Längsee 23 Nov 2012
Anrufen wollte er, aber langsam glaube ich nicht mehr daran. Ich wollte ihm sagen, wo wir uns zum Kanutest treffen. Jetzt stehe ich da, und warte, mit einer ganzen Palette von Solokanus am Anhänger.
Potentielle Mitpaddler hatten für heute durchweg abgewunken: Zu weit, zu viel zu tun, die Gattin läßt mich nicht. Der zähe Hochnebel der letzten Tage war auch nicht besonders motivierend, jetzt wird es aber zusehends heller. Ich habe die Wahl: mich ärgern, oder Paddeln gehen.
Kaum einige Schläge vom Ufer entfernt, noch bevor ich das Selbstmitleid ordentlich kultivieren kann, spüre ich die milde Novembersonne im Rücken. Die letzten Nebel haben sich verzogen und es ist strahlend schön. Der See ist unter diesem blauen Himmel fast schwarz, nur an den seichten Stellen kommen die Grün und Bautöne zum Tragen.
Enten machen von weitem Platz, wahrscheinlich sind es Zugvögel mit großer Fluchtdistanz.
Heute bin ich in meinem Kanu unterwegs, fühle mich richtig zu Hause. Sicher, der Osprey läuft nicht so lang nach, wie der Keewaydin 15, aber das kommt meinem Paddelstil mit recht hoher Frequenz entgegen. Zu Beginn paddle ich mich gerne ordentlich aus, so auch heute. Bald beginne ich aber zu Spielen: rein in die Buchten, Aufkanten, um den nächsten Steg … dann nimmt mich die Natur, die Landschaft, die hier diese Bezeichnung durchaus verdient, gefangen. Das Licht passt, gut daß ich die kleine Kamera dabei habe.
Das Schild am Steg sagt: TAVIRP und das kopfüber! Na ja, zumindest im Spiegelbild. Hier passt es ganz gut für eine Pause, denn ich fühle mich heute auch kein Bisschen „offiziell“, nicht einmal kommerziell, nein, ich bin ganz „privat“ unterwegs. Außerdem fühle ich mich hier sowieso als Insider. Wie viele wissen schon, daß man hier, bei leichtem Südwind schon Ende April komfortabel schwimmen kann, weil sich das ganze warme Oberflächenwasser sammelt.“ Flach“ schwimmen sollte man dann aber schon, sonst werden die Zehen kalt und Tauchen geht gar nicht, ... davon später.
Nach der Pause entschließe ich mich, den gleichen Weg am Ostufer entlang zurückzufahren, ich will die Schwimmvögel nicht ein zweites Mal aufschrecken.
Erstaunlich, wie wenig sich das Segelboot am Grund der Schratt-Bucht in den letzten Jahren verändert hat. Vieles ist vertraut, aber vieles neu: zB der abgebrochene Baum, mit jeder Menge neuen Trieben, oder, daß ich heute keinen der üblichen Hechte sehe, na ja, vielleicht war es eine gute Angelsaison.
Am Ufer voraus ist eine Birke, schlank und grazil, wie von einem Marderhaarpinsel mit leichter Hand hingesetzt. Und die Hüfte hat Schwung – man sollte die Gebärdensprache der Bäume beherrschen! Sie sieht aus, als würde sie gleich beginnen zu tanzen. Vielleicht kann ich Ihr da behilflich sein? Doch die Wellen, die ich zu Stande bringe sind zu kurz, brechen die Spiegelung.
Knapp davor steht ein Schild im Wasser. Ich kann es erst lesen, als ich recht nahe heranpaddle: „ Tauchen in den Seerosenfeldern streng verboten!“ steht da, den Stempel der Behörde zu lesen, die derart schildbürgerlich agiert erspare ich mir, sonst würde ich vielleicht tatsächlich den Seerosen schaden.
Am Osthang, über dem See, steht dominant das Stift/Bildungshaus St.Georgen. Wie ein Statement, selbstbewußt der Natur gegenübergestellt, aber dennoch nicht störend. Teil eines Ganzen.
Am Himmel ist heute eine Vielzahl von Kondensstreifen, die langsam immer breiter werden, einen Wolkenschleier bilden.
Beim Aussteigen ist es 15:30 Uhr, der Steg liegt schon im Schatten – Ende November eben.
Auf der Heimfahrt denke ich: 5% Nachlaß für jeden, der mich beim Testpaddeln versetzt! Wäre schön, aber welcher Geschäftsmann kann sich solche Sentimentalitäten leisten?
Grüße aus Kärnten, W