Hallo Leute, auch dieses Jahr lud Dundak zum Anarchistischen Wanderpaddlertreffen. Die meisten anderen Ziele 200km um Dresden hatten zu wenig Wasser, und so geht es diesmal auf die Obere Elbe. Die Wettervorhersage verheißt allerbestes Spätsommerwetter, durchweg Sonne mit Temperaturen von 7 bis 21°C Luft, und ~15°C Wassertemperatur.
Wir treffen uns Nachmittags in der Wein-, Villen- und Gartenstadt Radebeul, und bauen unsere Zelte auf dem Gelände des Spiel- und Sportvereins Planeta Radebeul auf (13€). Abends geht es auf den schön wiederhergestellten Anger Altkötzschenbroda.
Am nächsten Vormittag werden die Autos an den Zielpunkt vorgefahren, und um ½1 geht es endlich aufs Wasser. Für uns ist es quasi die Fortsetzung unserer Fahrt auf der Oberen Elbe im Mai diesen Jahres. Die Elbe fließt hier mit ~4-5 km/h und so paddeln wir einen Schnitt von 7-8 km/h durch das Obere Elbtal. Wir sind 5 Paddler in 1 Yukon Expedition, 1 RZ85 und 1 Ally Tour.
Nach 8km ist bereits die erste Wirtshausrast angesagt ('Western Inn', Scharfenberg). Weiter geht es durch Meißen mit seinem Dom und der schönen spätgotischen Albrechtsburg (das erste deutsche Schloss!). Dahinter wird es langsam ländlicher, am rechten Ufer mit den berühmten Weinbauterassen.
Eine Stunde vor Sonnenuntergang treffen wir auf einen Leihcanadier, dessen 3 Paddler kaum in der Lage sind, die Richtung zu halten. Immer wieder schießen sie nach ein paar Paddelschlägen quer über den Fluss. Sie haben vor, noch >35km bis Mühlberg zu paddeln und sich dort vom Verleiher abholen zu lassen. Natürlich wussten sie noch nicht, dass sie nachts ein weißes Licht setzen müssen, sind aber dankbar für die Belehrung und versichern, eine Taschenlampe mitzuführen.
Wir machen hier für heute Schluss, und ich bange um ihre körperliche Unversehrtheit, als ich sie fast mit einer Fahrwassertonne kollidieren sehe. Dabei gab es schon Tote (S. 32/34), aber die 3 schaffen es tatsächlich noch in letzter Sekunde, sich auf eine Fluchtseite zu einigen und dem Hindernis auszuweichen.
Das Lager wird auf einer Kiesbank auf Höhe von Nieschütz aufgeschlagen. Nach dem Feuerholzsammeln geht es zur Federweißermeile Diesbar-Seußlitz, wo man allerlei Gebräu (nicht nur aus Weintrauben) kosten kann. Dazu gibt ein streckenweise talentiert klingender Neil Young-Verschnitt mit nicht ganz so talentierter Band Hits der 60er und 70er Jahre zum Besten und die reifere Jugend (also meist so etwa unser Alter) tanzt dazu, genau so wie man damals dazu tanzte. Zurück am Lager sitzen wir noch bis Mitternacht am Lagerfeuer.
Am nächsten Tag sind wir ½11 auf dem Wasser. Von Diesbar-Seußlitz grüßen die letzten Weingüter (http://www.weingut-jan-ulrich.de/). Kurz darauf passieren wir das Schloss Hirschstein, in dem vor gar nicht allzulanger Zeit, so Dundaks Rätselfrage, fast ein Jahr lang der letzte König in Sachsen wohnte.
Ein paar Kilometer weiter liegen, aus Berliner Perspektive mitten in der Pampa, die Produktionsanlagen der Wacker Chemie Nünchritz. Hier werden chemische Stoffe auf Silicium-Basis wie Silane und Siloxan, Siliconöle, Siliconemulsionen, Antischaummittel, Siliconkautschuk, hochdisperse, pyrogene Kieselsäuren und hochreines polykristallines Silicium hergestellt (1400 Mitarbeiter, 1.5 Mrd. € Gesamtinvestitionen seit 1998). Die Produktionsanlagen bilden ein hochintegriertes Verbundsystem, das für eine maximale Verwertung von Nebenprodukten und das Recycling von Rohstoffen sorgt. Wir sind am Kläranlagenauslauf in die Elbe vorbeigepaddelt, und mir fiel keine großartige Restverschmutzung auf. Es hat auch nichts gerochen.
Um 1 erreichen wir Riesa und verabschieden die 2 Paddler im RZ85. Sie müssen morgen wieder arbeiten und haben zT noch sehr lange Wege bis nach Hause vor sich (CUX!). Wir 3 paddeln weiter an Strehla und Mühlberg vorbei bis kurz vor Belgern. Die Strecke ist lang, 45km in 7h auf dem Wasser heute insgesamt. Hilfreich sind die jeden Kilometer gesetzten Schilder mit den Stromkilometern. Aber der Kilometer 121 schlägt dann doch aufs Gemüt, denn den muss man 2 mal paddeln. Der sogenannte "doppelte Kilometer 121" ist als "langer Kilometer" oder "Sachsenkilometer" bekannt und beruht auf einem Fehler, der an der Grenze von der sächsischen zur preußischen Kilometrierung gemacht wurde. Über wenige Kilometer ist das rechte Ufer preußisch (heute Land Brandenburg), wird dann aber wieder sächsisch.
Abends finden wir wieder einen schönen Lagerplatz in freier Landschaft, viel trockenes Feuerholz, vereinzelt etwas zu viel Schnaps, was zu gefühlten Erdbeben Stärke 7 führt (die sind bereits umwerfend).
Der nächste Morgen früh im Nebel, es ist alles wieder frisch, und 2 Freiluftfreaks steigen sogar für die Morgentoilette ins 14°C "warme" Wasser. Nachdem die Sonne den Nebel vertrieben hat, setzen wir uns um 10 in Bewegung.
Auch diese letzten 20km sind noch mal sehr schön. Es ist windstill, die Sonne scheint vom makellosen Himmel, die Bäume zeigen sich in den schönsten Farben, und oben kreisen Bussarde, viel rote Milane, Fisch- und Seeadler. Dazu natürlich immer viele Kormorane und Graureiher, auch ein Silberreiher, ein paar Gänsesäger und am Ufer eine nicht sehr scheue Nilgans-Familie.
¾1 sind wir am Ziel der Reise und landen in Torgau unter dem prachtvollen Renaissanceschloss Hartenfels an. Das Auto steht 15m oberhalb der Aussetzstelle auf dem Parkplatz, auf dem wir sehr sauber das Faltboot abbauen können. 1h später geht es auf in Richtung Heimat.