Die Nahe - Pegeldiva mit Charme
Winterliche Eindrücke auf einer Canadier-Fahrt von Kirn bis Staudernheim und Staudernheim bis Norheim
Die Nahe bildet die Grenze zwischen Hunsrück und Nordpfälzer Bergland. Landschaftlich sehr abwechslungsreich und auf der beschriebenen Strecke gut mit Bahn, Fahrrad oder Auto begleitbar, hat sie doch ein Handicap: Das Wasser fließt schnell ab. Wer im Winter also die Nahe ohne nasse Füße erkunden will braucht Geduld, um gutes Wetter und gute Pegel zu bekommen. Zum Lohn gibt es erfrischende Schwallfahrten ohne Steinhindernisse.
30.12.2007 - Kirn bis Staudernheim
Das Thermometer zeigt gegen Null aber die Sehnsucht ist zu groß. Der Tag verspricht sonnig zu werden, Pegel Boos zeigt unspektakuläre aber gute 53 cm. Wichtiger noch, Pegel Martinstein hat 113. Also kommen wir durch ohne Schieben. Material ins Auto, Kanadier aufs Dach und ab Richtung Kirn. Die Höhenzüge des Nordpfälzer Berglandes haben Raureif, in Schattenlagen liegt spärlicher Schnee. Dann geht es runter ins Nahetal.
In Kirn halten wir Richtung Bahnhof. In der Nähe ist eine Unterführung, die uns mit dem Auto direkt zum Fluss bringt. Hier mündet der Hahnenbach in die Nahe. Ein flacher Kiesstrand ist ein einladender Ort für die lokalen Stockenten und Spaziergänger der Uferpromenade - und auch für uns ideal. Die Nahe fließt hier ruhig, bevor die ersten Schwalle beginnen. Zunächst ziehen wir noch an Häusern vorbei, dann wird das Tal eng. Wir paddeln uns warm, obwohl es auch ohne flott voran gehen würde. Bis Hochstätten sind beide Hände warm. Hier weitet sich kurz das Tal. Nach der Brücke zieht die Nahe einen Rechtsbogen und wird kurz unangenehm breit, weil flach. Links fließt es am besten und in der Rinne ziemlich flott. Aber ein Baum sperrt ein Teil der Rinne. In der Mitte Flach, rechts mäandert der Fluss. Wir wollen am Baum nicht Baden gehen und staken etwas durch die Mitte, dann rein in die Strömung und weiter durch kleine Schwalle. Die Hänge kommen wieder an den Fluss ran. Vor Martinstein noch eine Linksbiegung mit stehenden Wellen. Wir sammeln eine Handbreit Wasser ein. Warum sammelt sich dass immer bei mir hinten? So schwer bin ich gar nicht.
Mysterium Martinstein. Pegel 113 reicht gerade zum Durchkommen. Unsere Paddel streicheln die Steine. Bei Pegel 96 war ich hier alleine schon kurz vor dem Aussteigen. Der Ort könnte auch Hasenfurt heißen. Nach Martinstein weitet sich das Tal und wird richtig breit. Erlen am Fluss, Wiesen, Schilf. Die Hänge in der Ferne zeigen erste Rebenkulturen. Über uns ein Gleitschirmflieger. Die Radfahrer, die uns heute am Fluss begleiten sind auch keine Genussfahrer mit aufrechtem Sitz. Teure Räder und das Weihnachtstrikot im Ersteinsatz? Wo hier im Sommer fast nur Stockenten schwimmen, wundern wir uns über die winterliche Artenvielfalt bei den Gelbfüßen.
Wehr Gänsmühle umtragen wir rechts. Das nächste Wehr an der Nahe-Mühle paddeln wir ganz rechts, aber mit Grundberührung. Bei höherem Pegel sind wir hier schon in der Mitte durch. Leichter Rücksog und ein staunend träumender Frontmann, der vergaß uns aus dem weißen Wasser zu ziehen drehten das Boot damals beinahe zum Wehr (Pegel Boos 2 m). Schilfges Mühle, das nächste Wehr, hat viele große Steine im Unterwasser. Rechts ist so etwas wie eine schmale Floßgasse oder Fischtreppe. Der Ort machte aber bisher bei keinem Wasserstand einen guten Eindruck für uns zu Durchpaddeln. So auch diesmal. Ausstieg rechts und durch die Wiese am Sportheim umgetragen. Ist etwas mühsam. Also erst mal Pause, Ausruhen in der Wintersonne, Kaffee und Tee austauschen. Der Wiedereinstieg hinter dem Wehr dann mit voller Konzentration. Wir wollen nicht noch weiter umtragen (500 m?) und nehmen eine flott angeströmte Stelle, die mit Bäumen und Sträuchern überwachsen wird. Also Absprung in die Strömung und weg vom Ufer. Kurz danach das hohe Stadtwehr von Sobernheim. Meist ist hier der Wasserentzug sehr stark. So auch heute. Hoffentlich reicht es, damit wir nicht bis zur Brücke umtragen müssen. Der Ausstieg rechts ist leicht. Bootswagen untergeschnallt und dann im Gänsemarsch ein längeres Stück durch die Wiese. Bis zur Brücke müssen wir Gott sei Dank nicht. Auf halbem Weg finden wir einen Zugang zum Wasser, mühen uns die Böschung runter und paddeln weiter. Nach der Brücke steigt wieder der Spaßfaktor. Den geplanten Ausstieg an der Tennishalle von Sobernheim (ca. 1 km zum Bahnhof, leichter Ausstieg an "Furt", direkte PKW Zugänglichkeit) verpassen wir glatt. Dafür geht es bis Staudernheim genauso fröhlich schwallig weiter. Die Seilfähre und das Sicherungsseil der Flussfurt am Sobernheimer Barfußpfad waren abgebaut - freie Fahrt bis Staudernheim. Ausstieg hinter der Sandsteinbrücke, kurz vor dem Wehr. Ein Angler schaut verwundert. Rechts hinter dem Deich gute Parkmöglichkeit und der Bahnhof nur 5 Gehminuten weg. Also raus und rein in den Regionalzug, zurück zum Auto und zurück in den Alltag.
Planungshilfe: ca. 20 km, 3 (4) Umtragungen, winterlich flott in 4,5 h incl. Pause, Regionalzug 2007 jede Stunde, Pegel Boos 53, Pegel Martinstein 116,
http://www.hochwasser-rlp.de/nahe/karte/index.php 26.01.2008 - Staudernheim bis Norheim
Eigentlich wollten wir zu zweit mit dem Canadier auf die Alsenz und bei Hochwasser eine "Ersterkundung" auf diesem Kleinflussversuchen, doch dann entschieden uns für eine Fortsetzung auf der Nahe.
Einstieg am Wehr in Staudernheim bei Pegel Boos 89 cm. Wir machen zunächst zweites Frühstück direkt am Wehr und überlegen, oder wir noch das Wehr paddeln oder unterhalb einsteigen. Sonnenschein und kalter Westwind. Eigentlich könnte es „warm“ sein aber der Wind macht kalt, wir gehen zügig ins Wasser. Das Wehr steht wie ein flacher Keil im Fluss. Deshalb ziemlich flotte Strömung auf der linken Seite. Wir rutschen relativ links über die Wehrkrone (ganz links Schwemmholz), Grundberührung und kleinere Steine im Auslauf. Wir rutschen gerade runter, werden vom Hauptstrom aufgenommen und sausen über die Wellen. Uff, gut gegangen, kein Wasser schwappt rein. Die nächsten 2 km bis zur Glanmündung bringen regelmäßig kräftige Schwalle, teilweise Kehrwasser. Unser Kanu bekommt eine Fingerbreite Wasser geschenkt. Am Fluss stehen mehrere Reiher - überraschend viele. Auf dem Deich einmal sogar fünf in einer Reihe. Daher der Name? Nach der Glanmündung dann eine Gruppe Kormorane in der Luft. Bis Boos wird der Fluss etwas ruhiger, weil breiter und flacher. Der Fluss hat hier keine Deckung, gut das der Wind von hinten kommt.
Ab Wehr Boos beginnt im Sommer das Schutzgebiet (Befahrungsregeln). Jetzt im Winter können wir durchpaddeln. Wir paddeln rechterhand über die Wehrkrone, haben hier und da Grundberührung, kommen aber ohne Treideln durch die ersten 300 Meter. Dann wird es wieder zügig. Bei niedrigerem Wasser ist hier „Wasserwandern“ sicher angesagt. Das Tal wird schlagartig eng. Felsen rechts und links. Nur Platz für die Straße, die Bahnschienen und den Fluss. Kurz darauf das Wehr bei Oberhausen. Wieder wie ein Keil im hier breiter werdenden Fluss. Wir steigen kurz aus, besichtigen die Lage. Ganz links fließt das meiste Wasser, wird aber von der Böschung zu einem Hockeystick gebogen. Wir paddeln mit Grundberührung mehr zur Mitte hin durch und kommen im breiteren Bogen in den flott strömenden Hauptstrom. Wasser sammeln wir trotzdem in den Wellen. Dann wird es abrupt ruhig, der Stausee beginnt.
Immer noch sind die Hänge sehr dicht am Wasser, der „Fluss“ wird aber deutlich breiter. Ein zweier Ruderboot macht auf der sonnigen Seite im Wasser Pause. Im Vergleich zu dieser Stricknadel wirkt unser Kanadier wie eine Bratpfanne. Später ziehen noch ein paar weitere Ruderer vorbei. Was für ein Glück, dass wir Rückenwind haben. Auf dieser breiten, stromfreien Fläche wollte ich keinen Gegenwind haben. Wir ziehen an zwei Rudervereinen vorbei und sind kurz darauf an der Staumauer von Niederhausen. Raus auf den Deich, Picknick in der Nachmittagssonne. Ein Husky kommt vorbei und klaut uns ein Brötchen, weil der Junge am Ende der Leine wohl vom Hund Gassi geführt wird und nicht umgekehrt.
Ein paar vorbeikommende Radfahrer verrenken sich die Köpfe, riskieren von der Straße zu kommen. Sehen wir aus wie Außerirdische? Dann gute 700 Meter mit dem Bootswagen entlang der Hauptstraße, bis wir hinter der Staumauer einen passenden Einstieg finden. Bei geringerem Wasserstand würde das Boot im Wasser hinter dem Wehr bestimmt Steine küssen. So streicheln nur die Paddel die Steine. Nach dem Wasserzustrom aus dem E-Werk geht es aber wieder flott weiter. Das Tal wird breiter. Schilfgürtel am Fluss und dann der runde Talkessel von Norheim. War hier vor vielen Jahrtausenden mal eine riesen Badewanne, bis die Nahe sich durch die Steine bei Bad Münster gesägt hat? Wo die Nahe hier abfließt können wir nur ahnen. Am Wehr von Norheim kommen wir auf der linken Seite mit zarten Grundberührungen gut durch, rechts würde es wohl auch gehen. Es wird wieder flott und schwallig.
Kurz drauf der Mühlenrückfluss. Dann entdecken wir einen Trampelpfad zum Fluss runter. Es ist Zeit zum Ausstieg. Wir halten kurz entschlossen an, ziehen das Boot raus und sind an einem Spielplatz. In der direkten Nähe das Dorfgemeinschaftshaus. Die letzten Vorbereitungen zum Karnevalsball laufen gerade. Ob in Norheim die Bahn hält? Klar! Ich habe Glück. Ein hilfsbereiter Mann in der Küche ist auf dem Sprung und fährt mich am Bahnhof vorbei. Im vollbesetzten Regionalzug dann mal wieder versteckte Blicke und Tuscheln, wenn man mit Anorak, Wasserschuhen und blauem Neo Bahn fährt. Oder liegt es daran, dass meine Frau mir morgens noch einen breiten roten Kunstleder-Flicken auf den Riss am Hosenboden genäht hat?
Planungshilfe: ca. 15 km, 1 (3) Umtragung, winterlich flott in 3 1/4 h incl. Pause, Regionalzug 2007 jede Stunde, Pegel Boos 89, Pegel Martinstein 150,
http://www.hochwasser-rlp.de/nahe/karte/index.php