ich bin neu im Forum allerdings nicht neu im Boot. Ich fahre schon seit einigen Jahren immer mal wieder Leihboote und will demnächst ein Eigenes anschaffen. Nachdem ich mich, denke ich, schon recht gut über Länge, Breite und Kielsprung sowie deren Auswirkungen informiert habe, interessiert mich nun der Rumpf.
Meine Annahmen zu V-Rumpf: - mehr oberfläche bei gleicher Verdrängung -> größerer Widerstand -> auf langen Touren eher ermüdend - besserer Geradeauslauf, geringere Wendigkeit - aufkanten im solo nur in einem festen Winkel, eher zum kentern neigend.
Rund-Rumpf: - bessere Anfangsstabilität, geringerer Widerstand - erhöte Wenidgkeit, geringerer Geradeauslauf - aufkanten in beliebigen Winkeln möglich bis an die Wasserlinie.
Jetzt interressieren mich natürlich eure Meinungen zu diesen steilen Thesen. Bitte gern Richtig stellen :)
mit deiner ersten Aussage hast du auf alle Fälle Recht. Was die Wendigkeit angeht, hast du zwar theoretisch Recht, aber - siehe Tiefwasser. Wie sich das Boot beim Ankanten verhält, hängt dagegen stark von dem Übergang vom Boden zu den Seitenwänden und deren Form ab.
Cool, daß du dich so viel mit Kanu-Design beschäftigst, bevor du dir eins zulegst. Das wird auf alle Fälle helfen, ein Boot zu finden, das deinen Vorstellungen entspricht. Letztendlich ist es aber nicht die Summe von Design-Merkmalen, sondern deren feinfühlig austarierte Kombination, die ein gutes Boot ausmachen. Von daher der (übliche) Rat: Fahr vor dem Kauf so viele Boote Probe wie irgend geht. Und - kauf kein rotes, die grünen sind eindeutig schneller
Moin, ich kann mich Martin nur anschließen! Die Faktoren, die ein "gutes" Boot beschreiben, sind vielfältig und sicherlich mit einfachen Abmessungen nicht zu beschreiben. Die Beschäftigung mit diesen Aspekten hilft sicherlich den Suchraum einzugrenzen. Aber wie Martin schon schreibt, es geht nix über Probe paddeln außer noch mehr Probe paddeln. Wir haben diese Erfahrung gemacht. Wir wussten, was wir wollten, wir kannten die relevanten Parameter, wir haben mit vielen erfahrenen Paddlern gesprochen, uns beraten lassen und uns viele Tipps geholt. Aber letztendlich sind wir 2 Jahre lang Boote Probe gepaddelt, bis es dann der Zufall gerichtet hat. Und jetzt sind wir glücklich... Grüße Ralf
Zitat von WalkingSteph im Beitrag #1... V-Rumpf: - mehr oberfläche bei gleicher Verdrängung; größerer Widerstand; auf langen Touren eher ermüdend ....
Ein Parameter (V-/Rund-Spant) genügt nicht um ein Boot einzuordnen.
Mal am Beispiel oben geschaut: Theoretisch mag das stimmen, aber praktisch spielt zum Beispiel die Festigkeit des Bootes eine riesige Rolle. Der Unterschied PE zu Glasfaser ist soviel größer als V/Rund, dass der Vergleich sehr hinken kann. Alle V-Spant Boote die ich, oder wir, bisher gefahren haben, hatten einen guten Geradeauslauf. Das oben beschriebene "ermüdend" wird auf einem See mit Seitenwind zu einem gern genommenem Feature, weil viel weniger korrigiert werden muss. Gerade Paddelbeginner stecken viel Energie ins lenken, oft mehr als nötig.
Meine Tipp wäre auch viel Probepaddeln und damit leben, dass es das perfekte Allroundboot nicht gibt.
Hallo, ich finde deine intensive Beschäftigung mit der Rumpfform auch wirklich gut. Deine Schlüsse bei den, sagen wir eher v-förmigen Rümpfen, sind mir nicht klar. Hier mal ein Beispiel: Das ist ein Marathon-Renncanadier mit deutlichen V-Spant Anteilen und der ist für sehr hohe Dauergeschwindigkeit gebaut. Ich denke das ein Rumpfdesign schon eine sehr komplexe Strömungsmechanik hat. Und die ist nicht einfach mit bestimmten Fahreigenschaften verbunden. Probefahren war auch für mich und meine Frau das Maß der Dinge. Wir haben dadurch einen Fehlkauf verhindert und sind heute noch super überzeugt. Bei meinem Solo ist es auch so gewesen.
Grüße von der Mittelweser
Volker
Solo Canoe: GRB Newman Classic XL Paddle: BlackBart Bentshaft, Northstar Voodoo Tandem Canoe: Wenonah Itasca
in Bezug auf die Laufeigenschaften hat mich nun neugierig gemacht. Ich hatte das Material bisher nur im Hinblick auf Robustheit vs. Gewicht betrachtet. Ist PE Verwindungssteifer und dadurch leichtläufiger? Und Fallen die Verbundsstoffe wie T-Formax und TriLite auch unter die Kategorie PE? Oder sind damit nur diese 45kg Käne gemmeint?
Zum Thema Kaufberatung und Probefahrt werde ich vermutlich nochmal an andere Stelle fragen, das geht sonst hier zu durcheinander. Mich interessiert erstmal die Theorie, danach die Praxis.
@Martin: Die Farbe ist bisher das einzige das fest steht. Natürlich Grün @Volker: nur zur Erkläung bzgl. Leichlauf. Die Kugel (Rund) hat bei gleichem Volumen (Verdrängung) die kleinste Oberfläche (Reibung). Da aber ein Bootsrumpf weder Eckig noch Kugelrund ist habe ich nach Korrektur gefragt.
Zitat von WalkingSteph im Beitrag #8... a) Ist PE Verwindungssteifer und dadurch leichtläufiger? b) Und Fallen die Verbundsstoffe wie T-Formax und TriLite auch unter die Kategorie PE? c) Oder sind damit nur diese 45kg Käne gemmeint?
a) Nein, PE könnte man als wabbelig bezeichnen. Es hat zwar eine sehr gute Eigenreißlänge, dehnt sich aber auch sehr. so neigt PE als einziges Material zur Bildung von Beulen durch Punktbelastung beim Lagern. Ein straff gespanntes Ally-Faltboot steht oft stabiler da, als ein PE-Plattbodendampfer.
b) Nein, die verhalten sich ganz anders.
c)Meist wird PE für günstige, robuste Boote eingesetzt die zum Beispiel gern im Kurzverleih eingesetzt werden.
Es genügt nicht die Form Rund-/V-Spant nur über einen Querschnitt zu betrachten, man muss auch die Biegung in längs Richtung berücksichtigen. Eine V-Form hat meist viel gradere Flächen als eine Rundform und verlangt deshalb viel mehr konstruktiven Aufwand damit diese Fächen nicht wabbeln.
Viele denken auch, sagen wir mal ein NovaCraft Prospector wäre das gleiche Boot in verschiedenem Material, dem ist nicht so. Der Prospector (noch) in Royalex war nicht mit dem in Glas vergleichbar und auch die anderen Materialklassen hatten unterschiedliche Fahreigenschaften. Wenn Du mal eine halbe Stunde ein WoodCanvas-Kanu gefahren hast und dann in eine Ultraleicht-Variante steigst, weißt Du was ich meine. Das heißt nicht, das eine Variante besser oder schlechter ist, sondern halt anders.
Jedes Kanu hat seine Stärken und Schwächen. Uns hat mal mit der Welle fahrend ein Wenonah Jensen quasi stehen lassen und gegen die Welle, hat der Atkinson Traveller, in dem wir saßen, ihn mit Leichtigkeit passiert.
Bisher war ich der (offensichtlich falschen) Meinung, dass eine Form im Wasser ganz unabhängig vom Material die Fahreigenschaften bestimmt.
Dass PE und Royalex nicht ganz so spitze Formen zu lässt, ist mir schon klar. Aber dass bei identischer ! Form ein PE Boot anders fährt als ein Laminat widerspricht meinem Bauchgefühl- in Physik habe ich wohl gefehlt. Ich meine den Unterschied im Material beim Advantage auch nur an Land wahrgenommen zu haben.
Übrigens gibt es wieder ernst zunehmende PE Canoes z.B. von Hou und Silverbirch,
Für die Performance eines Bootes ist neben der Form mit den entsprechend günstigen (oder auch ungünstigen) Wasserlinien auch die Rumpfsteifigkeit maßgebend, ein Boot, das sich unter Energieaufnahme durch Paddeln oder Wellenschlag verformt, performt schlechter, deshalb sind durchgängig alle Wettbewerbsboote inzwischen ultrasteif und deshalb eher laminiert und nicht aus Plastik. Advantage ist nur laminiert erhältlich, wäre er aus PE, würdest Du auch vom Bauchgefühl her was merken. Jörg Wagner
Zitat von wupperboot im Beitrag #10[...] Dass PE und Royalex nicht ganz so spitze Formen zu lässt, ist mir schon klar.[...]
Mit PE (Polyethylen) sind auch spitze Formen möglich, wie Mobile Adventure in England einst mit ihrem Peace River Cruiser demonstrierte. Leider war das Material für ernsthafte Leistungen viel zu weich und das Heck relativ zum FRP brüchig.
Das mit der Verdrängung ist so eine Sache bei Kanus und Kajaks. Selbst Spezialisten sind sich da nicht ganz einig ob ein Kanu rein als Verdrängung gerechnet werden kann. Und was Andreas schreibt ist auch sehr entscheidend: Der FormVERLAUF von vorne nach hinten macht viel Fahreigenschaften aus. Das Material (PE, oder andere Ployamide) spielt nicht nur wegen der Steifigkeit ein große Rolle. Das höhere Eigengewicht der Bootshülle aus PE z. B. lässt das gleiche Boot natürlich tiefer im Wasser liegen als das aus ein leichteren Laminat (Archimedes: ein schwimmendes Objekt verdrängt so viel Wasser wie es wiegt -> Kräftegleichgewicht). Damit ändert sich vieles: Fahrwiderstand, Kurvenverhalten, Aufkanten, Drehfreudigkeit...quasi ein anderes Boot.
Grüße von der Mittelweser
Volker
Solo Canoe: GRB Newman Classic XL Paddle: BlackBart Bentshaft, Northstar Voodoo Tandem Canoe: Wenonah Itasca
Die Eigenschaften, die im ersten Post dem Rund-Rumpf zugeschrieben werden, kann ich so nicht bestätigen. Anfangsstabilität hängt von vielen Faktoren ab, Breite, Querschnittsform (wie rund ist "rund"), Volumsverteilung... Wendigkeit hängt stärker von der Länge, dem Kielsprung, dem Volumen...ab. Aufkanten: wie hart sind die Chines? ... Material: viele Royalex-, Pe-, ... - Kanus sind wenig formstabil, da ist der V-Boden das geringste Problem. Das wichtigste zuletzt, das auch erfahrene Paddler immer wieder überraschen kann: Das Zusammenspiel der einzelnen Parameter. Hier entscheidet sich, ob ein guter Riss außergewöhnlich ist. Hohe Rumpfgeschwindigkeit bedeutet nicht unbedingt Leichtlauf und umgekehrt.
Viel Freude beim Testen und auf dem Wasser, W.
Ps.: Den Mad River Malecite in Kevlar, habe ich als Tourenkanu trotz leichtem V, solo und als Tandem in guter Erinnerung.
Hier wurde schon viel Richtiges gesagt. Wolfgangs Worte kann ich unterschreiben.
Der Rumpf eines Canadiers und die daraus resultierenden Laufeigenschaften sind immer eine Summe aus Komromissen.
Vereinfacht gesagt: Leichtlauf und Geschwindigkeit werden vom Verdrängungswiderstand und Reibungswiderstand des Rumpfes diktiert. Die Wendigkeit wird in erster Linie von der Gesamtlänge und dem Kielsprung bestimmt. Zur Steifigkeit eines Materials: siehe Beitrag Jörg Wagner
Das Anforderungsprofil an das Boot bestimmt letztlich, wie welche Komponenten im Design gemixt werden. Was im Wildwasser gut ist, kann auf stehendem Wasser nachteiligt sein ... usw.