Dienstag: Es war eine unruhige Nacht. Die Straße und Eisenbahn hörten wir sehr gut. Der Sturm war zum Glück nicht so stark wie tagsüber, aber die ganze Nacht hindurch wachten wir durch Hundegebell immer wieder auf und lauschten, ob es näher kam. Aber die Hunde waren zum Glück am anderen Ufer. Morgens bauten wir zügig ab und ich verdiente mir mein "How-to-s**t-in-the-Woods"-Abzeichen Als wir abfahrbereit waren, kam dann noch wie aus dem Nichts ein Angler aus dem Wald gestapft. "Bonjour" - "Bonjour" Auf dem Navi sahen wir, wie nahe an der nächsten Siedlung wir uns tatsächlich befanden.
Wir paddelten los und sahen einen schönen Lagerplatz nach dem anderen. Auf diesem Abschnitt gab es häufiger große trocken liegende Kiesbänke, die teilweise von jungen Wäldchen bewachsen waren. Auch heute gab es wieder den kräftigen Gegenwind, aber keinen Regen mehr und die Sonne schaute manchmal heraus. Es blieb den ganzen Tag recht kühl. Und sehr seichte Flachwasserabschnitte waren auch wieder häufig zu überstehen. Hier sahen wir zum ersten Mal weiße Reiher, ich glaube Silberreiher, die meist zusammen mit Graureihern unterwegs waren und ebenso scheu.
Wir machten frühzeitig Mittagspause an einer großen Kiesbank mit schöner Aussicht auf den Hügel von Nonette. Auf der Kiesbank gab es Blumen, viele weiß-blaue Porzellanscherben und lustigerweise Tomatenpflanzen mit reifen Früchten. Sogar verschiedene Sorten. Wir zogen in Erwägung, dass hier jemand Gartenbau betreiben könnte, aber die einge der reifen Tomaten waren schon auf den Boden gefallen - es schien also niemand zum Ernten vorbei zu kommen. Prima, denn auf der Rohkostseite hatte unsere Diät der letzten Tagen nicht viel zu bieten gehabt .
Gleich nach der Kiesbank, ging die Strömung im 90-Grad-Winkel aufs Ufer zu und direkt in der Kurve rauschte ein Wasserfall aus einem Betonrohr in den Allier. Wir paddelten etwas spät nach rechts und so kamen wir dem Wasserfall ungewollt sehr nahe, der aus der Nähe stark nach Kläranlage müffelte. Aber bis auf ein wenig stinkige Gischt bekamen wir nichts davon ab. Gleich hinter der Kurve lag am rechten Ufer der Campingplatz "Les Loges", der im Oktober auch noch offen gewesen wäre. Bis hier her hätten wir es aber am gestrigen Tag auf keinen Fall mehr bei Tageslicht geschafft.
Ein etwas haarige Stelle gab es noch, wo in einem zunächst harmlos aussehenden Schwall ein Baumstamm quer direkt unter der Wasseroberfläche lag. Von weitem war er gar nicht zu sehen. Wären wir hier mit dem Bug zu tief eingetaucht oder quer gekommen, wäre das wahrscheinlich unangenehm geworden, aber so schrammten wir gerade so über den Stamm drüber ohne stecken zu bleiben.
Ein paar Kilometer landeten wir vor einen großen Baumverhau in einer schlecht einsehbaren Linkskurve an einer große Kiesbank an. Evtl. wäre es möglich gewesen durch die Bäume hindurch zu navigieren, aber vom Ufer aus war der Weg nicht klar zu erkennen, also beschlossen wir zu treideln. Aus Spaß an der Freude und um das Boot ein wenig zu schonen, bastelten wir uns durchs Verschieben von Kies eine kleine "Bootsgasse".
Gleich danach tauchte am rechten Ufer der Campingplatz "Le Grange Fort" auf. Das ist ein Campingplatz, der um eine alte Burg herum angelegt worden war, aber aufgrund der Lage auf einem Hügel ist er für Paddler eher ungeeignet. Wir zumindest hätten keine Lust gehabt, das beladene Boot über Wege unbekannter Beschaffenheit auf den Berg hinauf zu schaffen. Er wäre aber im Oktober noch offen gewesen.
Nun war es Zeit, immer wieder aufs Navi zu schauen, um den Ausstieg nicht zu verpassen, denn der Campingplatz von Issoire ist vom Fluss aus nicht zu sehen. Kurz nach der alten Stahlträgerbrücke hieß es dann linksufrig anlanden. Das Ufer ist hier recht steil, aber wir hatten uns ja am Freitag schon eine halbwegs gute Stelle ausgesucht. Wir entluden das Boot, trugen das Gepäck hinauf und zum Schluss kam das Boot dran. Beim Hochtragen hüpfte ein kleiner Frosch aus dem Laub ins Boot .
Damit waren wir am Ziel unserer bislang längsten Gepäckfahrt ohne Auto-nachholen und alles hatte wie geplant funktioniert und wir waren trotz der schlechten Wettervorhersage prima durchgekommen und mussten keinen Reservetag verbrauchen. Somit standen die Chancen gut, dass wir den oberen Abschnitt des Allier ab Prades diese Woche noch befahren würden.
Mit dem Bootswagen karrten wir Boot und Gepäck um den kleinen See herum zum Campingplatz. An der Rezeption war niemand und der Campingplatz wirkte komplett leer und ausgestorben bis auf ein paar Afrikaner mit Kinderwagen, die wohl in einem der Mobilhomes wohnten. Nach einiger Zeit tauchte der Platzwart auf und wir konnten einen Stellplatz beziehen und unsere Fahrräder aus dem Lagerraum abholen. Wir bauten auf, spannten unsere Wäschleine zum Trocknen auf. Im Prinzip ein schöner Campingplatz, aber der Lärm von der nahen Autobahn nervt. Die Sanitäre hatten ihre besten Tage hinter sich und das neue Sanitärgebäude war geschlossen. Die Duschen schalten alle paar Sekunden aus. Irgendjemand hatte in einer der Kabinen aber ein Gummiband am Dusch-Drücker befestigt, mit dem man Dauerduschen ermöglichen konnte Ein Gummiband kommt künftig auf die Packliste Nach und nach wurden die umliegenden Parzellen noch von Wohnmobilisten belegt und ich schaffte es sogar, ein wenig Smalltalk auf französisch (und mit "Händen und Füßen") zu führen. Wohnmobilcamper staunen immer wieder angesichts der Vorstellung außerhalb des Hochsommers mit Zelt und Boot unterwegs zu sein
Wir wollten uns noch ein Baguette kaufen und radelten zum Carrefour auf der anderen Seite der Autobahn. Am Eingang mussten wir unsere leeren Fahrrad-Packtaschen abgeben - warum auch immer. Nach 4 Tagen im Freien ist Carrefour natürlich ein Kulturschock. Wer es nicht kennt: Das ist eine Mall und der eigeneliche Carrefour-Laden ist ungefähr wie eine große Kauflandfiliale aber doppelt so groß. Alleine das Kühlregal für die x verschiedenen Buttersorten ist 4 Meter lang.
Auf dem Campingplatz schliefen wir dann so einigermaßen. Irgendwo in der Nähe quasselten besoffene Franzosen die ganze Nacht und die Autobahn dröhnte. Gut, dass es Ohrstöpsel gibt .
Der Morgen war recht kalt mit Temperaturen irgendwo um die 5 Grad und wir frühstückten, luden die Handies im Waschraum auf, was etwas stressig ist - da habe ich mir vorgenommen, eine Alarm-App zu suchen, die losgeht, falls jemand das Telefon hochhebt, oder vom Strom trennt. Nicht dass die Geräte so wahnsinnig teuer waren, aber wir würden sie heute brauchen, um mit den Fahrrädern zu unserem Auto nach Langeac zu navigieren. Für genauere Routenplanung war zu Hause keine Zeit gewesen, also mussten wir uns mit dem Routing von Google-Maps oder Outdooractive begnügen. Radwege im deutschen Sinne gibt es in Frankreich ja eher nicht, sondern nur wenig befahrene Landstraßen. Angeblich nutzt man das Fahrrad in Frankreich entweder als Sportgerät (Rennrad), mit entsprechender Montour, oder um damit Baguette zu kaufen. Tourenräder als Fortbewegungsmittel oder zum Reisen sind wohl nicht so verbreitet. Ein ungutes Gefühl bereitete uns, dass alle Routenplanungsprogramme sich einig waren, dass wir ein Stück auf der Nationalstraße zurücklegen sollten - aber das Problem ließen wir dann erst mal auf uns zukommen. Schlimmstenfalls bestand immer noch die Möglichkeit, in einen Zug zu steigen.
Wir beluden gerade die Fahrräder, als eine französische Camperin im rosa Bademantel, mit noch nicht eingelegtem Gebiss und einer Kanne Kaffee und Croissants zu uns kam. Offenbar hatte sie Mitleid mit uns dachte, wir hätten nichts zum Frühstücken gehabt . Wir ließen uns zwei Croissants für die Fahrt aufnötigen und erzählten ein bisschen, so gut es eben ging, von unseren Abenteuern . Gegen 9 Uhr radelten wir los.
Anfangs ging es über unbefestigte Wege aus Issoire hinaus, wo uns ein mit einem Schlagstock bewaffneter Jogger überholte (!). Wo waren wir denn hier hingeraten? Aber bald ging es dann durch die leicht hügelige Landschaft auf Landstraßen weiter, die wirklich sehr wenig befahren waren. Das Wetter war trüb und es nieselte, so dass wir leider nicht viel Fernsicht genießen konnten.
Immerhin kam der Wind heute von hinten. Zumindest theoretisch. Wie erwartet, war die Routenberechnung nicht ideal und das Navi lotste uns immer wieder über unwegsame und steile Wege, wo sich dann oft hinterher heraus stellte, dass eine ganz wenig befahrene ebene Straße ebenfalls möglich gewesen wäre. Den Allier bekamen wir kaum zu sehen, dafür viele Felder, die mit langen Wasserleitungen und Pumpen vom Wasser des Alliers bewässert wurden und schöne Eichenwälder mit Unmengen herunter fallender Eicheln. Wie wir später erfuhren war 2018 wohl ein wirklich außergewöhnlich eichelreiches Jahr.
Bei Briuoude überquerten wir zufällig noch die oben erwähnte Kanu-Slalomstrecke. Die wäre (bei dem Wasserstand) auf jeden Fall auch mit beladenen Booten fahrbar gewesen.
Weiter ging es durch das schöne und nahezu verkehrsfreie Tal der Senouire. Hier kamen wir an einem Ressistance-Museum vorbei wo ein Zigarre rauchender Mann in der Tür eines augenscheinlich abbruchreifen Hauses stand und uns begrüßte. Wir wechselten ein paar Worte und er lud uns auf einen Kaffee ein. Echt gastfreundlich, diese Averner, aber wir wollten weiter, denn wir kamen nicht so sonderlich schnell voran und wollten möglichst noch bei Tageslicht in Langeac ankommen. So lehnten wir dankend ab und schnauften weiter durch die zunehmend hügeliger werdende Gegend.
Bei Paulhaguet war dann der Punkt gekommen, wo das Navi der Meinung war, dass wir auf der Nationalstraße weiter fahren sollten. Es schien hier auch tatsächlich nur eine alternative Route zu geben und ausgerechnet jetzt war hier eine große Baustelle und für uns kein Durchkommen. Wir suchten uns dann auf der Karte ein paar Feldwege, die über einen Umweg nach St. George d'Aurac führten, wo es dann möglich sein sollte, die Nationalstraße zu überqueren. Die Feldwege waren mit Tennisballgroßen Kieseln und grob zerkleinerten Ziegelsteinen übersät und wir kamen hier mit unseren Trekking-Fahrrädern nur langsam und mühsam voran und mussten immer wieder schieben. So brauchten wir mindestens eine Stunde länger, bis wir wieder einen befestigten Weg erreichten, aber die Gegend war wirklich nett, ruhig und abgelegen. Nur eine Hand voll Autos überholte uns in der Zeit. In St. George d'Aurac konnten wir dann die zur Dorfstraße geschrumpfte N102 überqueren und auf einer Landstraße weiter fahren. Noch ein letzter unnötiger Berg, über den uns das Navi schickte und dann kamen wir nach ca. 90 Kilometern in Langeac an. Die Rezeption am Campingplatz hatte noch offen und unser Auto war auch noch da. Wir ließen die Fahrräder hier und fuhren mit dem Auto zu unserem Zelt und Boot nach Issoire. Nicht ohne unterwegs noch, typisch französisch, beim Lidl einzukaufen .
Donnerstag: Nach einer weiteren lärmigen Nacht auf dem Issoirer Campingplatz packten fühlten wir die letzten Tage so langsam in den Knochen. Ein Ruhetag wäre jetzt nicht schlecht gewesen, aber wir wollten spätestens am Sonntag wieder zuhause sein und uns die Etappe ab Prades auf keinen Fall entgehen lassen. Wir sind ja auch nicht zur Erholung hier! Außerdem war endlich das schöne Wetter wieder da.Während dem Frühstück sahen wir mehrere Womo-Camper mit ihren vollen Klo-Kassetten suchend ums Sanitärgebäude irren und mindestens einder davon brachte es dann fertig, ein Urinal mit seiner Brühe zu verstopfen. Herzlichen Dank auch und auf Wiedersehen Auf nach Langeac!
Auf dem Campingplatz in Langeac bauten wir rasch unser Zelt auf (diesmal weit weg von den Scheinwerfern) und stellten unsere Paddelausrüstung zusammen. Und dann ging es Richtung Prades. Aber der Abzweigung bei "Saint-Arcons-d'Allier" tauchten wir ein in die Gorges d'Allier und nur noch ganz wenige andere Fahrzeuge begegneten uns in dieser urigen Gegend mit Felswänden, Eichenhainen, Eseln und scheinbar menschenleeren Dörfern aus Naturstein. Auch am Parkplatz beim Einstieg in Prades waren außer uns keine Autos oder andere Menschen zu sehen. So gefällt uns das und wir müssen hier hoffentlich nie zur Hauptsaison her kommen, wenn das ganze Tal von Urlaubern überquillt.
Wir aßen zu Mittag und zum Nachtisch gab es Pistazienpudding (aus dem Supermarkt). Die Sonne strahlte und es war angenehm warm, trotzdem entschieden wir uns für Neopren-Longjohns und ein zusätzliches Fass als Auftriebskörper im Boot. Der Abschnitt von Prades bis Langeac ist ca. 15 km lang und gilt als oberstes für spritziges Wanderpaddeln empfehlenswerte Teilstück des Allier. Bis auf eine schwerere Stelle soll diese Strecke bis Langeac keine Schwierigkeiten oberhalb von WW1 bieten. Noch weiter oben gibt es dann stellenweise WW4, wo sich dann vermehrt Rafter und Kajaker tummeln.
Wir starteten gegen 13 Uhr und wie man auf dem Abflussdiagramm sehen kann, hatten wir Glück und gerade noch die abfließende "Flut" erwischt. Auf dem zweiten Diagramm mit Wasserständen kann man sehen, dass es etwa 10 cm Unterschied im zwischen "hoch" und "niedrig" gibt. Das bedeutet an den seichten Stellen "fahren" oder "treideln".
Man hat hier die Möglichkeit beim Einstieg gleich einen Schwall in einer Kurve mitzunehmen oder unterhalb des Schwalls einzusetzen. Lederschlumpfine hatte keine Lust auf den Schwall, also durfte ich alleine fahren und sie 20 Meter weiter an der Kiesbank abholen. 50 Meter nach dem Einstieg blieben wir gleich an eine seichten Schwall an einem Stein hängen und das Boot drehte sich langsam quer. Ich hüpfte hinaus und stand knietief im kalten Wasser. Ich war froh, mich fürs Neopren entschieden zu haben, wenn das schon so anfing. Durch die Entlastung löste sich das Boot vom Stein und ich konnte wieder hinein hopsen, ehe es mit meiner Bugpaddlerin davon fuhr.
Vor der nächsten Kurve landeten wir an, denn hier wartete die schwerste Stelle: Ein Schwall mit einer kleinen Stufe und mehreren Felsen in der Strömung kurz vor einer scharfen Linkskurve, hinter der wieder eine Stufe wartete. Danach sollte laut Kajaktour.de noch eine Walze lauern, aber die war heute nicht zu sehen. Je nach Quelle ist hier von bis zu WW3 die Rede, aber bei unserem heutigen Wasserstand würde ich das eher eine Nummer niedriger ansiedeln. Der Nachteil des geringeren Wasserstandes war allerdings, dass die "Chicken-Line" in der Innenkurve so wenig Wasser führte, dass hier nicht einmal Treideln möglich war. Ich fand, dass der Schwall ausreichend überspült und fahrbar und nicht sehr verletzungsgefährlich aussah, fühlte mich heute unternehmungslustig und hatte keine Lust auf umtragen. Und ich hätte mich wahrscheinlich ewig geärgert, es nicht versucht zu haben. Lederschlumpfine nicht so sehr und so sicherte sie im Kehrwasser unterhalb des Schwalls mit dem Wurfsack. Für Fotos war hier wieder mal keine Hand frei. Also Helm auf und los. Mit leichtem und stärker werdenden Herzklopfen näherte ich mich von oben der Stufe neben dem Felsen. Die Strömung wurde immer stärker und Gedanken wie "Kann ich das wirklich?", "warum fährt das Boot nicht gerade?" und "Was, wenn es jetzt doch WW3 ist?" gingen mir durch den Kopf. Gerade noch rechtzeitig fiel mir auf, dass ich ja noch auf dem Rücksitz war und ich doch lieber weiter in der Mitte paddeln wollte. Also schnell noch umgedreht und über die Auftriebstonne und das Gepäck zum Vordersitz geklettert. Die erste Welle nach der Stufe bremste etwas und ich stellte das Boot quer, um fühzeitig nach links zu kommen. Eigentlich war geplant, noch vor der zweiten Stufe in ein Kehrwasser zu fahren, aber ich kam gar nicht so schnell Richtung Kehrwasser, als schon die nächste Stufe nahte. Immerhin war ich damit schon um die Kurve herum und fügte mich der Strömung, stellte das Boot wieder gerade aus und flutschte hinunter. Dann gleich ins Kehrwasser zu Schlumpfine und aufgeatmet. Man kann nicht behaupten, dass das so 100 % kontrolliert und nach Plan gelaufen ist, aber eben auch nichts schief gegangen - und auch nicht 100 % unkontrolliert . Von außen betrachtet soll es wohl ganz gut ausgesehen haben, hieß es. Auf jeden Fall eine sehr interessante Übungsstelle, die ich gerne bei Gelegenheit noch ein paar Mal fahren würde, bis es so klappt, wie ich es mir vorgestellt habe. Oder bis ich im Wasser liege. Aber da ich mein Glück nicht herausfordern wollte und wir ja erst losgefahren waren und noch einige Kilometer vor uns hatten, hieß es weiter paddeln.
Im weiteren Verlauf gab eine wunderschöne Landschaft mit vielen spritzigen Stellen und manchmal richtig langen Verzweigungen, bei denen vorab nicht ersichtilich war, wo man gut durchkommen würde und wo das Ratespiel im Aufsitzen und Treideln enden würde. Aber fast immer rieten wir richtig. Gelegentlich hier und da ein Baumhindernis und mehrere lange Schwälle mit vielen Wellen. Mancherorts wirkten die Eichenwälder wie Parks, wahrscheinlich, weil die Weidetiere Gräser und Gebüsch kurz halten und der Allier hier öfter mal feucht durch wischt An einer Stelle eine Kirche mitten im nirgendwo zwischen den wie ausgestorbenen Dörfern, die mit den Felsen zu verschmelzen schien. Ein Mal kamen wir ganz nahe an einen roten Milan, der auf einer Kiesbank zum Trinken gelandet war
Gegen Ende der Tour wartete noch ein Wehr mit einer Bootsrutsche auf uns. Das Wasser brodelte weiß, aber ohne rückläufige Tendenzen. Wir hatten beide keine große Lust auf eine Umtragung und Lederschlumpfine gab kurz entschlossen ihr OK zur Befahrug der Rutsche. Also übermütigerweise runter gerutscht. Die Rutsche endet in einer kurzen Freiflugstrecke, der Bugtauchte tief in das Luft durchsetzte Wasser und innerhalb einer Sekunde war das komplette Boot bis zum Süllrand voll. Gut, dass die Strömung direkt zum Ufer führt, und so ein klein wenig ließ sich das Boot sogar noch steuern, so dass wir ohne Kenterung anlanden konnten. Beim Aussteigen sahen wir dann noch Lederschlumpfines Kniepolster davon schwimmen und konnten sie über die schlüpfrigen Kiesel hastend noch einfangen. Auch hier wieder machte sich das Neopren bezahlt, denn es dämpfte ein wenig den Fall beim Ausrutschen Meine Sonnenbrille blieb leider verschwunden, aber das war vielleicht Schicksal, denn ich hatte sie vor ein paar Jahren bei einer Umtragestelle gefunden. Gut das unser sonstiges Gepäck angebunden war. Der Teil, der aufschwimmen konnte, blieb am trockensten. Generell halten die Rollverschlüsse der Packsäcke nicht 100 % dicht. Auch in dem Fass fanden wir später kleine Mengen Wasser. Das Boot war viel zu schwer, um es zu bewegen oder umzukippen, also schöpften wir die hunderte Liter Wasser heraus. Und fuhren etwas er-schöpft weiter.
Kurz darauf sollte laut Kajaktour.de eigentlich eine künstliche Stufe kommen, die man evtl. umtragen sollte, aber die fiel uns gar nicht auf, evtl. wurde sie abgebaut oder ist verfallen. Wir näherten uns der "Ile d'Amour" vor Langeac und sahen nun auch wieder Menschen und die unvermeidlichen Angler in der Strömung. Dann erreichten wir unser Ziel, den Campingplatz von Langeac.
Aber hier blieb keine Zeit, um auszuruhen, denn wie kommen wir zu unserem Auto nach Prades? Genau, mit den Fahrrädern, die in Langeac auf uns gewartet hatten . Also umgezogen und losgeradelt. Zuerst schickte uns das Navi sinnlos durch die schmalen Gassen von Langeac, anschließend noch 4 Kilometer an einer um die Uhrzeit recht viel befahrenen Straße entlang konstant bergauf. Aber ab Saint-Arcons d'Allier empfing uns dann wieder das fast Autofreie in die Abendsonne getauchte Tal des oberen Allier. Noch ein kurzer, knackiger Anstieg und dann konnten wir unsere Paddeltour nochmal umgekehrt Revue passieren lassen.
Und auch wenn es konstant bergauf ging, waren die Steigungen immer gemäßigt und ohne Mühe zu fahren. Wir stellten uns vor, wie es wohl sein mochte, in so einem abgelegenen Dorf zu leben, oder als Jugendlicher aufzuwachsen. Gerade im Winter. Aber bemerkenswerterweise gibt es hier in der Schlucht sogar mehrere Bahn-Haltestellen, so dass die große Stadt Langeac gut zu erreichen ist . Nach ca. 1,5 Stunden erreichten wir unser Auto in Prades und noch bei Tageslicht waren wir wieder am Campingplatz und um 20 Uhr war es stockdunkel und Schlafenszeit.
Freitag: Nachts war unser Kanu, von herunter fallenden Eicheln bombardiert worden, mit entsprechender Geräuschkulisse. Eines Tages lernt man dann vielleicht auch alle Feinheiten des Lagerbaus: Nicht unter freiem Himmel zelten für weniger Kondensat, nicht im Herbst unter Bäumen zelten wegen der Früchte, nicht unter Laternen zelten, nicht in der Nähe von Labersäcken zelten, ... Der Morgen war nochmal ein Stück kälter als der vorherige und empfing uns mit Nebel, der aber bald von der Sonne vertrieben wurde. Wir bauten gemütlich ab, und verstauten das Gepäck im Auto. Zelt und Schlafsäcke ließe wir noch in der Sonne trocknen und fuhren zum Super-U, um noch ein paar Souvenirs und Snacks für die Heimreise zu kaufen: Käse für Truffade, auch wenn wir im Auto keine wirklichen Kühlmöglichkeiten hatten, denn "Tomme fraiche" ist in Deutschland nicht zu bekommen. Bonbons, Wurst, Baguette, Pistazienpudding und Grüne Linsen aus Puy. Dann noch vollgetankt, was bei den französischen Dieselpreisen immer schmerzhaft ist, doch die Entscheidung war richtig, denn in Langeac war der Sprit immerhin 10 cent günstiger als an der Autobahn. Und hier kann man sogar bar zahlen, was bei vielen anderen Supermarkt-Tankstellen nicht geht. Bei einem Wetter, das eigentlich viel zu schön zum Autofahren war, fuhren wir los über die prima ausgebauten Straßen durch die Auvergne. Wir beschlossen, noch einen kleinen Abstecher nach Le Puy en Velay zu machen, denn das war wirklich nur ein kleiner Umweg. Dort besuchten wir die Kirche auf der Felsnadel und machten Mittagspause.
Bis hinter Lyon führte uns das Navi dann über Landstraßen, wo uns immer wieder seltsame Verkehrsschilder auffielen: Schwarze Figuren mit Herzchen. Später habe ich dann herausgefunden, dass die an tödliche Verkehrsunfälle erinnern sollen. Auch mussten wir leider wieder nach der Beschaulichkeit der Auvergne zur Kenntnis nehmen, dass Frankreich auch nicht überall schön ist, z.B. St. Etienne. Einmal flog ein Bussard so knapp vor uns über die Straße, dass ich mir sicher war, dass er mit dem Boot auf dem Dach kollidiert sein musste. Bei der nächsten Möglichkeit hielten wir an und fanden zum Glück keine Hinweise auf einen Vogel-Unfall im oder am Boot. Wir erreichten nach vielen Kilometern mit den gemütlichen 130 km/h in der Abenddämmerung Beaune, wo wir noch im letzten Tageslicht schnell Essen kochten. Hier gab es viele Deutsche - lustig, wenn man sich das "Bonjour" schon so angewöhnt hat . Die wirkten größtenteils nicht so tiefenentspannt wie wir - wahrscheinlich waren die noch frisch aus Deutschland . Am nächsten Tag ging es dann vollends nach Hause.
Wie Ihr euch wahrscheinlich denken könnt, hat es uns am Allier sehr gut gefallen. Für uns war es die bis dato längste Gepäcktour und ich bin froh, dass alles wie geplant geklappt hat, trotz der kurzen Vorbereitungszeit. Klar, das Wetter hätte ein bisschen besser sein können, aber immerhin war der Gegenwind nicht so schlimm, dass wir die Tour hätten unterbrechen mussten. Auf den von uns befahrenen Abschnitten ist der Allier schön vielfältig von leichtem Wildwasser bis zum Wanderfluss mit relativ wenigen Hindernissen. Sollten wir eines Tages nochmal in die Gegend kommen, würde sich allerdings die Frage stellen, ob der Abschnitt oberhalb von Prades nicht doch auch mit dem Wanderboot machbar wäre - natürlich ohne Gepäck mit umtragen der schwersten Stellen Wenn es nur nicht immer so weit zu fahren wäre...
ich hab hier noch ein nettes Arte-Filmchen gefunden, auf französisch, aber die Bilder versteht ja jeder. Etwa um 12:30 gebinnt der Teil des oberen Allier. https://www.youtube.com/watch?v=rlXjEpeZ1ng
Ein schicker Paddelfluss und danke für die ausführliche Berichterstattung. Vielleicht wird das unser Plan B für April, werde mich noch mit der Campingplatzsituation beschäftigen.