„Diese Formen des Kanuballetts sind nett anzusehen und ihr verfallen immer mehr Paddler. Mich hat dieser Virus nie recht ergriffen – vielleicht weil ich nicht an einem See, sondern an einem Fluss wohne und Paddeln zu Musik leichtgradig dekadent finde. ….“
Das schreibt Axel in seinem Buch. Niemanden hier wird es sonderlich verwundern, dass ich mich da angesprochen und abgewertet fühle , also will ich dazu etwas sagen. Tatsache und leicht zu recherchieren ist nämlich genau das Gegenteil: Flusspaddeln und Musik haben schon immer und gerade beim Canadier zusammengehört, wie übrigens auch beim Bewegen von Booten jeglicher Art überall auf der Welt: Humbold beschreibt die Paddelgesänge seiner indianischen Paddler bei der Orinokoexpedition, von den Maori kennt man es und gerade eben auch in Nordamerika. Ich will gar nicht von den Kriegstrupps der Irokesen in ihren Ulmenrindenkanus reden. Doch was ist mit den Voyageurs? Es gibt ganze Gesangsbücher ihrer Kanusongs! Ich bin mir sicher, dass sie ohne Musik die täglich 14-17Stunden Paddeln nicht durchgehalten hätten und nicht umsonst haben Paddler mit einer guten Gesangsstimme im Kanu einen besseren, also auch besser bezahlten Platz bekommen. Und was ist mit „Roll, roll, roll your boat, gently down the Stream“? Das hat ursprünglich wenig mit Star Trek zu tun, doch wohl viel mit Fahren auf dem Fluss.
Es ist übrigens nicht nur beim Paddeln, sondern auch in den meisten anderen Tätigkeiten vor dem Maschinenzeitalter nie ohne Gesang /Musik abgegangen, eine Tatsache, die nicht zuletzt durch 100Jahre Vereins- und Wettkampfsport etwas aus dem Blick geraten ist. Das kann man dann auch mit Fug und Recht einen kulturellen Verfall, also „dekadent“ nennen. Freestyle (nach Musik) ist wohl gerade das Gegenteil davon, eine kulturelle Weiterentwicklung. Und: Er gibt dem Paddeln etwas zurück, das in vergangener Zeit ganz selbstverständlich dazu gehörte, natürlich auf - in mehr als nur einer Hinsicht - zeitgemäße Weise.
Übrigens verfallen diese grassierenden Seuche wirklich immer mehr Paddler: Ich habe mal zusammengezählt, wer in Europa nicht nur ausnahmsweise mal nach Musik paddelt: Es sind sage und schreibe 20, in Worten zwanzig , Personen. Schade eigentlich.
In such a case I prefer to quote Pat Martino: "[...] true Art, is an experience to be shared, not judged, for praise cannot make it better, as blame cannot make it worse"
Hi, Der im Barock nicht ganz unwesentliche Kapellmeister Mattheson hat mal die Lauteninstrumente total verrissen, weil er damit nicht zurechtkam. Axel hat, nachzulesen in seinem Blog, gegenüber dem einfachsten Freestyle-Manöver, welches pikanterweise der "Axle" ist, zugegeben, an seiner "Umsetzungsfähigkeit" gescheitert zu sein (vielleicht hat er das aber auch wegeditiert) Ein Narr, der Böses dabei denkt Jörg Wagner
Ansonsten meine ich, sind die Freestyler in der Beschreibung ab Seite 13 des Leseproben pdf gar nicht mal so schlecht dargestellt worden, ist sicher auch immer eine Sache des Betrachters. Immerhin "outet" sich der Autor selbst als gelegentlicher Nachturner. Von Dekadenz/Verfall zu sprechen ist vielleicht ein bisschen hochgegriffen. Das jetzt allerdings als Abwertung des Kringlers zu sehen, ist aus meiner Sicht ein wenig dünnhäutig. Dazu fällt der übrige Text zu positiv aus.
Meine Meinung ist, dass das Kringeln nichts für mich ist. Jedoch halte ich es für technisch hoch anspruchsvoll und diese Bootsbeherrschung ist absolut erstrebenswert. Hochachtung vor denen die es "drauf" haben!
Leben und leben lassen. Beste Grüße
Björn
Das Reisen auf der Mitte der Straße war wirklich langweilig, so wendete ich mich dem Straßengraben zu. Es war ein rauer Ritt, aber ich traf interessantere Leute.
SUP-Mobbing;Kringelmobbing;Kanusegelmobbing;Seecanadiermobbing????? Da der Kanusport so viele Facetten hat,wäre etwas mehr Toleranz gegenüber anderen durchaus angebracht! Der Umgang miteinander wird dadurch viel entspannter!!
Du schreibst sinngemäß, dass Arbeit/Sport/Bewegung nie ohne Musik gegangen sei. Das möchte ich so unterstreichen. Worksongs, Wanderlieder & Co, Musik und Bewegung gehören zusammen. Ein Unterschied schreibt die Geschichte da aber schon: Ursprünglich haben die sich Bewegenden selber die Musik beim Bewegen produziert. Heute (und da überlege ich grade, ob ich auch eine Dekadenz sehe) kommt die Musik aus großen Boxen über den See geschallt. Das widerspricht meinem (derzeitigen) Canadier-Ideal. Dieses ist eher "Eins sein mit der Natur" ohne (akustische) Umweltverschmutzung. Noch ein Aber: Ich habe euch noch nicht live freestylen gesehen und selber nicht freestylen ausprobiert. Vielleicht ändert sich meine Sichtweise da noch.
Schreibt so heute Cello.
PS: Thomas & Thomas Ansichten teile ich, macht da weiter, ich möchte euch auch mal live sehen und lasst uns nicht alle Worte auf die Goldwaage legen.
Zitat Die Beschallung mit "großen Boxen" ist doch nur ein vorführungsmäßiges I-Tüpfelchen, um den Rhythmus auch Zuschauern zugänglich zu machen.
Ja wie jetzt! Ich dachte Kringler haben das Zeug immer dabei, mit 90dB Stromaggregat und so..
MfG
Das Reisen auf der Mitte der Straße war wirklich langweilig, so wendete ich mich dem Straßengraben zu. Es war ein rauer Ritt, aber ich traf interessantere Leute.
Hi, vor ein paar Jahren beim Kringelfieber habe ich meine Musik zur Kür am Ufer life eingespielt, bin danach ins Boot gesprungen und habe nach der Musik gepaddelt, es waren geschätzte 80 Zuschauer dabei. Jörg Wagner
Also ich habe mich erst mal sehr gefreut, dass es wieder ein Fachbuch gibt, in dem unser Sport überhaupt Erwähnung findet. In wie weit Axels Bewertung des Paddelns zur Musik als dekadent für den Leser eine wertvolle Information ist, sei mal dahingestellt. Immer wenn man einen Text verfasst, der einen möglichst breiten Überblick über ein Thema verschaffen soll, läuft man auch Gefahr, sich der Vollständigkeit halber zu Aussagen über Teilbereiche des Gebietes hinreißen zu lassen, in denen man, sagen wir mal, nicht unbedingt die wahnsinns Expertise hat. Das ging auch mal Cliff Jacobson so, und wer das vollständig vermeiden will, der sollte vermutlich nichts schreiben.
Mir fällt aber ein anderer Punkt auf. Axel ist nicht der einzige, der FreeStyle mit Paddeln zur Musik gleichsetzt. Das Wesen des FreeStyle ist aber doch erst mal nichts anderes als das konsequente und vorteilbringende Handeln (Paddeln) nach hydrodynamischen und biomechanischen Grundsätzen (Wer die Debatten kennt die z.B. bei einer Instructor Certification entstehen, der kennt auch den nahezu wissenschaftliche Anspruch mit dem das angestrebt werden kann). Mann kann das mit Musik machen (interpretive FreeStyle) oder auch traditionell ohne (Giant Slalom, Creekin' FreeStyle) oder auch einfach aus Lust am puren Paddeln mit oder ohne Musik. Das paddeln zur Musik ist halt die am stärksten wahrgenommene, aber vermutlich auch die seltenste Spielart dieses Sports.
Immerhin hat die provozierende Wirkung des Statements auch was gutes. Dank Hans-Georgs Replik habe ich nochmal einen erweiterten Blick auf die historischen Zusammenhänge von Paddeln und Musik bekommen. Danke Hans-Georg.
Spannend ist für mich auch die Frage, wann ist die Musik eine Hilfe, z.B. als "Metronom", und ab wann wird sie zum Korsett, zum engen Rahmen den ich mit einer Interpretation füllen muss. Das Risiko dabei zu scheitern ist ja, je nach Musikauswahl, gar nicht so gering.
Beim Riesenslalom wird es auch immer spannend, weil man da nicht nur schöne Manöver für sich paddeln kann sondern das ganze in eine Relation zum Hindernis bringen muss. Ich sehe da durchaus parallelen.
@Hans Georg - vielleicht wäre ein genaues Lesen und Textverständnis auch hier hilfreich, denn dann wäre Dir vielleicht aufgefallen dass Axel nur sein persönliches Empfinden beschreibt, und nicht etwa das Freestyle-Paddeln im Allgemeinen bewertet. Und damit auch Deine Lieblingspaddelei nicht schlecht schreibt, denn über das Freestyle-Paddeln generell sind seine Beschreibungen positiv.
Grüße, Rolf
---------------------------- "Bound is boatless man" - Altisländischer Sinnspruch
"Mit dem Auto anreisen um mit dem Kanu nirgendwohin, Nichts zu transportieren? Das ist dekadent!"
Wenn mir das, in einem exquisit arrangierten Flight, mitten am Fairway des fünften - meinem Lieblingsloch - direkt nach einem unglücklichen Hook, aber trotzdem vor der Wahl zwischen Putter und 8er-Eisen, hart am Bunker, bei merkbarem Westwind und hoher Luftfeuchtigkeit das jemand vorwürfe, was sagte ich ihm? Nichts. Denn ich würde mich an meinen Caddy wenden, mit einem Liedchen auf den Lippen und ihn bitten: Mein Lieber, gib mir ein Ping.
... hinfallen, aufstehn, Krone richten, weitergehn... Hmmm, ist da eine Zacke rausgefallen?
LGW
Ps. Natürlich ist Kringeln eine artifizielle Tätigkeit. Mancher mag das dekadent finden. OK
>>> Mein Lieber, gib mir ein Ping. ... nur e_i_n Ping.
#Sebastian >>> Spannend ist für mich auch die Frage, wann ist die Musik eine Hilfe, z.B. als "Metronom", und ab wann wird sie zum Korsett, >>> zum engen Rahmen den ich mit einer Interpretation füllen muss. Das Risiko dabei zu scheitern ist ja, je nach Musikauswahl, >>> gar nicht so gering.
Tanzen ohne Musik geht ja auch, aber irgendwie ist es mit Musik schlüssiger.
Freestyle ist ja nicht zwangsläufig Solo und spätestens wenn Zweie "werkeln", sehe ich viel Hilfe und wenig Korsett.
Gruß Andreas
"Wie wir die Welt wahrnehmen, hängt davon ab, wie wir uns in ihr bewegen." F. Schätzing
Danke Hans-Georg für diesen geschichtlichen Ausflug. Nun werde ich die in bierlaune singenden Mietbootpaddler mit ganz anderen Augen sehen. Oder aber, wenn ich mal wieder in deiner Ecke bin und just gerade in dem Moment, wo ich die Ruhe der Spreewaldfließe geniesen möchte eine ganze Reisebusladung zu Akkordeonmusik im Stocherkahn daherkommt. Bisher habe ich mich darüber geärgert, jetzt weiß ich: das gehört so. Dies ist richtig so.
Oder aber sollte man sich fragen, was gestern noch gut war, ist das heute auch noch richtig? Muß ich mit meinem Verhalten unbedingt anderer Leute Freiheit einschränken? Erwarte ich, daß das, was mir gefällt, auch Anderen gefällt? Verurteile ich sie dann, sollten sie kein lemminghaftes Verhalten zeigen?
Wie definiert sich Dekadenz? Aus Wikipedia: Dekadenz .... Der Begriff setzt damit voraus, es gebe objektiv bessere oder wünschenswertere Zustände. Wenn Axel nun schreibt, daß er Paddeln zu Musik leichtgradig dekadent findet, könnte man es auch so deuten, daß Paddeln ohne (laute) Musik der wünschenswertere Zustand ist.
Gruß, Stefan __________________________________________________ Stark und groß durch Spätzle mit Soß'
„Diese Formen des Kanuballetts sind nett anzusehen und ihr verfallen immer mehr Paddler. Mich hat dieser Virus nie recht ergriffen – vielleicht weil ich nicht an einem See, sondern an einem Fluss wohne und Paddeln zu Musik leichtgradig dekadent finde“
Nett ist die kleine Schwester von Scheiße...
Und das Wort dekadent im Zusammenhang mit Kringeln bedarf eigentlich überhaupt keines Kommentars...
1. Ich hatte leider bisher nur wenige Male das dankbare Glück, diesen perfekten Kringelchoreographien beizuwohnen, und war ob der Eleganz, Leichtigkeit und der sehr tiefsinnigen, schon fast religiös anmutenden Verschmelzung des Eins-sein mit der Natur, und seinem Hauptelement Wasser, in einer Art ergriffen, dass ich sprachlos vor Hochachtung davor war!
2. Nach dem Faden 'Canadierpaddeln' dachte ich kurz darüber nach, auch sofort ein Exemplar zu bestellen...
Ohne auf weitere Aspekte der Intoleranz Einzelner eingehen zu wollen, hat der Verfasser des obrigen Textes SEINE Meinung kundgetan - ich denke, die teile ich nicht...
Was Musik in uns bewirkt, ist hier bestens nachzulesen: http://www.amazon.de/Musik-Kopf-Musizier...0409826&sr=8-13 Der Herr ist um Welten klüger als ich und wahrscheinlich weiß er ums Denken, Merken, Lernen, Empfinden, ... mehr als wir alle hier zusammen. Ich durfte letzte Woche einen Plenarvortrag von ihm im Zuge eines Kongresses in den Rhein-Main Hallen in Wiesbaden erleben, und stehe immer noch im Banne des Erlebten.
Was Axel und sein Erstlingswerk und die darin von ihm getätigte Aussage betrifft: ich kann ihm insofern beipflichten, als dass der "Sterbende Schwan mit Musik" für mich ebenso entbehrlich ist.
Für mich wohlgemerkt.
Und ich empfinde es ebenso "dekadent", einen um des Paddelsports so Bemühten bewusst misszuverstehen, als in diesem Zusammenhang in die Kerbe der First Nations Gesänge zu schlagen. Ist nicht seriös vergleichbar.
Ein jeder kehre vor der eigenen Türe.
Ich gehe nun Grieg, Schubert und IV. Beethoven üben, in einem Monat ist Orchesterkonzert.