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Dieses Thema hat 5 Antworten
und wurde 704 mal aufgerufen
 ALLGEMEINES CANADIERFORUM
FeuchtSocke Offline



Beiträge: 146

21.03.2010 07:24
Sicherheit mit Anfängern und Kindern Antworten

Mit einem gewissen Schaudern erinnere ich mich immer noch an eine Kanutour mit meiner Pfadfindergruppe, wo beinahe etwas schief gegangen wäre. Wir hatten eine eher kurze Tagestour auf der Regnitz auf dem Programm. Ein ruhiger Fluss ohne Schwierigkeiten, zumal wir einen Abschnitt ohne Umtragestellen ausgesucht hatten. Zwei Wochen zuvor hatten wir auf einem See etwas geübt, um sicher zu stellen, dass alle ihre Boote zumindest grob kontrollieren können.
Die Regnitz führte an diesem Tag allerdings ungewöhnlich viel Wasser und wies teilweise flotte Strömung auf. Schon während der Fahrt zeigte sich, dass ein Team ihr Boot absolut nicht unter Kontrolle hatte. Immer wieder drehten sie sich und fielen zurück - die Strömung sorgte allerdings dafür, dass die Fahrtrichtung grundsätzlich stimmte. Diese Tatsache war für mich überraschend, da in dem Boot zwei Erwachsene saßen (plus Kind), die laut ihren Angaben schon mal eine mehrtägige Kanutour gemacht hatten. Sie waren allerdings bei dem Übetag am See nicht dabei, so dass ich ihre Schwierigkeiten erst auf dem Fluss entdeckt habe.
Unsere Tour endete vor einem ansehnlichen Fallwehr bei einer alten Mühle. Etwa 20-30 Meter davor befand sich die Aussetzstelle und ich stellte mein Boot in der Mitte des Flusses quer, um die nachkommenden Boote rechtzeitig dorthin abzuleiten, was auch bei fast allen problemlos gelang. Nur das besagte letzte Boot . . . Nur eine Armlänge vom Anlegepunkt enfernt drehten sie sich noch einmal, gerieten wieder in die Flussströmung und trieben auf das Wehr zu. Gottseidank konnten sie sich auf der anderen Uferseite an den Zweigen eines Busches festhalten - etwa drei Meter vor dem Wehr - von dort haben wir sie dann geborgen.
Vielleicht könnt ihr nachvollziehen, warum mir bei der Erinnerung noch immer mulmig in der Magengegend wird. Ich bin mir nicht sicher,ob ihre Schwimmwesten bei der großen Walze unterhalb des Wehres viel genutzt hätten.

Auf jeden Fall habe ich aus diesem Erlebnis für mich folgende Lehren gezogen:

1. Niemals die Gefahren unterschätzen, die sich auch bei einem einfachen Fluss ergeben können, vor allem mit Gruppen und Unerfahrenen.
2. Niemals ohne Wurfsack (Im Rückblick war dies eine sträfliche Vernachlässigung meinerseits - mit Wurfsack hätten wir die Gefahr sehr leicht abwenden können)
3. Wenn es offensichtlich ist, dass ein Team mit der Kontrolle des Bootes überfordert ist: Anhalten und neue Teamkombinationen suchen.
4. Besondere Vorsicht mit Personen deren Fähigkeiten man nicht kennt.
5. Schwimmwesten sind sowieso selbstverständlich

Vielleicht fallen euch noch weitere Punkte ein. Wäre daran interessiert.

FeuchtSocke


MrDick Offline




Beiträge: 1.345

21.03.2010 10:38
#2 RE: Sicherheit mit Anfängern und Kindern Antworten

Hi Feuchtsocke!
Sicherheit fängt in dem Fall nicht erst bei der Ausrüstung an. Als erstes steht die richtige Einschätzung der Verhältnisse und auch der Mut eine Tour zu verlegen oder abzusagen, oder Teilnehmer nicht mit zu nehmen wenn die Bedingungen nicht zu den Fähigkeiten der Teilnehmer passen. Diese Entscheidung treffen die Guides. Wenn auch nur einer Zweifel hat wird nicht gefahren. Dann ist es wichtig, dass genug Guides für die Gruppe dabei sind. Bei Fließwasser sind wir nie alleine gefahren und ich würde es auch nicht empfehlen. Es fährt immer ein Guide vorne und einer hinten, oder seitlich versetzt um die Gruppe zu leiten. Guides sind immer zwischen der Gruppe und Gefahrenstellen. Das ist ein wenig wie Schafe treiben. Ausserdem sollte man die Strecke und alle Gefahrenstellen kennen und immmer wach sein und 10 - 20 Minuten im vorraus denken. Wieviele Guides dabei sind hängt auch von deren Fähigkeiten und Erfahrung ab. Wir hatten ein Mindestverhältnis von 1 Guide auf 5 Boote (Das kann auch zu wenig sein).

Es hilft enorm eine gute Vorbereitung zu machen und sich Zeit zu nehmen die Teilnehmer und ihre Fähigkeiten einzuschätzen. "Navigationsdramen" würde ich mir nicht sehr lange ansehen. Wenn es die Bedingungen sicher zulassen, kann man versuchen das Problem mit dem einen oder anderen Tip unterwegs zu lösen. Wenn das nicht klappt, oder aber die Bedingungen nicht sicher sind würde ich sofort umbesetzen.
Was auch immer hilft ist die Teilnehmer vor der Tour darüber zu informieren, wo Gefahren lauern (Brückenpfeiler, Wiffen, Schiffsanleger, Wehre, Turbinenschächte, etc), was passieren kann, und wie sie sich, z.B. im Falle einer Kenterung, verhalten sollen.

Bei Deiner Wehr-Situation wäre es vorteilhaft gewesen, da ja bekannt war dass das Boot Steuerprobleme hatte, wenn ein Guide das Boot frühzeitig flankierend begleitet hätte um es zum Ausstieg zu leiten. Wenn das Boot dann doch noch vom Kurs abkommt kann man es in die richtige Richtung schubsen.

Solche Spontantouren mit großen Anfängergruppern sind immer ein Risiko. Ich persönlich bin heute nicht mehr gewillt das Risiko zu tragen. Das ist eine persönliche Entscheidung, keine Empfehlung. Ich weis auch, dass die Realität im Tourenbetrieb manchmal anders aussieht, und wirtschaftliche Überlegungen überwiegen.

Sei Dir darüber im Klaren, dass der Guide immer als erster drann ist wenn etwas passiert. Das sollte man im Hinterkopf behalten, wenn man schwere Entscheidungen zu treffen hat. Da es um die Gesundheit anderer Menschen geht, die meist nicht selbst in der Lage sind die Risiken zu bewerten, finde ich eine gesunde Portion Paranoia nicht übertrieben.

Grüße, Sebastian

--Canoes sind wie Hufeisen; die offene Seite gehört nach oben damit das Glück nicht rausfällt.
-
...der will nur spielen!
Für alle die am Bodensee spielen wollen: http://www.freestylecanoeing.org


Gerhard Offline




Beiträge: 639

22.03.2010 14:13
#3 RE: Sicherheit mit Anfängern und Kindern Antworten

Hallo FeuchtSocke,

nicht nur das Abenteuer, sondern auch die Sicherheit fängt schon bei der Planung an.

Du bist verantwortlich, daß Deine Gruppe sicher und gesund den Bach runter kommt. Deshalb mußt Du immer wissen was Du der Gruppe bzw. jedem Einzelnen zutrauen kannst und was nicht. Und natürlich auch, ob Du in der Lage bist in entsprechenden Situationen eingreifen zu könne. Das war nach Deiner Schilderung scheinbar nicht der Fall.
Wichtig ist natürlich vor der Tour nochmal die Gegebenheiten zu prüfen. (Wasserstand, kommen die einzelnen Bootsbesatzungen klar, ...)
Der Wurfsack hätte sicherlich helfen können, aber nur wenn Du und Dein "Anfängerboot" wissen was damit zu tun ist.

Evtl. hilft Dir auch mal ein Kurs bei einer Kanuschule. Dort werden auch solche Situationen besprochen, bzw. kann man das bei einem guten Kurs auch mal üben was man in solch einer Situation tun kann/muß.

Grüße
Gerhard


Wolfgang Hölbling Offline




Beiträge: 3.677

22.03.2010 14:15
#4 RE: Sicherheit mit Anfängern und Kindern Antworten

Meine Erfahrung mit Schülern 13 bis 14 Jahre alt, am träge fließenden Flachwasser:
Bei einer Schülerzahl von 26 sind 3 Guides kein Luxus!!! Lehrpersonal extra.

Wolfgang Hölbling


lej ( gelöscht )
Beiträge:

22.03.2010 15:28
#5 RE: Sicherheit mit Anfängern und Kindern Antworten

Moin Feuchtsocke
Hinterher ist man in der Regel schlauer und man weiss dann für die Zukunft, dass es gut ist die Leute schon etwas früher vor einem Wehr heraus zu holen, diese Erfahrung muss aber auch erst mal gemacht werden. Selbst wenn man an Alles Übliche an Sicherheit meint gedacht zu haben gibts doch oft noch wieder was Neues. Erfahrung kommt mit der Zeit und ein Restrisiko bleibt.
Ich habe auch meistens vor jeder größeren Tour ein paar mir absolut unbekannte Neulinge, wenige Stunden vorher aufs Auge gedrückt bekommen. Am Startort angekommen hieß das, Planung umschmeißen und erst mal 3 Tage
ausprobieren was geht.
Das gipfelte dann darin, dass ich mal im Oktober einen Siebenjährigen mit auf eine Kanutour im Femundgebiet mitnehmen musste. Mein Chef war sprachlos als ich mit der Truppe bereits nach Schweden unterwegs war und der beladene Kanuhänger bei ihm noch auf dem Hof stand.
Wenn etwas Schwerwiegendes passiert, trägst du als direkt Durchführender die Verantwortung ganz allein und auch die Konsequenzen daraus wenns in die Hose geht. Es darf letztendlich nicht zu schwer fallen, NEIN zu sagen.
Mein zusätzlicher Punkt wäre: Bei Unwägbarkeiten Nein sagen zu können. Jemand nicht mit zu nehmen oder eine Tour ab zu blasen.


Frank_Moerke Offline




Beiträge: 1.593

22.03.2010 19:51
#6 RE: Sicherheit mit Anfängern und Kindern Antworten

Die Geschichte hat noch zu viele "Unbekannte", um genau zu sagen, was in dieser konkreten Situation das Beste gewesen wäre.

Wenn eine Gruppe auf einem Fluß (der fließt) unterwegs ist, ist es ratsam einen Guide vornweg fahren zu lassen, einen am Schluß als "Lumpensammler". Ein einzelner Guide kann unmöglich von einer Position aus eine Gruppe sichern.

Ein oder mehrere Wurfsäcke sollten auf so einem Fluß (grad in einer Gruppe mit Anfängern) dabei sein .... der Umgang mit dem Ding sicher sitzen .... Bei einer Einweisung schon mal eine Erklärung dazu abgegeben sein.

Ein Planspiel vorab im Kopf .."was ist wenn ..." kann auch schon mal helfen, im Ernstfall schnell und richtig zu entscheiden.

Ein Guide kann das Problemboot u.U. auch mit dem eigenen Boot zum Ufer hin abdrängen ...


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