Für die kalte Jahreszeit empfiehlt sich natürlich ein wenig Lesestoff. Schade, das hier vorgestellte Buch kann vermutlich nur wenige Leute in diesem forums erfreuen; es ist in französischer Sprache geschrieben und Aussicht auf Ausgaben in deutscher oder englischer Sprache besteht nicht. Die Beschaffung ist auch nicht so einfach, der Neupreis beträgt zwar nur 12 Euro und lieferbar ist es auch, aber beschaffe mal jemand was aus Frankreich. Der Buchmarkt ist in der Beziehung noch nicht auf unserem Stand. Warum wird es trotzdem empfohlen? Ganz einfach – die Freude an so einem Buch, auch wenn sie nur von wenigen Glücklichen geteilt werden kann, die ist Mühe einer Buchbesprechung wert. Es wäre völlig illusorisch, dergleichen etwa den Paddelzeitschriften anzubieten, da besteht keinerlei Aussicht auf Abdruck. Hier ist der einzig mögliche Ort dafür. (Vergleichbare Ausführungen anderer Teilnehmer zu anderem lohnenden Lesestoff wäre zumindest mir schon angenehm).
Und um was geht es? Den Titel kann man wörtlich verstehen, er wäre mit „Stechpaddel“ zu übersetzen. Die Autorin, in La Mans ansässig und auch sonst schriftstellerisch aktiv, beschreibt Erfahrungen aus vielen Jahren Paddelpraxis. Meist war sie alleine unterwegs, ihr bevorzugtes Revier sind die Huisne, die Sarthe und die Mayenne. Das ist im nördlichen Hinterland der Loire. Jede Menge paddelbares Gewässer kommt da zusammen, aber es sind keine Filetstücke, an denen sich etwa die Verleiher in großem Stil bedienen könnten. Im Gegenteil, es ist viel Wehrstau, auch nicht wenig durch Schiffsschleusen beeinflusstes Wasser dabei. Wer dort paddelt, muss sich auch plagen. Der Schiffsverkehr hält sich dort im Rahmen, es ist überwiegend die Kategorie, die von mir abschätzig Vergnüüchler genannt wird. Aber es ist der Reiz der französischen Provinz vorhanden.
Die 1947 geborene Victoria Horton ist vergleichsweise spät zu diesem Zeitvertreib gekommen. Sie hat sich überwiegend in gewöhnlichen Wanderkanadiern ihre nähere Umgebung erschlossen und lässt den Leser an den entsprechenden Impressionen, Begegnungen und Tagträumen teilhaben. Dass es von einer Frau geschrieben ist und sie überwiegend alleine unterwegs war, das ist dem Text schon anzumerken. Ein Mann hätte es wohl anders geschrieben. Es geht nicht um das große Abenteuer, es geht um die kleinen persönlichen Freuden und Erlebnisse, die mit dem Wasserwandern eben verbunden sind – sein können, wenn die Bereitschaft besteht, sich auf Umwelt, Landschaft und Natur zu allen Jahreszeiten einzulassen. Bei typisch französischer Ausprägung. Es gibt für den erfahrenen Paddler natürlich allerhand déjà-vu. Das schmälert das Lesevergnügen nicht. Weitere Einzelheiten hier zu bringen, wäre verfehlt, das würde die Vorfreude schmälern und kann daher nicht Sinn einer Empfehlung sein. Wer es liest, sollte auch bei guten sprachlichen Voraussetzungen das Lexikon greifbar haben, google/wiki am besten auch. Teilweise auch eine schöne topographische Karte – denn taugliche Kartenskizzen lassen sich bei dem Preis kaum verwirklichen. Fotos gibt es keine, vom Titel abgesehen, braucht es auch nicht, der Text regt die Phantasie genügend an.
Victoria Horton, Pagaie simple, Les contrebandiers éditeurs, Paris 2013. Ladenpreis 12 Euro. ISBN : 978-2-915438-55-0. Es handelt sich um einen renommierten Verlag, das Buch ist sorgfältig geschrieben. (Mein Exemplar habe ich von canotier.com bezogen, mit etlichen anderen Titeln; die Durchsicht dieser Seite ist ebenfalls lohnend – die Erlaubnis der Wiedergabe des Buchtitels hat mir der Verlag schriftlich erlaubt). Beste Grüße karteipaddler
Hallo Karteipaddler Das Buch muss dir gut gefallen haben wenn Du es so warm empfiehlst. Mein Restfranzösisch ist nicht ausreichend dafür doch mit dem Anfangs- Sprachvermögen der zweiten Fremdsprache meines Jüngsten und meinen Fragmenten wird das vielleicht reichen, Du hast mich neugierig gemacht! Gruß Jürgen
in der Tat, habe keine Minute bedauert - die Lektüre kostet ja auch Zeit. Bei mir war es purer Zufall und die Gnade der frühen Geburt, dass in der Schule diese Sprache auf dem Lehrplan stand. Der Jahrgang nach mir in meiner Schule hat dann schon Englisch gelernt und für mich hat das umgekehrt bedeutet, dass ich nie richtig Englisch gelernt habe. Fürs Lernen ist Französisch nicht so der Renner, nach meiner bescheidenen Meinung auch nicht im Weltmaßstab und für den Weltmaßstab. Die Sprache ist viel zu verspielt und komplikationsfreudig. Frankreich ist nun aber auch ein klassisches Kanadierland. Darum ist es schade, dass zwangsläufig der Zugang zu seiner Literatur für uns so schwer ist. Schöne Grüße kp
Habs gerade hinein editiert - nur zur Methode bei solchen Suchaktionen: Bei dem Karlsruher Virtuellen Katalog (https://kvk.bibliothek.kit.edu/?digitalO...itle=0&newTab=0) wird rechts ein Haken bei Buchhandel gesetzt, dann Titel und Autor eingetragen in der doch recht übersichtlichen Suchmaske und Du kriegst alles, was die üblichen Verdächtigen heute bieten. Heute ist das ein antiquarisches Exemplar bei amazon für fast 25 Euro. Gemessen am Ladenpreis in Frankreich von 12 Euro ist das natürlich viel. Aus dem Stegreif fällt mir im Moment der schon erwähnte canotier.com ein, der muss natürlich Porto verlangen. (Der Verleger schreibt und spricht auch englisch, das hilft doch vielfach weiter). Dann gibt es natürlich noch den althergebrachten Buchhandel oder Buchhändler seines Vertrauens, der einem vielleicht was besorgen kann, wenn er Beziehungen nach Frankreich hat. Früher hätte ich mich da an Osiander in Tübingen gewendet. War zumindest für die englische Sprache ziemlich leistungsfähig. Bei der Suche eben ist mir aufgefallen, dass ein ausgesprochen poetisches Kanadierbuch, nämlich "La Caresse de l'Onde" (schlecht und recht als "Die Zärtlichkeit der Woge" zu verstehen), geschrieben von eben dem Verleger des Verlages canotier, nämlich Patrice de Ravel, bei ZVAB und amazon deutlich preiswerter zu haben ist. Schöne Grüße karteip.
Der Winter hat ja gerade erst angefangen. Es lohnt sich für unverbesserliche Leser, sich mit dem nachfolgend vorgestellten Buch zu beschäftigen. In dem Kanu Magazin, das - nach meiner unmaßgeblichen Meinung auch zu Recht - vermutlich nur von wenigen Schreibern und Lesern hier geschätzt wird, ist in der Nummer 1 und 2 für 2022 mal ausnahmsweise eine erwähnenswerte Geschichte aufgetaucht. Der Kunstliebhaber Klaus Kurre, der sich besonders mit der Stadt Autun in Burgund befasst, stellt in diesem Heft seine Übersetzung eines der ersten Kanubücher vor, die es gegeben hat. Ein in Autun ansässig gewesener Engländer mit Namen Philip Gilbert Hamerton hatte mit einem selbst gebauten und auch selbst entworfenen etwas sonderbaren Kanu den Arroux befahren und darüber zunächst einen umfangreichen Zeitschriftenartikel geschrieben und etwas später daraus ein Buch entwickelt. Das ist dann ab 1871 in mehreren Auflagen auf den Markt gekommen. Heute natürlich auch bei archive.org etwa online zu finden. Unter dem Titel "The Unknown River". Der Titel passt, der Fluss ist wirklich sehr wenig bekannt. Mit den heute gebräuchlichen Canadiern problemlos fahrbar und in einer angenehmen Landschaft, die stellenweise an den Unterlauf des Schwarzen Regens erinnert. Dementsprechend heißt auch die Übersetzung "Der unbekannte Fluss". Nähere Informationen dazu sind unter http://kurre.de/?page_id=5470 zu finden. Was Hamerton auszeichnet, das sind seine eigenen Illustrationen zu dem Buch, rein technisch sind es Radierungen. Hamerton hatte eine Kiste mit Kupferplatten im Boot und hat dann an Ort und Stelle daran gearbeitet. Land und Leute werden nett beschrieben und auch die Übersetzung in dem solide gebundenen Buch liest sich gut. Das Ganze für unter 20 Euro. Hamertons etwas kürzerer Zeitschriftenartikel ist in dem genannten Magazinheft abgedruckt, ebenfalls von Kurre übersetzt. (Aber nur mit einem Teil der Radierungen). Kurre hat auch Stück des Flusses mit einem gemieteten Boot befahren, was ebenfalls beschrieben ist, (in dem Magazin-Beitrag, nicht im gebundenen Buch).
Warnung: Solche Sachen erscheinen tatsächlich in sehr kleinen Auflagen, weil der Leserkreis halt auch sehr klein ist. Wer das haben oder verschenken will und glaubt, das gäbe es auch später noch irgendwann mal, kann Enttäuschungen erleben. (Gorbatschow)
Wahnsinnig schön, wie Du das Buch hier vorstellst. Ich bin beeindruckt. Bei mir wird gerade ein französischer im Kopf abgespielt. Vielen Dank dafür. Wenn mein französisch dafür nicht reichen wird bist das ein schönes Geschenk.
der oben erwähnte Klaus Kurre seine website hat sozusagen wieder zugeschlagen. Der olle Hamerton, ebenfalls oben erwähnt, hat auch ein Buch über Befahrungen der Saône geschrieben - u.a. hat er einen selbst konstruierten Katamaran eingesetzt. Der sollte gesegelt werden, musste aber notgedrungen auch gepaddelt werden. Das hat sich in der Gegend von Mâcon abgespielt. Eine Weingegend - die Stadt ist (Riesenüberraschung!) die Partnerstadt von Neustadt an der Weinstraße, wo besagter Kurre wohnt. Wenn es schon so heißt ebenfalls eine Weingegend. Jedenfalls hat Kurre die Seiten, die sich auf Mâcon beziehen, übersetzt und eine nett gemachte Broschüre daraus hergestellt. Die wird in Buchhandlungen in Neustadt für 7,50 Euro verkauft. Oder über die website bei dem Übersetzer bestellt, 3 Euro Versand. Das ist nun nicht unbedingt eine Lektüre mit direktem Bezug zum Canadierfahren. Wer sich für die Gegend interessiert, also für Burgund und für die Flussfahrt anno tobak, der kann an solchen Sachen Freude haben. (Die auch). Verschenken kann man sowas auch. Auch an Leute, die sich mehr für Burgund und weniger für das Paddeln begeistern können. Noch ein Detail aus persönlicher Erfahrung: Die Saône ist über weite Strecken nicht reizlos für das Paddeln. Wenn man für friedliche und weithin einsame und wehr-arme Flüsse was übrig hat. Entschleunigen funktioniert dort.
So ist das mit Kleinauflagen: Die erste Auflage der Übersetzung von Hamertons Buch: The Unknown River war schnell vergriffen. Jetzt ist eine zweite Auflage erschienen, wieder bei Kurres Website. Es sind zusätzliche Texte und vor allem Grafiken enthalten. Es ist eines der ersten Kanubücher überhaupt und die Lektüre macht ganz einfach Spaß. Eigentlich zu schade zum Verschenken. Man muss nämlich befürchten, dass man es nie wieder kriegen wird. Den deutschen Text kriegt man nicht im Internet. Die englischen Text schon, wenn man weiß, wo man suchen muss. Aber es in der Hand zu halten, das ist ein entscheidender Unterschied. Zumindest für einige Leute.