgefordert, mal ihre Muskeln spielen zu lassen und meiner Frau bei der Schleusenbedienung zu helfen. Von allein sind sie nicht darauf gekommen. Der sich gleich am rechten Ufer befindlichen Jugendzeltplatz Hauseley verharrte noch im Winterschlaf, so dass wir bis Odersbach weiter gepaddelt sind. Während viele andere Campingplätze die Zelte, zugunsten der zahlungskräftigeren Wohnmobilisten, in irgendeine wasserferne Ecke des Platzes verbannen, hat der dortige Campingplatz die Zeltwiese noch direkt am Wasser eingerichtet.
Tag 3 Camping Odersbach – Kanuclub Limburg (31,9 km) Das Flusstal überrascht einen immer wieder mit imposanten Felsformationen wie die „Bodensteiner Lei“.
In der Anfahrt auf Runkel wird man von den mächtigen Türmen der gleichnamigen Burg begrüßt.
Für einen Moment meinte ich , die Digedags(kleine Flachsrakete für die „Beigetretenen“) hinter den Zinnen erkennen zu können. Unbedingt zu empfehlen ist ein Besuch der Eisdiele in der wunderschönen pittoresken Altstadt. Am einfachsten ist es, gleich nach der Schleuse (rechtes Flussufer) unterhalb des Wehres zu traversieren, am linken Ufer das Boot abzulegen und dann sind es ca. fünf Minuten Fußweg. Auf dem anschließenden Stück waren dann etliche Ruderer unterwegs und zwei SUPerInnen. In Limburg fühlten wir uns vom Anblick des Campingplatzes nicht eingeladen, zig riesige Wohnmobile am Ufer aufgereiht, nicht eines hatte Normalgröße. Wir hofften sehnsüchtig, jemanden vom Kanuclub zu erreichen. Der KC-Limburg versteckt sich am linken Flussufer unmittelbar vor dem Wehr. Man meint schon, das Weiße im Auge der Gefahr zu erblicken und wähnt sich schon halb auf der Wehrkrone, da taucht plötzlich in letzter Sekunde der rettende Steg auf. Dummerweise war weit und breit kein Mitglied zu sehen und die Tel.nummer wollte nicht funktionieren. Dann kam aber eine der SUPerinnen, welche wir vorher gesehen hatten und gab sich als Vereinsmitglied zu erkennen. Sie konnte dann einen Kontakt zum Verantwortlichen herstellen. Ein sehr schöner Platz, zwar relativ klein aber in unmittelbarer, fußläufiger Nähe zur wunderschönen Altstadt, die wir am Nachmittag und Abend genüsslich auf uns wirken ließen.
Dort kann man auch lecker zu Abend essen.
Die Abwesenheit des nach Rom „verbannten“ Nobelbischofs Tebartz-van Elst (kann man tatsächlich so googeln) machte sich nicht störend bemerkbar.
Tag 4 Kanuclub Limburg – Gasthof „Zum Lahntal“ (27,3 km) Ab Limburg sind die Schleusen mit Bedienung. Unterwegs lernten wir einen Kayaker kennen, als wir in Balduinstein einen Imbiss nehmen wollten. Malerisch gelegen, war in dem Ort aber noch Winterruhe und die einzige offene Lokalität, war der Meinung, sie müsse mit aller Macht die entgangenen Umsätze aus der Lockdown-Zeit sofort wieder wettmachen. 3,50 für eine Tasse Kaffee, 5,50 für ein Weizen und 10 Euro für eine Pizza Margerita sind Preise, die ich nicht bereit bin, in einem Biergarten zu zahlen. Wir haben uns unterwegs und abends beim Bier noch sehr gut mit dem Paddler unterhalten, der uns auch auf den Gasthof verwies, den er von früheren Touren kannte. Direkt vor dem Hotel wird eine Zeltwiese betrieben, mit kompletter Nutzung der Duschen und Toiletten. Das Ganze gibt es für nen schmalen Taler, verbunden mit der Möglichkeit, abends auf der Terrasse ein leckeres Abendessen mit dazugehörigen Bier zu genießen, mit Blick auf die Burgruine Laurenburg.
Tag 5 Gasthof „Zum Lahntal“ - Camping Lahn-Beach (Dausenau) (19,6 km) Am nächsten Morgen konnten wir ganz entspannt im Gasthof frühstücken, was den Tagesstart doch erheblich entzerrt. Unterwegs haben wir uns in Obernhof ein leckeres Eis gegönnt. Der Besitzer war früher Leiter und Besitzer einer mittelgroßen Baufirma. Nach eigenen Worten war er es leid, von seiner Frau zu hause ständig rumkommandiert zu werden, nachdem er die Firma verkauft hatte. Also hat er sich die Eisdiele als Altersbeschäftigung zugelegt. Seitdem geht‘s ihm wieder besser. In Dausenau war dann an diesem Tag Schluss und wir wollten im „Alten Wirtshaus an der Lahn“ essen gehen. Leider war es geschlossen, da die betagten Besitzer derzeit einen Nachfolger suchen, welcher bis dato noch nicht gefunden war. So haben wir nach einer ausgiebigen Runde durch den Ort, Resteverwertung betrieben und Nudeln mit Gemüsesauce gekocht.
Tag 6 Camping Lahn-Beach (Dausenau) - Campingplatz Runkel (Friedrichssegen) (12,6 km) Als wir am nächsten Morgen im Aufbruch waren, gingen plötzlich die Sirenen im Tal. Wir schauten uns aufmerksam um, konnten aber keinen ersichtlichen Grund erkennen. Als wir in Richtung Schleuse kamen, hörten wir einen Hund bellen, den wir kurz darauf im Wasser schwimmend sahen. Er schwamm immer wieder hinter diversen Wasservögeln hinterher, welche sich dadurch natürlich nicht wirklich stören ließen. Vom Ufer rief uns die Besitzerin an, ob wir den Hund bitte zum Ufer bringen könnten. Wir fuhren dann mit dem Boot in die Sichtachse zwischen Hund und Wasservogel und konnten so die Fixierung lösen. Der Hund schwamm dann in Richtung Ufer und wurde sichtlich erschöpft von der Besitzerin aus dem Wasser gezogen. An der Schleuse waren zwischenzeitlich drei Feuerwehrautos angekommen, welche den Hund retten wollten. Während wir auf die Schleusung warteten, kamen wir mit den Hundebesitzern ins Gespräch. Ist wohl ein Jagdhund in Ausbildung und hat sich von der Leine losgerissen. Beim ersten Mal hat der Besitzer ihn wohl noch greifen können. Er hat sich nochmal losgerissen (dabei wohl die Öse aufgebogen?), ist ins Wasser gesprungen und hat hinter einem Schwan herjagend, auf keinerlei Kommandos mehr gehört und hat, wenn der Vogel weggeflogen ist, immer wieder neue potentielle „Jagdbeute“ fixiert. Vermutlich wäre er ohne Hilfe irgendwann vor Erschöpfung untergegangen und ertrunken. An der nächsten Schleuse in Bad Ems zeigte sich, dass sich einige Schleusenwärter ihrer Position doch sehr bewusst sind und nicht bereit sind, es zu tolerieren, wenn man nicht am vorgeschriebenen Haltepunkt wartet, mag es auch noch so unlogisch sein. Wir sind vorgefahren bis zum Ausstiegspunkt für eine Umtragung, zumal der Haltepunkt rechts direkt vor einem Ponton lag, der die Fahrrinne von der linken Kanalseite aus quasi halbiert hat. Da man nicht sehen konnte, ob die Schleuse überhaupt besetzt ist, lief meine Frau vor und holte sich prompt einen Anranzer ab. Dass anschließend ein Leih-Hausboot mit sehr vorsichtigem Piloten und einer übervorsichtigen Einweiserin genau diese Stelle im Schneckentempo passierte immer wieder plötzlich stoppend, weil eine beiden Teenagerinnen panisch schrie „Papa, Papa wir prallen gleich gegen das Ufer“, obwohl noch mindestens ein Meter Platz war, bestärkte mich in meiner Meinung, alles richtig gemacht zu haben. Wahrscheinlich würden wir heute noch da liegen und darauf warten, dass sich der Bootsführer an der Engstelle an uns vorbei traut. Das hielt den Schleusenwärter aber nicht davon ab, mir auch nochmal seine Meinung über mein „regelwidriges“ Verhalten kundzutun. Dank der Schleichfahrt des Hausbootes haben wir die nächste Schleuse in Nievern erst kurz nach Beginn der Mittagspause erreicht. Da wir keinen Bock hatten das gleiche Spiel nochmal mitzumachen, haben wir kurzerhand umtragen. Vom Camp Runkel sind es nur ein paar Minuten bis zur Bahn, die mich dann völlig entspannt zurück zum Auto gebracht hat.
Alles in allem eine lohnenswerte Tour, aber imho nur außerhalb der Saison zu empfehlen.